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Ukraine verliert Maxar-Satellitenbilder – droht Blindflug im Krieg?


Abgeschnitten von den USA
Jetzt haben diese Einheiten ein Problem


09.03.2025 - 10:02 UhrLesedauer: 4 Min.
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Soldat einer ukrainischen Drohneneinheit in Torezk: Die USA wollen künftig der Ukraine keine Aufklärungsdaten mehr liefern. (Archivfoto) (Quelle: Smoliyenko Dmytro/Ukrinform/ABACA/imago-images-bilder)
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Nach Waffen und Geheimdienstinformationen haben die USA auch der Ukraine den Zugang zu Satellitenbildern gekappt. Was bedeutet das für den Kriegsverlauf?

Wer einen Zugang zu den Daten des US-Satellitendienstes Maxar hat, hat manchmal den Eindruck, man könnte Dinge vorhersehen, bevor sie überhaupt passieren. Anfang Februar 2022 hatte das 4.600 Mitarbeiter starke Unternehmen aus dem Bundesstaat Colorado zahlreiche Satellitenaufnahmen aus Belarus und Russland veröffentlicht, die verschiedene Militäranlagen zeigten. Darauf zu sehen war etwa, dass Ende Januar an dem belarussischen Ort Assipowitschy Raketen des Typs Iskander stationiert wurden: Mit den Waffen war von dem Standort aus nicht nur die ukrainische Hauptstadt Kiew erreichbar. Die Raketen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie unter anderem mit Atomsprengköpfen bestückt werden können.

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Andere Bilder, die Maxar zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht hatte, deuteten auf rege Truppenbewegungen hin: An Stützpunkten, die zuvor noch größtenteils leer standen, waren inzwischen zahlreiche Zelte für Soldaten errichtet. An anderen Standorten deuteten etliche Reifenspuren auf einen großen Betrieb hin, als viele Politiker und Experten noch einen Krieg zwischen Russland und der Ukraine für unwahrscheinlich hielten. "Jetzt wird es langsam brenzlig", sagte damals der Militärexperte Gustav Gressel, der für t-online die Bilder auswertete.

Zu dem Zeitpunkt reisten der französische Präsident Emmanuel Macron und später auch Bundeskanzler Olaf Scholz noch nach Moskau, um einen großen russischen Krieg in der Ukraine zu verhindern. Keine 20 Tage später verkündete der russische Präsident Wladimir Putin dann tatsächlich den Beginn der russischen Vollinvasion der Ukraine, die mittlerweile mehr als drei Jahre andauert.

Die Maxar-Bilder spielen seitdem eine große Rolle, auch für das ukrainische Militär. Die Armee konnte die Satellitenbilder zur Aufklärung im Kampf gegen Russland nutzen, weil eine Unterbehörde des US-Verteidigungsministeriums sie ihr zur Verfügung stellte. Doch damit ist seit dieser Woche Schluss: Die US-Behörde, die die Bilder von Maxar an die Ukraine weitergab, hat die Zugänge für die Ukraine deaktiviert, teilte Maxar in dieser Woche mit. Mehr dazu lesen Sie hier.

Nach den gestoppten Waffenlieferungen und der beendeten Weitergabe von Geheimdienstinformationen hat die Ukraine mit der Aufklärung nun einen dritten essenziellen Pfeiler in seiner Verteidigung gegen Russland durch die USA verloren. Damit dürfte die Ukraine unmittelbar weitere Schwierigkeiten auf dem Schlachtfeld erhalten – und ob es einen schnellen Ersatz geben kann, ist fraglich.

Der Politikwissenschaftler und Militärkenner Carlo Masala warnte schon im Vorfeld, dass die Ukraine ohne die Aufklärung der USA in Schwierigkeiten geraten könnten: "Wenn die Amerikaner auch die Aufklärungsinformationen einstellen, die es den Ukrainern erlauben, russische Truppenbewegungen zu sehen, dann sind die ukrainischen Streitkräfte blind", sagte Masala am Dienstag in der ZDF-Sendung von Markus Lanz. Problematisch sei dabei auch, dass Europa diese Informationen nicht ersetzen könne.

Einfluss auf Drohnenprogramm

Probleme dürften die fehlenden Satellitenkarten vor allem den ukrainischen Drohnenpiloten bereiten: Mit zunehmendem Kriegsverlauf sind die unbemannten Fluggeräte immer wichtiger geworden. Die "New York Times" schätzte in einem Bericht im vergangenen November, dass mindestens 80 Prozent der russischen Verluste auf Drohnenschläge zurückzuführen seien.

Die Ukraine ist mittlerweile in der Lage, viele der benötigten Drohnen selbstständig herzustellen. Dadurch ist das Land anders als in vielen anderen Feldern deutlich weniger abhängig von Unterstützung aus dem Ausland.

Ohne die Satellitenbilder könnte das ukrainische Drohnenprogramm allerdings ineffizienter werden: In Frontnähe werden vielerorts Störsender eingesetzt, wodurch die GPS-Navigation unterbrochen wird. Deswegen nutzen die Drohnenpiloten häufig Karten wie die von Maxar, um mögliche Ziele auszukundschaften. "Hochauflösende Satellitenbilder sind ein Muss", sagte ein Soldat einer Drohneneinheit dem "Business Insider".

Der Soldat ging davon aus, dass etwa drei Viertel der Soldaten im gesamten ukrainischen Drohnenprogramm die Daten von Maxar nutzen würden. Der Kartendienst ist dabei nicht nur von großer Bedeutung bei Zielen in Frontnähe, sondern auch beim Ausspähen von Orten, die weit dahinter liegen. In Zukunft dürfte es für die Drohneneinheiten daher deutlich schwieriger werden, russische Öl- und Waffendepots oder Flugplätze jenseits der ukrainischen Grenze zu attackieren.

Lösungen noch möglich

Darüber hinaus erschweren die fehlenden Informationen durch den Kartendienst und die amerikanischen Geheimdienste auch die eigenen Verteidigungsmaßnahmen. Truppenbewegungen, startende Drohnenflüge oder Bewegungen von russischen Kampfflugzeugen dürfte die ukrainische Armee künftig erst deutlich später bemerken. Daher ist davon auszugehen, dass es durch die fehlenden Informationen zu höheren Verlusten kommen wird.

Gänzlich muss die Ukraine allerdings nicht auf Maxar verzichten. Laut dem Unternehmen ist es dem ukrainischen Militär zwar nicht mehr gestattet, die Daten über die Kanäle der US-Behörden zu beziehen. Selbst erworbene Zugänge kann die Ukraine dagegen weiter nutzen. "Jeder Kunde entscheidet selbst, wie er diese Daten nutzt und weitergibt", sagte Gia DeHart, Sprecherin des US-Regierungsgeschäfts von Maxar Intelligence der "Washington Post". "Wir nehmen unsere vertraglichen Verpflichtungen sehr ernst und es gibt keine Änderungen an anderen Maxar-Kundenprogrammen." Ob und wie die Ukraine den Dienst weiter beziehen wird, ist noch nicht bekannt.

Alternativen vorhanden

Fakt ist, dass der Kartendienst auf dem Markt eine herausgehobene Stellung besitzt: Nach eigenen Angaben liefert das Unternehmen pro Tag Kartenmaterial der Erde für eine Fläche von mehr als 3,8 Millionen Quadratkilometern. Zum Vergleich: Das Staatsgebiet Indiens ist rund 3,3 Millionen Quadratkilometer groß. Für die USA liefert das Unternehmen nach eigenen Angaben zudem 90 Prozent der Geodaten, die für die nationale Sicherheit und den Schutz der US-Soldaten genutzt werden.

Gänzlich alternativlos ist der Anbieter allerdings nicht: Um die Störsender zu umgehen, hat das US-Unternehmen Vermeer etwa kürzlich eine Lösung vermeldet. Das Unternehmen, das ebenfalls Kartenmaterial zur Verfügung stellt, soll ein Navigationssystem für ukrainische Drohnen entwickelt haben, das vollständig vorinstallierte 3D-Karten nutzt und dadurch nicht mehr durch GPS-Störungen behindert werden kann. Nach Angaben des Unternehmens soll das neue System bereits in 40 bis 50 ukrainischen Drohnen benutzt werden.

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Schnelle Nachfolger nicht in Sicht

Allerdings ist diese Zahl verglichen mit der Gesamtmenge an ukrainischen Drohnen verschwindend gering: Das Land soll im vergangenen Jahr insgesamt 1,2 Millionen unbemannte Fluggeräte hergestellt haben.

Nichtsdestotrotz haben weitere Staaten ihre Unterstützung bereits angeboten, nachdem die USA keine Geheimdienstinformationen mehr an die Ukraine liefern: Ähnliche Angebote wie Maxar soll es etwa auch von dem französischen Konzern Airbus oder dem finnischen Anbieter Iceye geben. Allerdings können beide Unternehmen Daten nicht in einem vergleichbaren Umfang liefern.

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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