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Ukraine-Krieg: Wie kann Europa Schutz vor Putins Russland bieten?


Ukraine-Gipfel in Paris
Die Friedenstruppen scheinen vom Tisch zu sein


Aktualisiert am 27.03.2025Lesedauer: 6 Min.
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Der französische Präsident Emmanuel Macron (r.) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kommen zu einer Pressekonferenz: In Paris trifft sich am Donnerstag die "Koalition der Willigen". (Quelle: Yoan Valat/dpa)
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In Paris trifft sich die "Koalition der Willigen": Es geht um Hilfen für die Ukraine. Die Unterstützer wollen mehrere Optionen diskutieren, auch die Entsendung von Bodentruppen.

Ende Februar 2024 hallte ein Paukenschlag durch Europa. Der französische Präsident Emmanuel Macron verkündete nach einem Treffen mit Staats- und Regierungschefs in Paris, dass die Unterstützer der Ukraine eine Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nicht ausschließen sollten. Mehr als ein Jahr ist seitdem vergangen – und Macrons Paukenschlag scheint weitgehend verhallt zu sein.

Am Donnerstag treffen sich nun erneut Spitzenvertreter aus 31 Ländern in Paris: die "Koalition der Willigen". Wieder geht es um die Unterstützung der Ukraine, und wieder soll die Entsendung europäischer Bodentruppen auf der Tagesordnung stehen – doch auf eine gänzlich andere Art und Weise, als es Macron im Februar 2024 vorsah. "In erster Linie" gehe es in Paris um "die unmittelbare Unterstützung für die Ukraine", sagte Macron am Mittwochabend bei einer Pressekonferenz mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj.

Dabei scheint nun selbst die vielfach diskutierte Idee europäischer Friedenstruppen zur Absicherung eines Waffenstillstands in der Ukraine etwas in den Hintergrund zu rücken. "Das Ziel ist es, der Ukraine zu ermöglichen, die Situation vor Ort zu halten und der russischen Aggression zu widerstehen, während gleichzeitig die glaubwürdigen Elemente für einen dauerhaften Frieden geschaffen werden", sagte Macron. Selenskyj erklärte: "Wir erwarten einige neue und wichtige Entscheidungen." Doch welche Optionen hat Europa überhaupt, um der Ukraine Sicherheitsgarantien zu geben?

Selenskyj kritisiert die USA

Seit Macrons Vorstoß im Februar 2024 hat sich die Situation im Krieg in der Ukraine entscheidend verändert. Grund dafür ist vor allem die neue US-Regierung unter Donald Trump, der seit Januar wieder im Weißen Haus sitzt. Die USA, einst wichtigster Unterstützer Kiews, sind für die Ukraine zu einem Unsicherheitsfaktor geworden. Trump will auf Biegen und Brechen einen Frieden schaffen, und das – so scheint es – um jeden Preis. Zuletzt hatte es nach Gesprächen russischer und US-Delegationen eine sichtbare Annäherung zwischen Moskau und Washington gegeben.

Besonders Trumps Sondergesandter Steve Witkoff fiel dabei auf. Dieser hatte sich nach einem Besuch in Moskau auffallend oft positiv über Kremlchef Wladimir Putin geäußert und russische Darstellungen wiederholt. Selenskyj kennzeichnete die Äußerungen als störend und hinderlich. Die Ukraine verteidige sich gegen ein 40-mal größeres Land und hoffe daher natürlich auf Hilfe gerade aus den USA. "Selbst wenn Amerika heute die Taktik gewählt hat, in der Mitte zu sein, dann ist die Mitte in der Mitte und nicht näher am Kreml", sagte Selenskyj.

Umso mehr hofft die Ukraine daher auf Europa. Das Treffen in Paris am Donnerstag soll wichtige Weichen stellen. Zu den 31 Teilnehmern zählen Nato-Staaten und EU-Mitglieder: neben Gastgeber Macron und Nato-Generalsekretär Mark Rutte etwa Großbritannien, Kanada, Norwegen und die Türkei sowie für die EU der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz, Polens Premier Donald Tusk und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Es ist das dritte Treffen der "Koalition der Willigen".

Die Idee von Friedenstruppen scheint vom Tisch zu sein

Welche Optionen nun auf dem Tisch sind, riss Macron am Mittwochabend beim Treffen mit Selenskyj schon einmal an. Es soll dabei auch um die Entsendung von Bodentruppen gehen. Laut Macron wird die Aufgabe solcher Streitkräfte das Absichern wichtiger Städte und strategischer Stützpunkte sein. Diese Truppen sollten aber nicht an der Frontlinie stehen und gegen die russischen Streitkräfte eingesetzt werden. Es sind ganz andere Töne als noch in den vergangenen Monaten.

Bevor Trump ins Oval Office einzog, hatten vor allem Frankreich und Großbritannien die Entsendung von Friedenstruppen in Erwägung gezogen. Die Ukraine sprach davon, dass eine 200.000 Mann starke Friedenstruppe notwendig wäre. Die Prämisse war jedoch stets, dass die USA ebenfalls einen Teil beisteuern. Damit ist nun nicht mehr zu rechnen – im Gegenteil. Washington und Moskau könnten sogar gemeinsam politischen Widerstand gegen die Entsendung europäischer Friedenstruppen leisten. Außerdem gibt es offenbar Bedenken bei den Europäern mit Blick auf die nötige Logistik.

Die Europäer könnten vor allem Überwachung gewährleisten

Deshalb nun die neue Überlegung Macrons: Vielmehr sollten mögliche europäische Truppen durch ihre Präsenz die Russen von einem erneuten Angriff abhalten und es Kiew ermöglichen, Positionen in einer möglichen Friedenszone auf ukrainischem Territorium zu halten. Im Fall einer erneuten allgemeinen Aggression gegen die Ukraine seien die Truppen in der Lage, darauf zu reagieren, sagte Macron. Mittlerweile ist jedoch nur noch die Rede von 10.000 bis 30.000 Soldaten.

Europäische Länder könnten sich nach französischer Vorstellung auf unterschiedlichem Wege an dieser Mission beteiligen, also nicht nur durch das Entsenden von Soldaten. Übergeordneter Sicherheitsgarant soll laut Macron immer noch die Supermacht USA sein. Das Thema bleibt daher schwierig.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wird im Kreis der "Koalition der Willigen" erwogen, eine denkbare entmilitarisierte Zone an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine vor allem aus der Luft und mithilfe von technischen Mitteln wie Satelliten und Drohnen zu beobachten. Zudem könnten Marineeinheiten zum Einsatz kommen, um die Freiheit der Schifffahrt im Schwarzen Meer zu überwachen. Europäische Streitkräfte könnten dann an der ukrainischen Westgrenze stationiert werden und etwa Ausbildungsprogramme für die ukrainischen Partner anbieten.

Das sagen Experten zu den Optionen der "Koalition der Willigen"

Damit geht die "Koalition der Willigen" in eine Richtung, die auch Experten angesichts der komplexen Weltlage empfehlen. In einem Beitrag für die britische Denkfabrik Royal United Services Institute (RUSI) haben Fachleute des ukrainischen Thinktanks Centre for Defence Strategies (CDS) mehrere denkbare Optionen für europäische Sicherheitsgarantien dargelegt. Hintergrund jeder der Alternativen ist die Prämisse, dass Russland von einem erneuten Angriff auf die Ukraine oder einem Schlag gegen andere europäische Staaten abgeschreckt wird.

  1. Europäische Truppen in der Ukraine: Die CDS-Experten bezeichnen diese Option als "engagierteste Form der Beteiligung". Dabei weisen sie jedoch darauf hin, dass die bloße Entsendung von Bodentruppen nicht besonders effektiv sein könnte. Als wirksamer erachten die Autoren die Entsendung von Luftlande- und Luftabwehreinheiten, um den ukrainischen Luftraum vor russischen Angriffen zu schützen.
  2. Schutzschirm für die Ukraine: Auch bei dieser Option stellen die Experten den Schutz des Luftraums in den Vordergrund. Hierbei würden europäische Einheiten insbesondere im Westen und Zentrum der Ukraine den Luftraum überwachen. So soll eine Sicherheitszone vor russischen Raketen- und Luftangriffen geschaffen werden, die der Ukraine soziale und wirtschaftliche Stabilität gewährleistet. Die Ukrainer könnten sich so auf die "heißeren" Zonen im Osten des Landes konzentrieren.
  3. Überwachung eines Waffenstillstands: Diese Alternative geht bereits in den Bereich einer Spezialmission. Die Idee der Experten ist, dass die Europäer im Falle eines von den USA ausgehandelten Waffenstillstands die Technologie und Überwachungsinstrumente stellen, um die Aufrechterhaltung einer Feuerpause zu gewährleisten. Bereits nach 2014 hatte es mehrere Versuche eines Waffenstillstands in der Ostukraine gegeben, die jedoch immer wieder verletzt wurden.
  4. Unterstützung aus der Ferne: Laut den Experten würden die Europäer der Ukraine in diesem Fall vor allem Geheimdienstinformationen in Echtzeit, Ausbildung von Soldaten, technische Beratung sowie die Wartung von Militärgerät stellen. Dazu könnten sie jedoch auch Cyberoperationen sowie solche im Bereich der Informationskriegsführung ausführen, um so die Fähigkeiten der Ukraine zu stärken, Russlands Aggressionen abzuwehren. Westliche Präsenz in der Ukraine wäre in diesem Szenario nicht notwendig.
  5. Strategische Reserven für die Ukraine: Das letzte Szenario sieht vor, dass die Europäer Militärmaterial und andere Ressourcen nahe der Ukraine lagern, damit diese im Falle eines neuen Angriffs schnell in das Land gelangen. "Diese Ressourcen wären sofort verfügbar, würden an sicheren Orten in Osteuropa gelagert und vom Hauptquartier der Koalition verwaltet", heißt es in dem Beitrag. Die Ukraine könnte so schneller mobilisieren und ihre Streitkräfte adäquat ausrüsten.
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Quelle: t-online
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Haben Macron und Starmer sich "übernommen"?

In europäischen Militärs kommt derweil offenbar bereits Kritik am Vorstoß einer "Koalition der Willigen" auf. Am vergangenen Sonntag berichtete der "Telegraph", dass die Idee in britischen Militärkreisen bereits als "politisches Theater" gebrandmarkt werde. Der britische Premier Keir Starmer habe sich bei seinen Plänen mit Macron "übernommen". Ein anonymer, hochrangiger Militärangehöriger wird folgendermaßen zitiert: "Es gibt keinen definierten militärischen Endzustand oder militärisch-strategische Planungsannahmen."

Dass man sich mit der Idee von Bodentruppen "übernommen" habe, habe bereits direkte Folgen: "Deshalb hören wir jetzt weniger davon und mehr von Jets und Schiffen, die einfacher zu handhaben sind und keine Basis in der Ukraine brauchen."

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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