Nordkorea-Soldaten im Ukraine-Krieg "Russen waren viel schlechter ausgerüstet"
Tausende Soldaten aus Nordkorea sollen derzeit an Russlands Seite kämpfen. Bislang war nicht viel über diese Truppen bekannt. Nun zeigt sich: Sie sind gut ausgerüstet für den Krieg.
Seit einigen Monaten kämpft die Ukraine nicht mehr nur gegen russische Truppen, sondern auch gegen Soldaten aus Nordkorea. Und diese sollen besonders gut ausgerüstet sein, wie ukrainische Soldaten nach den ersten Kämpfen festgestellt hätten. Das berichtet die "Washington Post".
Demnach haben ukrainische Spezialeinheiten Reportern der Zeitung Ausrüstungsgegenstände der nordkoreanischen Soldaten gezeigt, darunter eine Liste mit koreanischen und russischen Ausdrücken, Neujahrsbriefe und Körperpanzer. Ein Soldat des 8. ukrainischen Sondereinsatzregiments sagt dazu: "Die Russen waren viel schlechter ausgerüstet". Und er stellt auch gleich eine Vermutung an, wie es dazu kommen konnte: "Die Russen haben versucht, vor den Nordkoreanern zu protzen."
Botschaften von Kim Jong Un für den Kampf?
Besonders spannend mutet ein handgeschriebener Brief an, der Botschaften des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un enthält und der auf 31. Dezember bis 1. Januar datiert wurde. Darin heißt es: "Ihr habt herzzerreißende Opfer und die Freude über kostspielige Siege, viele edle Kampferfahrungen, das unbezahlbare Gefühl echter Kameradschaft und Patriotismus erlebt, und das alles so weit weg vom Mutterland". Und weiter: "Ich weiß gar nicht, wie ich die richtigen Worte finden soll, um euch zu ermutigen und euch für euren Einsatz und eure unermüdlichen Bemühungen zu danken. Ich vermisse euch wirklich, Kameraden", hieß es in dem Brief.
Die Herkunft des Briefes ist unklar. Die "Washington Post" mutmaßt, dass er von Pjöngjang aus an die Truppen geschickt oder von nordkoreanischen Soldaten aufgeschrieben wurde, die hörten, wie ihre Kommandeure die Botschaften von Kim laut vorlasen.
In einem kleinen Büchlein fanden ukrainische Soldaten in der vergangenen Woche zudem handgeschriebene Texte zu patriotischen Liedern aus Nordkorea. "Mein Schicksal wird immer mit dem Vaterland geteilt", hieß es in einem der Texte.
Für die Ukraine heiße das vor allem, dass die nordkoreanischen Truppen wesentlich stärker ideologisch motiviert seien als die russischen Soldaten, die Wladimir Putin zuletzt vor allem mit hohen Gehältern oder dem Erlass von Gefängnisstrafen geködert hatte, schreibt die "Washington Post". Lesen Sie hier mehr zu den Absprachen zwischen Kim und Putin.
Erste Hilfe und Waffen
Bereits im Dezember war das Tagebuch eines getöteten nordkoreanischen Soldaten gefunden worden. Darin schrieb er: "Ich werde an die Front gehen und die Befehle des Obersten Führers Kim Jong Un ohne Frage befolgen, selbst wenn es mich mein Leben kostet." Mehr dazu lesen Sie hier.
Unter den aktuellen Funden der ukrainischen Spezialeinheiten befanden sich auch Erste-Hilfe-Kästen. In einem Handbuch mit dem Titel "Verteidigungsministerium der Russischen Föderation, Medizinische Notfallbehandlung (Erste Hilfe), Erste Hilfe zur Selbsthilfe, 2024" wird etwa das Anlegen einer Aderpresse erklärt.
Des Weiteren wurden auch Militärausweise, Körperpanzer, moderne russische Sturmgewehre, eine Schaufel und ein ukrainisches Messer nach den Kämpfen mit nordkoreanischen Truppen gefunden. Gerade bei den Ausweisen ist die Ukraine aber vorsichtig. Die Angaben darin seien häufig gefälscht.
So fanden die Ukrainer bei sichergestellten Gegenständen offenbar russische Militärausweise, darunter ein Personalausweis eines Soldaten aus der russischen Region Tuwa, wie die "Washington Post" berichtete. Der Fund deutet auf Bestrebungen hin, nordkoreanische Truppen unter falscher Identität in russische Einheiten zu integrieren.
Funde geben Aufschluss über Soldaten
Die sichergestellten Gegenstände sind eine wichtige Quelle für die ukrainische Armee im Krieg gegen Russland. Denn die Anwesenheit der nordkoreanischen Truppen könnte den Kriegsverlauf entscheidend beeinflussen. Gleichzeitig weiß die Ukraine bisher noch recht wenig über die Soldaten, denn bisher wurden kaum Nordkoreaner festgenommen. Stattdessen gibt es Berichte darüber, dass die Nordkoreaner bis zum Tod kämpften oder sich selbst mit Granaten töteten, um einer Gefangennahme zu entgehen. Mehr dazu lesen Sie hier.
Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurden in den letzten Wochen bis zu 4.000 nordkoreanische Soldaten getötet oder verwundet und nur zwei von ihnen wurden lebend gefangen. Beide Männer wurden verwundet und in Kiew in Gewahrsam genommen, wo sie laut Selenskyj verhört und wegen ihrer Verletzungen behandelt werden.
Laut der "Washington Post" zeichnen die bisherigen Funde und wenigen Begegnungen mit nordkoreanischen Kämpfern ein Bild von einer geheimnisvollen Truppe, die hoch motiviert, organisiert, gut ausgebildet und besser ausgerüstet als die russische Infanterie sei. Was das für den weiteren Kriegsverlauf bedeutet, ist noch unsicher.
Bisher hatten sich die nordkoreanischen Angriffe auf die kleine Enklave in der westrussischen Region Kursk beschränkt. Doch kürzlich haben sich die Truppen zurückgezogen. Das könnte darauf hindeuten, dass sie sich neu gruppieren oder ihr künftiges Vorgehen planen. Auch Erschöpfung und Verletzungen durch die jüngsten Angriffe sind eine mögliche Erklärung.
- washingtonpost.com: "What the North Koreans took into battle against Ukraine" (Englisch)
- kyivpost.com: "Belongings of North Korean POWs Shed Light on Pyongyang’s Role in Ukraine" (Englisch)