Angeblicher Brandbrief vom Ex-Raumfahrtchef Geht Putin die Munition für seine Artillerie aus?
Ein angebliches Memo soll auf Missstände in der russischen Armee verweisen. Darin geht es um veraltete Technik und fehlende Munition.
Ein angeblich geleaktes Dokument des ehemaligen Chefs der russischen Weltraumbehörde soll gravierende Mängel in der russischen Armee aufdecken. Dmitri Rogosin, der im Ukraine-Krieg auch als Berater aktiv ist, soll die Liste von Mängeln an Anton Waino geschickt haben – Chef des russischen Präsidialamtes. Der Telegram-Kanal VChK-OPGU hat vier Seiten des Dokuments veröffentlicht. Seine Echtheit ist bislang nicht offiziell bestätigt. Es beinhaltet aber viele Details über russische Militärausrüstung.
Nach Angaben von Chris Owen, einem australischen Militärhistoriker, beanstandet der Autor sowohl die Organisation als auch die Ausrüstung der russischen Armee. Rogosin hatte nach seiner Entlassung als Chef der Weltraumagentur Roskosmos eine paramilitärische Gruppe namens "Zar Wölfe" gegründet, die nach eigenen Angaben Inspektionen im Kriegsgebiet vornimmt. Er war im Dezember bei einem Angriff auf Donezk verletzt worden.
In dem Dokument heißt es, er habe mit mehreren Militärkommandeuren in der Ukraine gesprochen und sich auch selbst ein Bild gemacht. Dabei habe er festgestellt, dass das Radar der russische Raketenabwehr keine Langstreckenraketen des Westens vom Typ M777 oder MLRS erkennen könne und auch keine adäquate Munition zur Abwehr vorhanden sei. Bislang würden lediglich 152mm-Geschosse eingesetzt.
Kritik an veralteter Kommunikationstechnik
In dem Dokument wird auch von einem akuten Mangel dieser Munition gesprochen. Daten der Webseite Warspotting legen nahe, dass es weniger von der Ukraine zerstörte 152mm-Kanonen in den vergangenen Monaten gegeben hat. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie wegen fehlender Munition nicht eingesetzt werden.
Probleme sieht der Autor des Dokuments auch in der Kommunikationsinfrastruktur. Für die Übermittlung vom Informationen in einer Brigade brauche es mindestens 20 Basisstationen, die dann die Informationen zu der jeweils nächsten Station weitertragen, statt an alle Beteiligten an der Front gleichzeitig. Es fehle auch an einer modernen Technologie, bei der die Frequenzen ständig geändert werden und die im Westen benutzt werde. Panzer und andere Fahrzeuge würden eine veraltete Kommunikationstechnik benutzen, die durch elektronische Angriffe abgehört werden könne.
Selbst die Aufklärungsdrohnen, die Russland einsetze, stoßen im Dokument auf Kritik. Sie seien "veraltet und ineffektiv", die Aufnahmen würden nicht "die notwendige Auflösung" haben. Besonders werden die Modelle Orlan-10, Granat, Tachyon, und Aileron genannt. Weil sie Cyberattacken ausgesetzt seien, habe es große Verluste an Material gegeben. Das Projekt Oryx, das öffentlich zugängliche Daten von russischen Materialverlusten auswerten, geht von 269 zerstörten oder verlorenen russischen Militär-Drohnen aus.
Berichte über Mängel in der russischen Armee hat es bereits seit dem Überfall auf die Ukraine gegeben. Unzureichende Ausstattung und Fehler in der Militärführung waren auch Gründe für die Kritik des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin gewesen. Er hatte Ende Juni einen Marsch nach Moskau begonnen. Dieser stoppte aber, nachdem es zu Verhandlungen gekommen war. Im Juni hatte Wladimir Putin eingeräumt, 54 Panzer verloren zu haben. Tatsächlich dürfte die Zahl bei Weitem größer sein.
- telegram.com: Kanal von ВЧК-ОГПУ (russisch)
- twitter.com: Tweet von @chrisO_wiki
- warspotting.com: "Confirmed losses" (englisch)
- orxpioenkop.com: "Attack On Europe: Documenting Russian Equipment Losses During The Russian Invasion Of Ukraine" (englisch)