Ungewöhnliche Aufmachung Foto von Putins General aufgetaucht
Sergej Surowikin galt einst als gefeierter Mann im Kreml. Dann verschwand er spurlos. Nun tauchte eine Aufnahme auf, die ihn in ungewöhnlicher Montur zeigt.
Monatelang war nichts von Sergej Surowikin zu hören gewesen. Zu Gesicht bekommen hatte die Öffentlichkeit einen der ranghöchsten Generäle Russlands ohnehin nicht mehr. Seit der gescheiterten Meuterei der Wagner-Gruppe unter Jewgeni Prigoschin Ende Juni 2023 war der Kriegsherr, der von seinen eigenen Truppen den sprechenden Beinamen "General Armageddon" bekommen hatte, abgetaucht. Er soll nach dem versuchten Putsch unter Hausarrest gestanden haben. Surowikin war jedenfalls verstummt, verschwunden.
Es schossen die Spekulationen ins Kraut, was mit dem Mann passiert war. Ihm sei eine übergroße Nähe zu Prigoschin zum Verhängnis geworden, hieß es. Gerüchte um einen Pakt mit den Aufständlern machten die Runde. Manche Beobachter mutmaßten sogar, er sei nicht nur kaltgestellt, sondern kaltgemacht worden, wie so viele, die im System Putin in Ungnade fallen.
Nun ist ein Foto des 56-jährigen Militärs aufgetaucht. Es zeigt ihn in Freizeitkleidung vor einem offenbar gut situierten Anwesen, an seiner Seite seine Frau Anna. Wir sehen Surowikin auf dem Bild in ungewöhnlicher Montur: mit verspiegelter Sonnenbrille, einer Schirmmütze, Jeans und Lederslippern. Das Hemd trägt er lässig aus der Hose, seine Frau hakt sich bei ihm unter. Es sieht aus, als würde das Paar gerade zu einem gemütlichen Sonntagsspaziergang zum Strand aufbrechen.
Im lässigen Freizeitdress und mit Dreitagebart
Wie so häufig bei Bildern, die uns aus dem klandestinen Reich des Kreml und seiner Höflinge erreichen, könnte die Aufnahme mehr oder weniger bewusst inszeniert sein. Das Bild soll womöglich Botschaften senden. Zum einen teilt es dem Betrachter mit, dass der General noch am Leben ist. Seht her, es geht mir gut, verkündet der Schnappschuss. Damit wären die monatelangen Spekulationen um Surowikins Wohlergehen erst einmal beantwortet.
Zum anderen steckt in dem Foto aber auch die Botschaft, dass hier kein mächtiger General unterwegs ist. Alle Bilder, die von Surowikin bislang bekannt sind, zeigen ihn in Dienstuniform, mit Rangabzeichen und im Kontext militärischer Entscheidungsträger. Dieses hier zeigt ihn als Zivilisten, der nichts mehr entscheidet. Dass sich der für seine Brutalität im Krieg bekannte General im lässigen Freizeitdress mit Dreitagebart präsentiert, scheint eine Demonstration, dass von ihm keinerlei Gefahr ausgeht.
Der Adressat für eine solche Botschaft wäre dann Wladimir Putin selbst. Denn in seinem totalitären Reich leben alle, die sich gegen ihn wenden, gefährlich. Prigoschin musste das jüngst erfahren. Sein Leichnam liegt inzwischen höchstwahrscheinlich auf dem Porochowskoje-Friedhof in Sankt Petersburg begraben. Ein ähnliches Schicksal scheint Surowikin vorerst erspart zu bleiben.
"Er steht dem Verteidigungsministerium zur Verfügung"
Publik gemacht wurde das Foto von der bekannten russischen TV-Moderatorin Xenia Sobtschak auf deren Medienholding Ostorozhno Media. Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin schrieb in sozialen Medien dazu: "General Sergej Surowikin ist draußen. Lebendig, gesund, zu Hause, bei seiner Familie, in Moskau. Das Foto wurde heute aufgenommen."
Sobtschak ist die Tochter von Putins politischem Mentor Anatoli Sobtschak. Sie zählt sich inzwischen zur russischen Opposition.
Die Echtheit des Fotos konnte bislang nicht unabhängig überprüft werden. Auch nicht, ob es sich bei dem Mann auf dem Bild wirklich um den berüchtigten General handelt, an dessen dreireihigen Verteidigungswällen (den sogenannten "Surowikin-Linien") die ukrainischen Soldaten bei ihrer seit Monaten andauernden Gegenoffensive zerschellen.
Auch der prominente Journalist und Oppositionelle Alexej Wenediktow schrieb im Kurznachrichtendienst Telegram: "General Surowikin ist zu Hause bei seiner Familie. Er ist beurlaubt und steht dem Verteidigungsministerium zur Verfügung." Das könnte zumindest als Zeichen der Loyalität Surowikins zu den von Putin protegierten Generälen Schoigu und Gerassimow verstanden werden. Diese waren seit Beginn der Ukraine-Invasion immer wieder heftig für ihre Kriegstaktik kritisiert worden. Dennoch hielt der Diktator ihnen die Treue und beließ sie im Amt – sehr zum Unmut von Prigoschin und seinen Anhängern.
Dass Surowikin sich nach dem verlorenen Machtkampf mit dem Kreml nun unterordnet, dazu würde passen, was eine dem russischen Verteidigungsministerium nahestehende Quelle kürzlich der "New York Times" sagte. Demnach habe der General seinen Titel zwar behalten dürfen, es soll sich jedoch nur um eine Formalität handeln. Tatsächlich habe er keinerlei Ambitionen mehr in der Armee.
Im August erst war Surowikin offiziell als Chef der russischen Luftwaffe durch Generaloberst Viktor Afsalow ersetzt worden. Während der Wagner-Meuterei am 23. und 24. Juni war Surowikin in einem Video erschienen und hatte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin zur Aufgabe aufgefordert. Dabei hinterließ er allerdings einen unbehaglichen Eindruck und trug erstmals keine militärischen Rangabzeichen mehr.
- rferl.org: "Russian Journalist Ksenia Sobchak Reportedly Leaves Country To Avoid Possible Arrest" (englisch)
- Webseite von Ostorozhno Media
- japantimes.co.jp: "Ksenia Sobchak's advice to anti-war Russians: Find ways to cope" (englisch)
- theguardian.com: "Russia removes Sergei Surovikin as head of aerospace forces" (englisch)
- rferl.org: "All The Kremlin's Men: Russian Officials Drop Out Of Sight, Suggesting Post-Mutiny Purges" (englisch)
- theguardian.com: "Sergei Surovikin: the ‘General Armageddon’ now in charge of Russia’s war" (englisch)
- abc.net.au: "Russian 'General Armageddon' Sergei Surovikin is missing — is he 'resting' or resting in peace?" (englisch)
- nytimes.com: "Top Russian General Detained After Wagner Mutiny Is Released" (englisch)