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Deutsche Wirtschaft stagniert: Was hat der Bierabsatz damit zu tun?


Tagesanbruch
Der nächste Schluck wirkt

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 23.04.2025 - 07:11 UhrLesedauer: 7 Min.
Ein gepflegtes Pils braucht seine Zeit.Vergrößern des Bildes
Ein gepflegtes Pils braucht seine Zeit. (Quelle: imago images)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

die Aussichten verdüstern sich: Die deutsche Wirtschaft wird dieses Jahr um 0,0 Prozent wachsen. Gar nicht also. Haben die Leute vom Internationalen Währungsfonds errechnet, und die müssen es wissen. Ihre Prognose fällt noch pessimistischer aus als bei der letzten Berechnung im Januar; unter den G7-Industrienationen trägt die Bundesrepublik die rote Laterne.

Schuld an der Misere ist natürlich der Donald, sein Zollchaos bremst den Handel und verunsichert Unternehmen. Auch das haben die Leute vom IWF kundgetan, auch das werden sie wissen. Kein schöner Auftritt also für Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck, wenn er morgen den ökonomischen Frühjahrsbericht der Bundesregierung vorstellt. Aber er ist ja eh bald weg vom Fenster (also der Habeck).

Was kann den deutschen Motor wieder ankurbeln? Ein Kompromiss im Zollstreit mit Trump, klar. Die EU-Kommission ist dran, sie hat diesseits des Atlantiks die Federführung. Präsidentin Ursula von der Leyen stimmt sich dazu mit dem künftigen Kanzler Friedrich Merz ab, ist aus Brüssel und Berlin zu hören. Aber Schützenhilfe wird gern genommen. Kürzlich war Giorgia Meloni aus Rom zu Gast im Weißen Haus, da hat der Donald gesagt, es werde "zu hundert Prozent" einen Zoll-Deal mit der EU geben. Klingt gut, doch der Mann sagt viel, wenn der Tag lang ist.

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Es braucht mehr, um den deutschen Dampfer wieder flottzumachen. Im Bundestagswahlkampf war viel vom Bürokratieabbau die Rede, aber im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD stehen nun sehr viele Konjunktive und an mehr als 180 Stellen das verräterische Wörtchen "wollen". Wollen ist etwas anderes als machen, da gibt es einen Unterschied. Auch die Ampelregierung wollte ganz viel, machte dann aber nicht viel her. "Ökonomisch weht Merz der Wind schon jetzt eiskalt ins Gesicht", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Andere Kommentatoren urteilen noch schärfer.

Gleichwohl: Man sollte die neue Regierung nicht schlechtreden, bevor sie die Arbeit aufgenommen hat, schreibt unser Kolumnist Uwe Vorkötter, und wenn er das findet, finde ich das auch. Der Kollege war Chefredakteur von drei Zeitungen und hat vierzig Jahre lang Politiker kommen und gehen sehen. Seinem Urteil darf man vertrauen.

Bei den Kollegen des "Spiegel" lese ich, dass CDU und CSU den amerikanischen Spitzenuniversitäten Forscher abluchsen wollen. Trump hat den Unis den Kulturkampf erklärt, gängelt sie mit Geldentzug und Gesinnungsschnüffelei. So was kommt schlecht an bei Freigeistern, das weiß man hierzulande. "Es ist wahr, dass Harvard, Stanford und Co. im Kampf um internationale Talente jetzt zu schlagen sind", sagt Thomas Jarzombek, wissenschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Und weiter: "Wir wollen in diesen Kampf einsteigen." Ein Innovationsfreiheitsgesetz soll wissenschaftliche Koryphäen und Talente anlocken: schnellere Genehmigungen bei Tierversuchen, laxere Vorschriften bei Gentherapien, so was in der Art. Hm.

Vielleicht schauen wir erst mal auf das, was wir hierzulande bereits haben. Das sind aller Unkenrufe zum Trotz nach wie vor zahlreiche Industriekonzerne, die zur Weltspitze zählen, ein bärenstarker Mittelstand und viele kreative Selbstständige. Da ist die duale Ausbildung, ein deutsches Erfolgsgeheimnis, um das uns viele Länder beneiden. Und da ist ein bemerkenswerter Pragmatismus, der die beiden neuen Anführer der Bundespolitik auszeichnet: CDU-Chef Merz wird vorgeworfen, dass er sein Wort gebrochen habe und statt Haushaltsdisziplin zu wahren, nun einen riesigen Schuldenberg anhäufe. Wenn dieser Schuldenberg die Misere der Infrastruktur und des Militärs behebt, kann ich mit diesem Wortbruch gut leben.

Auch SPD-Chef Lars Klingbeil muss von der forschen Parteijugend Kritik einstecken: Die Jusos halten ihm vor, im Koalitionsvertrag nicht die reine sozialdemokratische Lehre durchgesetzt zu haben. Stimmt. Gut so. Die Bereitschaft der SPD-Spitze, endlich die Schleusermigration konsequenter einzudämmen und Firmen von bürokratischen Berichtspflichten zu befreien, ist nicht nur ein Zugeständnis an den schwarzen Koalitionspartner, sondern zeitgemäße Politik. Stimmt schon: Politiker sollten Ideale haben. Aber beim Regieren sind pragmatische Kompromisse besser als stolze Prinzipienschwüre.

Und was kann der Rest der Bevölkerung beitragen, um das Land voranzubringen? Vielleicht dies: Anpacken statt abwarten, klotzen statt klagen, helfen statt jammern. Das Glas halbvoll statt halbleer sehen. Und nicht auf jeden Politiker schimpfen, der nicht exakt das macht, was man selbst gut findet.

Ach ja, und pfleglich mit dem gesellschaftlichen Erbe umgehen, auch das stünde uns gut zu Gesicht. Zum Beispiel am heutigen Mittwoch, der einer dieser Motto-Tage ist, allerdings kein alberner: Am 23. April wird der Tag des deutschen Bieres begangen und damit eine urdeutsche Tradition gepflegt. Am 23. April 1516 verkündete nämlich Herzog Wilhelm IV. von Bayern auf dem Landständetag zu Ingolstadt das Reinheitsgebot, das ebenso schlicht wie wegweisend lautete: Bier in Deutschland darf nur aus Wasser, Gerste und Hopfen bestehen (dass Hefe eine schmackhafte Ergänzung sein kann, entdeckte und duldete man erst später). Dieser kulinarische Puritanismus verhinderte die andernorts übliche Panscherei und spornte die deutschen Braumeister an, den geringen Zutaten vielfältige Geschmacksnoten zu entlocken.

Heute wird das deutsche Bier weltweit gerühmt: keine Geschmacksverstärker, keine Farbstoffe, keine Konservierungsstoffe und anderer Firlefanz, der im Gebräu schwappt. So werden hierzulande mehr als 6.000 verschiedene Biere gebraut, ach was: komponiert.

Sie merken schon: Ich habe eine Schwäche für Gerstensaft, das gebe ich freimütig zu. Allerdings sinkt der Bierabsatz rapide: Im vergangenen Jahr wurden noch 6,8 Milliarden Liter verkauft, 15 Prozent weniger als vor zehn Jahren. Auch die Zahl der Brauereien schrumpft, haben Statistiker herausgefunden, die dafür bezahlt werden: Landesweit sind es noch 1.459 Betriebe.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Es liegt mir fern, Sie zum übermäßigen Alkoholkonsum zu animieren. Zu viel Bier ist ungesund. Aber in Maßen (und ja, liebe Bayern, auch in einer Maß) genossen ist Bier ein so wunderbares Getränk, dass es nicht nur schmeckt, sondern womöglich auch hilft, die deutsche Wirtschaft ein bisschen anzukurbeln. Dann nämlich, wenn Menschen wie Sie und ich in der Kneipe oder im Supermarkt nicht zu den ausländischen Trend-Biersorten greifen, sondern zum heimischen Gebräu. Nichts geht schließlich über Köstlichkeiten wie das Pülleken aus der Veltins-Familienbrauerei im Sauerland. Da würde sogar der künftige Kanzler uneingeschränkt zustimmen.


Papst-Sarg im Petersdom

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Von heute an können Gläubige im Petersdom vom verstorbenen Papst Franziskus Abschied nehmen: Um 9 Uhr wird der Leichnam des Pontifex in einer Prozession aus der Kapelle seiner Residenz Santa Marta in die Vatikanbasilika überführt. Gemäß seinem Wunsch wird der Leichnam in einem schlichten Holzsarg aufgebahrt; so wollte Franziskus betonen, dass "das Begräbnis des Papstes das eines Hirten und Jüngers Christi ist und nicht das eines mächtigen Mannes dieser Welt". Diese Demut inspiriert Tausende: Stündlich strömen mehr Gläubige in die Stadt, berichtet unser Reporter Philipp Heinemann aus Rom.

Auch die Gästeliste der für Samstag angesetzten Beerdigungsmesse füllt sich. Unter den Teilnehmern sind Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der geschäftsführende Kanzler Olaf Scholz und US-Präsident Donald Trump. Kreml-Kriegsherr Wladimir Putin kommt nicht, weil ihm die Verhaftung droht. Beigesetzt wird Franziskus auf seinen Wunsch hin nicht im Petersdom, sondern in der Basilika Santa Maria Maggiore nahe dem Hauptbahnhof. Und natürlich läuft im Hintergrund längst das Ringen um die Nachfolge. Meine Kollegin Ellen Ivits hat die Details.


Hegseth vor dem Aus?

Der Druck auf US-Verteidigungsminister Pete Hegseth wächst. Nachdem im März ein Chat in der Signal-App öffentlich geworden war, in der der Pentagon-Chef mit anderen Regierungsvertretern Angriffspläne für den Jemen diskutiert hatte, wurde nun eine zweite Chat-Gruppe bekannt: Darin soll Hegseth die Geheiminformationen auch mit seiner Frau, seinem Bruder und seinem Anwalt geteilt haben. Im Ministerium herrscht helle Aufregung. Zwar versucht der ehemalige Fox-News-Moderator, die Sicherheitspanne kleinzureden, und wird dabei vom Präsidenten unterstützt. Doch nun fordern auch erste Republikaner Hegseths Rücktritt – und die Halbwertszeit von Trumps Treueschwüren ist gering. Die Nachfolgesuche läuft bereits, melden US-Medien.


Ukraine-Verhandlungen

Die brüchige Oster-Waffenruhe in der Ukraine ist vorbei, in vielen Städten herrscht wieder Luftalarm. Gleichwohl wollen die USA, Großbritannien, die Ukraine, Frankreich und weitere europäische Verbündete einschließlich Deutschland heute in London ihre Beratungen über eine Beendigung des russischen Angriffskriegs fortsetzen. An dem Treffen sollen auch US-Außenminister Marco Rubio sowie die US-Sondergesandten Steve Witkoff und Keith Kellogg teilnehmen. Einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge erwartet das Weiße Haus eine Reaktion aus Kiew auf US-Vorschläge für weitreichende Zugeständnisse an Moskau. Demnach soll die Ukraine nicht nur auf einen Nato-Beitritt, sondern auch auf die 2014 von Russland völkerrechtswidrig annektierte Halbinsel Krim verzichten. Der Aggressor Putin würde also belohnt. Der ukrainische Präsident hat rasch auf den Bericht geantwortet. Er will die russische Annexion der Halbinsel Krim und anderer ukrainischer Gebiete nicht juristisch anerkennen. "Da gibt es nichts zu bereden. Das steht außerhalb unserer Verfassung", sagte Wolodymyr Selenskyj auf einer Pressekonferenz in Kiew.


Die gute Nachricht

Der niederländische Immunologe Hans Clevers hat ein Verfahren entwickelt, um Mini-Organe im Labor zu züchten. Sie könnten die Zahl der Tierversuche stark reduzieren. Die Kollegen von Tagesschau.de haben die Zusammenfassung.


Lesetipps


Elon Musk hat Tesla groß gemacht – nun macht er es klein: Der Umsatz des E-Autobauers ist brutal eingebrochen. Die US-Firma taumelt in die Existenzkrise, weil kaum noch jemand die Vehikel eines Demokratiezerstörers kaufen will.


Dieter S. kämpfte in der Ostukraine für Russland – nun steht er in Deutschland wegen mutmaßlicher Sabotage vor Gericht. Sein Fall offenbart eine bislang unterschätzte Bedrohung, schreiben meine Kollegen Markus Thöß und Lars Wienand.


Zum Schluss

Mannomann, dieser Merz!

Ich wünsche Ihnen einen heiteren Tag.

Herzliche Grüße und bis morgen

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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Mit Material von dpa.

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