"Anna von Kiew" Von der Prestigebrigade zur Skandaleinheit
Eigentlich sollte die Brigade "Anna von Kiew" ein Vorzeigeprojekt sein. Doch nach Verlusten und Fahnenflüchtigen ist die Einheit bereits wieder Geschichte.
Im Mai 2024 hatte Oleksandr Pawljuk große Pläne verkündet: Ganze zehn neue Brigaden wolle die ukrainische Armee aufstellen, verkündete der damalige Oberbefehlshaber des ukrainischen Heeres im Gespräch mit dem britischen "Economist".
Einer dieser Verbände – die 155. Mechanisierte Brigade – sollte wenige Monate später Aufsehen auslösen, allerdings aus ukrainischer Sicht nicht im positiven Sinne: Die Brigade, auch bekannt unter dem Namen "Anna von Kiew", wurde Anfang Januar bereits wieder aufgelöst. Die Einheit soll unter anderem große Probleme gehabt haben, da 1.700 Soldaten von der Gruppe geflohen sein sollen. Mehr dazu lesen Sie hier.
Nach französischer Königin benannt
Seit Anfang des Jahres ist "Anna von Kiew" bereits wieder Geschichte. Die Einheit ist aufgelöst, die übrigen Soldaten wurden auf andere Einheiten verteilt. Doch wie konnte sich eine Brigade, die als Vorzeigeprojekt gestartet war, so schnell in ihre Einzelteile zerlegen?
Die Gründung der Brigade war vergangenes Jahr vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron während der Feierlichkeiten zum Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie verkündet worden. Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj sah in "Anna von Kiew" ein Modell für mögliche weitere ukrainische Armeeverbände, die von Nato-Staaten ausgebildet werden sollten.
Die Brigade trägt den Namen "Anna von Kiew" zu Ehren der Tochter Jaroslaw des Weisen, eines Großfürsten von Kiew. Anna wurde im Jahr 1051 durch ihre Heirat mit König Heinrich I. zur Königin von Frankreich. Historikern zufolge brachte sie nicht nur Elemente der Kultur der ukrainischen Hauptstadt an den französischen Hof, sondern spielte auch eine wichtige Rolle in der Regierung, indem sie königliche Dekrete mitunterzeichnete.
Verluste in Pokrowsk
Ein Großteil der Soldaten wurde dann auch in Frankreich von der Militäreinheit "Champagne" ausgebildet. Die Ausbildung begann im vergangenen September und wurde unter der Leitung von 1.500 französischen Soldaten durchgeführt. Besondere Schwerpunkte lagen auf der Zusammenarbeit verschiedener Truppenteile und dem Einsatz westlicher Waffensysteme, die von Frankreich bereitgestellt wurden. Diese umfassten unter anderem 18 Schützenpanzer des Typs AMX-10, 18 Caesar-Haubitzen sowie 128 gepanzerte Mannschaftstransportwagen.
Die Einheit, bestehend aus 4.500 ukrainischen Soldaten, sollte die Frontlinie der Ukraine im Krieg gegen Russland erheblich stärken. Während einer Abschlusszeremonie betonte ein beteiligter französischer Offizier, dass die Brigade "nun in der Lage ist, die unterschiedlichen Spezialisten und Ausrüstungen auf dem Schlachtfeld effektiv einzusetzen".
In der Praxis gelang das aber weniger: Ende des Jahres wurde die Einheit nach Pokrowsk in Donezk zu einem der Orte mit dem größten Kampfgeschehen geschickt. Die Einheit soll dort schwere Verluste erlitten und über Materialmangel geklagt haben, was zur Flucht vieler Soldaten geführt haben könnte. Zudem sollen große Teile der Ausrüstung im Kampf mit dem russischen Militär bis Anfang Januar zerstört worden sein, ehe die Auflösung der Einheit verkündet wurde.
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- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP
- blick.ch: "Ukraine in der Bedrängnis: Spezialeinheit 'Anna von Kiew' soll jetzt die Front retten"
- united24media.com: "France completes training of Ukraine’s 4500-strong 'Anna of Kyiv' brigade" (Englisch)
- kyivindependent.com: "Ukraine investigating French-trained brigade" (Englisch)
- economist.com: "Ukraine will hold if it gets the arms it needs, says a top general" (Englisch, kostenpflichtig)