"Im Wettbewerb mit dem Westen" So liefert Russland der Ukraine Waffen
Die Ukraine hat viele russische Panzer und Geschütze erobert, sagt ein Oberst. Und das sei manchmal recht einfach.
Fast täglich bittet der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj um mehr Waffen und Munition, um sein Land gegen die russischen Aggressoren zu verteidigen. Und die Rufe werden erhört, die US-Regierung plant gerade ein neues milliardenschweres Hilfspaket. Doch Nachschub kommt auch von einer eher ungewöhnlichen Seite: dem militärischen Gegner.
Die Ukraine hat im Verlauf des Krieges mittlerweile einen beachtlichen Bestand an russischem Gerät und Ausrüstung erobern können, wie die Deutsche Welle berichtet. "Russland ist im Wettbewerb mit den westlichen Ländern", sagt Oberst Oleksandr Saruba, der für den Bestand an eroberten Waffen bei der ukrainischen Armee zuständig ist.
Dabei spielen die russischen Soldaten ihm auch in die Hände. Bei ukrainischen Offensiven würden sie recht schnell fliehen und die Ausrüstung weitgehend unbeschädigt zurücklassen. Auf diese Weise erbeuten die Ukrainer auch schweres Gerät, wie Panzer und Haubitzen, so Saruba gegenüber der Deutschen Welle.
Russland Hunderte Panzer abgenommen
Alles, was noch funktioniert, wird nach seinen Angaben registriert und dann umgehend gegen die Angreifer verwendet. Beschädigte Ausrüstung werde so weit wie möglich repariert und wiederverwendet. Bei einigen Geräten sei auch Einweisung der Soldaten nötig.
Die Beute ist beachtlich. Nach Angaben des Portals Oryx, das Verluste russischer Ausrüstung zählt, seien allein 548 Panzer erobert worden. Saruba spricht von 300 Fahrzeugen, genug, um zehn Bataillone auszustatten. Hinzu kommen 51 Infanterie-Fahrzeuge, 82 Kommunikationseinheiten, zehn Anti-Panzer-Raketensysteme und 96 Artilleriegeschütze. Dazu gehöre auch eine 2A65 Msta-B Haubitze, die samt Munition bei Isum zusammen mit Raketenwerfern den Ukrainern in die Hände gefallen sei, berichtete ein Soldat im vergangenen Jahr auf Telegram.
Analyst bestätigt ukrainische Eroberungen
Schon bei der Schlacht um Bachmut hatte es von ukrainischer Seite Erfolge dabei gegeben, russische Panzer zu erobern. Der angesehene US-Militäranalyst Michael Kofman berichtete bereits im März darüber. Ihm sei bei einem Besuch vor Ort eine ukrainische Einheit entgegengekommen, die nur russische T-80-Panzer verwendet habe, berichtete er auf einer Veranstaltung des Carnegie-Zentrums.
Gleich mehrere T-72-Panzer sind nach ukrainischen Angaben während einer Offensive in Kupjansk von der 95. Mechanisierten Brigade bei einer Offensive erobert worden – dort, wo jetzt gerade russische Einheiten erneut angreifen und die Ukraine bereits Dörfer wegen der schweren Kämpfe evakuiert hat.
Aber die Eroberungen sind nicht nur einseitig: Auch Russland verleibt sich immer wieder Gerät bei seinen Offensiven ein. Laut Oryx hat die Ukraine dabei selbst 141 Panzer und 80 Schützenpanzer verloren. Ein französisches Model 4 AMX-10 RC sei dabei von russischen Soldaten erobert worden. Ebenso sei Russland mittlerweile im Besitz amerikanischer Humvee-Fahrzeuge und mehrerer Raketensysteme. Während es für Moskau schwer sein dürfte, die westlichen Geräte zu warten, hat man einen Vorteil bei anderen vom Gegner erbeuteten Waffen – sie stammen meist aus Russland.
Wie lange reichen die Ersatzteile?
Neben den Panzern und Haubitzen, die zum Teil noch aus Sowjetzeiten stammen, ist die ukrainische Militärführung laut Bericht auch an neuer Technologie interessiert. Die Analysten der Armee schauen sich abgeschossene Raketen genau an, lesen zurückgelassene Handbücher. Das gehöre zu den Hauptaufgaben von Sarubas Abteilung. Dabei mache man immer neue Entdeckungen: So sei ein portables Aufklärungssystem vom Typ Strelez gefunden worden, das Daten zu Waffensystem schickt.
Bei den Untersuchungen eroberter Panzer habe sich auch gezeigt, dass diese modernisiert wurden – unter anderem mit Komponenten aus westlicher Fertigung, so Saruba.
Allerdings ist fraglich, wie weit die Ukraine mit den russischen Waffen tatsächlich kommt. Während einige Munition meistens noch nahe der Panzer und Haubitzen gelagert ist, sind Ersatzteile auch hinter der Front in Logistikzentren untergebracht. Und diese greift Kiew gerade immer wieder mit Raketen an. Die Probleme der Wartung sah auch Kofman: "Sie haben nicht die Teile, die viele davon am Laufen halten", sagte der Analyst. "Auf dem Papier kann man also viele Fahrzeuge erbeuten, aber es fehlen die Motoren, die Getriebe, die Teile, um sie am Laufen zu halten."
- dw.com: "Seized Russian weapons strengthen Ukraine's fight"
- oryxspioenkop.com: "Attack On Europe: Documenting Russian Equipment Losses During The Russian Invasion Of Ukraine"
- carnegieendowment.org: "Unpacking the Ukrainian Battlefield With Russia Military Analyst Michael Kofman"