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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Krieg in der Ukraine Putin macht Trump ein unmoralisches Angebot

US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin demonstrieren im Ukraine-Krieg Einigkeit. Davon profitiert vor allem Russland, denn bislang musste Moskau keinerlei Zugeständnisse machen. Besser könnte es für Putin kaum laufen.
Die Zeiten haben sich für die Ukraine grundlegend geändert. Wem das bislang nicht klar war, der brauchte am Montag lediglich auf die Abstimmung des UN-Sicherheitsrates in New York zu schauen.
Dort hat die US-Regierung von Präsident Donald Trump eine moskaufreundliche Resolution zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine durchgebracht. Das Dokument forderte zwar Frieden, benannte Russland aber nicht als Aggressor. Die USA stimmten mit Russland und China dafür.
Genau andersherum lief es zuvor in der UN-Vollversammlung: Dort stimmte die US-Regierung mit Russland, China, Israel, Nordkorea und Belarus gegen eine Resolution für die territoriale Integrität der Ukraine und gegen Russlands Angriffskrieg. Doch am Ende setzten sich dort die Europäer mit einer eigenen Resolution durch – eine Niederlage für Trump.
Trump und Russland rücken zusammen. Damit verschieben sich die Machtachsen der internationalen Politik. Während die Amerikaner als einstige westliche Führungsmacht lediglich die eigenen Interessen im Blick haben, werden die Gräben in den transatlantischen Beziehungen dadurch immer tiefer.
Davon profitiert vor allem der russische Präsident Wladimir Putin. Trump hilft ihm aus der internationalen Isolation und öffnet die Tür für künftige Geschäfte mit Russland. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die US-Regierung bisher keinerlei Kompromisse von Moskau bekommen. Der US-Präsident dagegen hat bereits das Vertrauen in die westliche Einigkeit zertrümmert und konnte sich dafür lediglich die Gesprächsbereitschaft sichern. Es ist ein Deal, bei dem bislang nur Putin die Korken knallen lassen kann.
Putin spielt auf Zeit
Bald werden sich Putin und Trump persönlich treffen, um über ein Ende des Ukraine-Krieges zu verhandeln. Die russische Verhandlungsstrategie bis dahin erscheint klar: Putin spielt auf Zeit. Russland ist weiterhin im Ukraine-Krieg in der Offensive und mit jedem Tag verbessert sich die Verhandlungsposition des Kreml, denn die westlichen Unterstützer der Ukraine und vor allem die USA bauen ihre militärische Unterstützung gegenwärtig nicht weiter aus – auch, um Putin vor den Verhandlungen nicht zu verschrecken.
Russland kann trotz großer wirtschaftlicher Probleme mit steigender Inflation und einem Mangel an Arbeitskräften diesen Krieg wahrscheinlich noch länger führen. Dementsprechend könnte Moskau mindestens noch weitere Teile der Ukraine besetzen oder den durch die ukrainische Armee eroberten Teil der südrussischen Region Kursk zurückerobern. Putin sprach der Ukraine zu Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 ihre staatliche Souveränität ab. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass er sein Kriegsziel – die Zerschlagung des ukrainischen Staates – aufgegeben hat.
Mit Trump kommt nun aber eine Variable in den Konflikt, die für Russland schwer kalkulierbar ist. Der Republikaner gilt als unberechenbar. Wenn Putin den US-Präsidenten zu sehr vor den Kopf stoßen würde, müsste er mit einer irrationalen Reaktion des Amerikaners rechnen. Um das zu verhindern, hält er Trump bei Laune.
Die russische Seite zeigt sich zu Gesprächen bereit. Gleichzeitig will es Russland laut Trump zulassen, dass die europäischen Staaten an den Verhandlungen teilnehmen und dass europäische Staaten nach einer möglichen Waffenruhe Friedenstruppen für die Ukraine stellen. Der Kreml dementierte das. Trotzdem erscheint Putin plötzlich auf den ersten Blick entgegenkommend. Auf den zweiten hat Russland aber bisher keine Zugeständnisse gemacht. Denn der Rahmen eines möglichen Friedens ist noch nicht verhandelt und die Teilnahme der Europäer an den Verhandlungen werden die Gespräche noch komplizierter machen.
Das beutetet: Putin bekommt noch mehr Zeit – und seine Armee greift in der Ukraine weiter an.
Russland spaltet den Westen
Insgesamt folgt Russland aber einer Doppelstrategie. Einerseits geht es dem Kreml darum, die Hoffnung der USA auf eine Verhandlungslösung am Leben zu halten. Andererseits versucht Russland, gezielt mit Angeboten und Schmeicheleien gegenüber Trump das transatlantische Bündnis zu beschädigen und den Westen zu entzweien.
So zeigte sich Russland nach der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat zufrieden. Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja lobte die "konstruktiven Veränderungen der US-Position mit Blick auf den Ukraine-Konflikt". Der Kreml begrüßte am Dienstag eine "viel ausgewogenere Position" der USA. Diese ziele "wirklich darauf ab, den Ukraine-Konflikt zu lösen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. "Wir begrüßen das." Bei den Europäern sehe er jedoch keine Anzeichen für Ausgewogenheit, fuhr der Kreml-Sprecher fort.
Ferner bot Putin den USA eine gemeinsame Erschließung von Vorkommen seltener Erden, auch in den russisch besetzten Teilen der Ukraine an. "Wir sind bereit, mit unseren Partnern, darunter auch die USA, dort zusammenzuarbeiten", sagte der Kremlchef in einem Interview für das Staatsfernsehen. Russland verfüge über einige der weltweit größten Lagerstätten für Rohstoffe im hohen Norden des Landes, aber auch im Kaukasus, in Sibirien, im Fernen Osten und den als "neuen Territorien" bezeichneten besetzten Gebieten der Ukraine, so Putin. Ein unmoralisches Angebot.
Die Vorstellung, dass die USA und Russland zusammen ukrainische Rohstoffe ausbeuten, ist für einen Großteil der europäischen Staaten inklusive der Ukraine nicht hinnehmbar. Immerhin wurde das Land von Putin überfallen. Trump könnte diesem Szenario aber durchaus etwas abgewinnen. Denn der US-Präsident hat vor allem die wirtschaftlichen Interessen der USA im Blick. Ihm geht es um Geld.
Welche Strategie verfolgt Trump?
Russland schafft es offenbar, den Westen zu spalten, und Putin muss dafür nicht einmal sonderlich kreativ sein. "Ich mache Deals. Ich habe mein ganzes Leben lang Deals gemacht, das ist alles, was ich kann", sagte Trump in voller Inbrunst auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Auch die anvisierte Lösung für die Ukraine ist für den US-Präsidenten eine kommerzielle Angelegenheit: Während Macron "Sicherheitsgarantien" für die Ukraine fordert, nennt Trump als Ziel, "unser Geld zurückzubekommen".
Der US-Präsident warf dabei erneut mit falschen Zahlen um sich. Die USA hätten die Ukraine mit 300 Milliarden Dollar unterstützt, Europa habe nur 100 Milliarden Dollar "Kredite" gegeben, die es zurückerhalten werde, beklagt er sich. Dabei beläuft sich die tatsächlich von den USA geleitete Unterstützung auf knapp 120 Milliarden US-Dollar.
Ein weiteres Zeichen dafür, dass die transatlantische Partnerschaft für Trump eher eine Geschäftsbeziehung ist: Der US-Präsident bezeichnete Macron unter anderem als "cleveren Kunden". Der Rückgriff auf die Geschäftssprache bringt zum Ausdruck, dass der Immobilienmogul an die Politik mit einem kaufmännischen Selbstverständnis herangeht. Und auch Putin betrachtet Trump als potenziellen Geschäftspartner. Parallel zu seinen Gesprächen mit Macron gab der US-Präsident in einer Onlinebotschaft bekannt, dass er mit dem Kremlchef über eine umfassende Wirtschaftskooperation spricht.
Trumps Politik hilft vor allem Putin. Denn die USA senden damit das Signal an viele andere Staaten in der Welt, dass die wirtschaftlichen Beziehungen und die internationale Zusammenarbeit mit Russland wieder normalisiert werden können.
Doch für den US-Präsidenten ist bislang noch kein Deal in Sicht, der einen langfristigen Frieden in der Ukraine ermöglichen würde. Aus europäischer Perspektive gibt es lediglich die Hoffnung, dass Trump all dies tut und sagt, um von Russland als glaubwürdiger Vermittler akzeptiert zu werden. Denn unter dem ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden stand die US-Administration fest an der Seite der angegriffenen Ukraine. Als Vermittler müsste Trump allerdings auch Druck auf Moskau ausüben. Bislang zerschlägt er lediglich Porzellan auf der Seite der Ukraine und ihrer westlichen Unterstützer.
- stern.de: Trump spricht mit Putin über wirtschaftliche Kooperation
- handelsblatt.com: US-Rohstoffkolonie? Diesen Deal bietet Trump der Ukraine
- politico.eu: Trump says Putin will accept European peacekeepers in Ukraine (englisch)
- zdf.de: Rohstoff-Deal: Trump will Selenskyj treffen
- zeit.de: Donald Trump kündigt "große Geschäfte" mit Russland an
- dw.com: Das Gipfeltreffen von Trump und Putin - eine Zäsur
- Nachrichtenagenturen dpa, afp, rtr