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Ukraine mit "Afrika-Offensive": Verluste für Russlands Söldner in Mali


Schwerer Schlag für Putin
Die Ukraine schreitet zur "Afrika-Offensive"


01.08.2024Lesedauer: 5 Min.
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Tuareg-Rebellen der Miliz CSP feiern vor einem eroberten gepanzerten Fahrzeug den Sieg in einem Gefecht gegen russische Wagner-Söldner im Norden Malis: Dabei hatten sie Unterstützung der Ukraine.Vergrößern des Bildes
Tuareg-Rebellen der Miliz CSP feiern vor einem eroberten gepanzerten Fahrzeug den Sieg in einem Gefecht gegen russische Wagner-Söldner im Norden Malis: Dabei hatten sie Unterstützung der Ukraine. (Quelle: Twitter)

Afrika wird zunehmend zum Nebenschauplatz des Ukraine-Kriegs. Ukrainische Spezialeinheiten fügen Russland hier erheblichen Schaden zu. Doch wozu eigentlich?

Es sind Bilder, die verstören: Dutzende Leichen in Militäruniformen liegen im Wüstensand. Um sie herum stehen vermummte Männer mit Sturmgewehren, die die Leichname inspizieren. Vereinzelt ertönen Schüsse. Die Aufnahmen aus dem Grenzgebiet zwischen Mali und Algerien gehen seit dem vergangenen Wochenende um die Welt. Sie zeigen eindrücklich, dass der russische Angriffskrieg längst nicht mehr nur auf ukrainischem Staatsgebiet tobt.

Bei den getöteten Männern in der malischen Wüste handelt es sich um russische Söldner der Gruppe Wagner. Sie waren gemeinsam mit Soldaten der malischen Streitkräfte in einen Hinterhalt geraten, als sie den von Tuareg-Rebellen kontrollierten Ort Tinzaouatène erobern wollten. Bis zu 80 russische Söldner sollen dabei ums Leben gekommen sein. Wenige Tage später bekannte sich der ukrainische Militärgeheimdienst dazu, den Rebellen nötige Informationen für den Hinterhalt gegeben zu haben. Mehr dazu lesen Sie hier.

Es ist der wohl bisher blutigste Angriff auf russische Söldner in Afrika, aber bei Weitem nicht der erste. Ukrainische Spezialeinheiten sollen bereits im Sudan eine Serie von Drohnenangriffen auf dort aktive russische Einheiten verübt haben. Auch abseits von Afrika, in Syrien, haben sie wohl kürzlich einen russischen Militärstützpunkt attackiert. Doch was erhofft sich Kiew von Angriffen auf Russland, Tausende Kilometer vom Kriegsschauplatz Ukraine entfernt?

Video | Ukraine wehrt massiven russischen Angriff ab
Russland überzieht Ukraine mit Drohnen: Kiew wehrt massiven Angriff ab.
Quelle: Glomex

Russland hat vielfältige Interessen in Afrika

Der Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienst HUR, Andrij Jussow, liefert eine scheinbar einfache Erklärung. "Der ukrainische Geheimdienst muss überall dort präsent sein, wo es gilt, den Feind zu vernichten, der einen umfassenden Krieg gegen die Ukraine führt", sagte er der US-Zeitung "Politico" im Februar. "Wir sind überall dort präsent, wo es möglich ist, die Interessen Russlands zu schwächen." Und die Interessen Russlands in Afrika sind vielfältig.

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit: Schon während des Kalten Krieges war die Sowjetunion auf dem afrikanischen Kontinent aktiv. Sie unterstützte dort verschiedenste Akteure etwa in ihrem Kampf für die Unabhängigkeit von kolonialistischen Staaten, wie in Angola, oder die Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika. Moskau sicherte sich so großen Einfluss – nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich. Nach dem Zerfall der Sowjetunion nahm Russland ab der Jahrtausendwende unter Präsident Wladimir Putin diese Beziehungen wieder auf und pflegt sie.

2019 erklärte Putin die Beziehungen zu Afrika gar zur Priorität der russischen Außenpolitik. So offensichtlich wie Frankreich – also mit offizieller Militärpräsenz – ging Russland aber eher nicht vor. Stattdessen schickte Putin Söldner, die bestimmte Akteure an die Macht heben, russlandfreundliche Regime stützen und gleichzeitig wichtigen Zugriff auf natürliche Ressourcen wie Edelmetalle sichern sollten.

Wie Russland seine Interessen durchsetzt

Seit 2020 gab es in Afrika in Ländern der Sahelzone und Gabun insgesamt neun Militärputsche. Jene Länder wenden sich seitdem von einstigen Verbündeten im Westen ab und dafür Russland zu. Die Führung im Kreml nutzt diese Verbindungen unter anderem dazu, die vom Westen auferlegten Sanktionen zu umgehen. So wird der Handel mit Edelmetallen jetzt vorrangig über den Sudan oder die Zentralafrikanische Republik abgewickelt.

Für solcherlei Aktivitäten ist die Söldnergruppe Wagner für Russland schon seit Jahren in Afrika zuständig, nach dem Tod ihres Anführers Jewgeni Prigoschin jedoch unter dem Namen Afrikakorps mit neuer Führung und Struktur. Die Söldner gehen brutal vor, um russische Interessen durchzusetzen. Immer wieder gibt es Berichte über Massaker an Zivilisten, Hinrichtung von Kriegsgefangenen und andere Gräueltaten. Mehr zu den Aktivitäten der Wagner-Söldner in Afrika lesen Sie hier.

Diese Söldner hat die Ukraine nun in Mali mithilfe von Tuareg-Rebellen ins Visier genommen. Beteiligt war wohl auch eine islamistische Miliz. Unter den bis zu 80 russischen Opfern sollen sich berüchtigte Kämpfer befinden: etwa Nikita Fedjanin, der Mann hinter dem größten Wagner-nahen Telegramkanal "Grey Zone". Außerdem soll der militärische Kommandeur Anton Jelisarow – Kampfname "Lotus" – getötet oder gefangen genommen worden sein. Bestätigt sind die entsprechenden Berichte indes nicht. Es ist ein schwerer Schlag für die russische Söldnertruppe – und für Putins Interessen.

Auch politisch ist der Kontinent heiß umkämpft. Der Westen behandelt afrikanische Staaten oft eher stiefmütterlich. Armut, Hunger, Migration und Korruption bestimmen den Diskurs hierzulande. Dabei ist der Kontinent auch in der internationalen Politik durchaus relevant – immerhin repräsentieren die 54 afrikanischen Staaten in der UN die größte regionale Gruppe. Mit welch starker Stimme der Kontinent sprechen kann, hat die Ukraine schon schmerzlich erfahren.

Der Ukraine fällt es schwer, in Afrika Fuß zu fassen

Bereits am 2. März 2022 brachten 94 Staaten der UN-Generalversammlung eine Resolution für ein sofortiges Ende des Kriegs ein. 28 afrikanische Staaten stimmten dafür, 17 enthielten sich und acht blieben der Abstimmung fern. Eritrea lehnte die Resolution sogar ab. Auch die gemeinsame Erklärung des Friedensgipfels in der Schweiz Mitte Juni unterzeichneten lediglich zwölf afrikanische Staaten. Mehr zum Friedensgipfel lesen Sie hier.

Die globalen Folgen des Kriegs in der Ukraine haben Afrika besonders hart getroffen. Preise für Lebensmittel, Öl und Düngemittel sind infolge der russischen Aggression explodiert, was besonders starke Auswirkungen auf die mehrheitlich armen Gesellschaften des Kontinents hat.

In einigen Staaten verfing das russische Narrativ, die Ukraine trage die Schuld an der Misere, obwohl es Russland war, das bis zum Abschluss des Abkommens für Getreidelieferungen über das Schwarze Meer die Lebensmittelexporte verhinderte. Das Abkommen ließ Russland im vergangenen Sommer auslaufen, wie Sie hier nachlesen können.

Für Kiew dürften diese Entwicklungen Warnsignale gewesen sein. Denn seitdem steigert auch die Ukraine ihre Aktivitäten auf dem Kontinent und zielt dabei besonders auf die engsten Unterstützer Russlands ab.

Die neue "Afrika-Strategie" Kiews

Seit Januar 2022 hat Kiew eine eigene "Afrika-Strategie". Vor der russischen Invasion hatte die Ukraine lediglich elf Botschaften auf dem Kontinent. Seitdem aber wurden sechs weitere Vertretungen geöffnet, vier sind zusätzlich in Planung. Russland hingegen hat bereits 43 Botschaften und will ebenfalls weitere vier eröffnen.

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Außerdem tourte Außenminister Dmytro Kuleba seit Oktober 2022 bereits dreimal durch Afrika und besuchte ein Dutzend Staaten sowie die Afrikanische Union. Im Juni 2023 besuchte zudem eine Delegation afrikanischer Staatenlenker Kiew.

Die Ukraine versucht nun offenbar ihrer politischen "Afrika-Offensive" mit militärischen Mitteln Nachdruck zu verleihen. Dazu halten Spezialkräfte nicht nur eigene Operationen ab, sondern schicken offenbar auch Ausbilder. So sollen die sudanesischen Streitkräfte laut "Wall Street Journal" von Ukrainern ausgebildet werden, um effektiver gegen Wagner-Söldner vorzugehen, die die rebellierende RSF-Miliz unterstützen.

Auch Syrien wird zum Nebenkriegsschauplatz

Ähnliche Berichte gibt es aus Syrien, wo Kiew wiederum mit Rebellen gemeinsame Sache gegen Russland und die Truppen des Assad-Regimes machen soll. Denn Russland hat laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte seit Beginn des Jahres zehn Beobachtungsposten auf dem syrischen Teil der Golanhöhen eingerichtet, wo vor allem iranische Milizen aktiv sind.

Einem Bericht der italienischen "La Repubblica" zufolge nutzt Moskau diese unter anderem, um Informationen über westliche Waffensysteme zu gewinnen, die von Israel eingesetzt werden. Einige der Systeme hat auch die Ukraine im Einsatz. Für Russland wäre der Erkenntnisgewinn mit Blick auf eigene Operationen in der Ukraine also groß.

"Fortsetzung folgt"

HUR-Sprecher Jussow erklärte die ukrainischen Interessen nach der Wagner-Niederlage in Mali im nationalen Fernsehen wie folgt: "Sie [Russland, Anm. d. Red.] haben versucht, geopolitische und wirtschaftliche Probleme mit ihren Söldnern zu lösen, indem sie verschiedene Regierungen ausgetauscht oder unterstützt haben."

Die Welt sehe nun aber, dass Russland dieses Potenzial und die nötigen Fähigkeiten nicht mehr habe, fuhr Jussow fort. "Das bedeutet, dass neue Aufträge und das Vertrauen in sie als präzises Instrument zur Lösung regionaler Probleme geringer sein werden." Und der HUR-Sprecher stellte weitere Aktionen in Aussicht: "Fortsetzung folgt", erklärte er kryptisch, ohne Details zu nennen.

Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdiensts, Kyrylo Budanow, sagte der "Washington Post" im April: "Wir führen solche Operationen mit dem Ziel durch, das russische militärische Potenzial überall dort zu verringern, wo dies möglich ist. Warum sollte Afrika eine Ausnahme sein?"

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