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Uli Hoeneß: "Würde sagen, dass Florian Wirtz zum FC Bayern muss"


Uli Hoeneß
"Ich erwarte eine Zäsur in unserem Land"

InterviewVon Julian Buhl

04.02.2025 - 10:00 UhrLesedauer: 16 Min.
Uli Hoeneß: Der 73-Jährige bestimmt die Geschicke beim FC Bayern als Ehrenpräsident und Aufsichtsratsmitglied weiter mit.Vergrößern des Bildes
Uli Hoeneß: Der 73-Jährige bestimmt die Geschicke beim FC Bayern als Ehrenpräsident und Aufsichtsratsmitglied weiter mit. (Quelle: Thomas Imo)
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Im Exklusiv-Interview mit t-online verrät Uli Hoeneß, wie er sich den FC Bayern in Zukunft vorstellt. Jamal Musiala und Florian Wirtz spielen dabei eine zentrale Rolle.

Für Uli Hoeneß war es ein absolutes Heimspiel. In den Hinterzimmern des Münchner Feinkost-Restaurants, in dem der Ehrenpräsident des FC Bayern t-online zum vereinbarten Termin traf, hat der 73-Jährige schließlich schon unzählige wichtige Verhandlungen geführt. Die Delegationen sämtlicher europäischer Topklubs hat er hier schon empfangen. Auch Vincent Kompany stellte sich Hoeneß im Sommer an gleicher Stelle beim gemeinsamen Abendessen als neuer Cheftrainer der Münchner vor.

Gut möglich, dass Hoeneß auch am 27. Februar wieder an diesen fast schon klubhistorischen Ort zurückkehren wird, um mit dem ein oder anderen Weggefährten auf ein ganz besonderes Jubiläum anzustoßen. An diesem Tag feiert der FC Bayern nämlich seinen 125. Geburtstag. Als Spieler, Manager, Präsident, Ehrenpräsident und Aufsichtsrat hat Hoeneß den deutschen Rekordmeister wie kein anderer geprägt – seit mittlerweile 55 Jahren. Im großen Exklusiv-Interview spricht Hoeneß mit t-online darüber, wie der Klub zu dem geworden ist, was er heute ist, und wie er ihn in Zukunft sieht.

t-online: Herr Hoeneß, was bedeutet für Sie "Mia san mia"?

Uli Hoeneß: Der FC Bayern hat – genau wie das Land Bayern und die Stadt München – einen eigenen Lebensstil für sich gefunden. Wir sind sehr selbstbewusste Menschen, wissen, was wir wollen, und sind leistungsbereit. Wir geben nicht so schnell auf bei Rückschlägen, nehmen Herausforderungen an, die das Leben nun mal bringt, und gehen sie an. Uns sind die Gemeinschaft und soziale Verantwortung wichtig, wir sind immer gerne bereit, anderen zu helfen. Und wir wollen Spaß am Leben haben. Das ist das, was den FC Bayern und diesen Begriff ausmacht.

Wie viel von diesem "Mia san mia" steckt aktuell noch im FC Bayern?

Ich glaube schon, dass wir diesen Gedanken in großen Teilen weiterhin leben. Er hat ein bisschen nachgegeben, weil die Fluktuation im Verein für meinen Geschmack zuletzt zu hoch war. Einen solchen Begriff umzusetzen, ist einfacher, wenn die Leute sich besser kennen. Durch die vielen Wechsel in der Trainerfrage, aber auch in der Führungsfrage und im Spielerkader war es zuletzt schwieriger, das zu leben.

Uli Hoeneß.
Uli Hoeneß. (Quelle: Thomas Imo)

Zur Person

Uli Hoeneß (73) prägt den FC Bayern seit mittlerweile 55 Jahren. Hoeneß wechselte 1970 als Spieler zum Rekordmeister. 1979 wurde er mit 27 Jahren Manager. Ab 2009 war er Präsident des Vereins. Im Juni 2014 musste er aufgrund eines Steuerdelikts für knapp anderthalb Jahre ins Gefängnis. 2016 wurde er erneut Präsident sowie Aufsichtsratsvorsitzender und zog sich 2019 von beiden Ämtern zurück. Heute ist er Ehrenpräsident und Aufsichtsrat beim FC Bayern.

Der FC Bayern wird am 27. Februar 125 Jahre alt – was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum?

Es ist natürlich ein besonderes Datum, das wir feiern werden. Aber über eins müssen wir uns im Klaren sein.

Das wäre?

Das Leben ist so schnelllebig geworden, dass man sich auf so einem Jubiläum, auf solch schönen Momenten nicht allzu lange ausruhen kann und darf. Wenn du keinen Erfolg hast, ist davon schon ein Jahr später nicht mehr viel übrig.

Ist der FC Bayern Ihr Lebenswerk?

Das sollen andere beurteilen. Der FC Bayern ist ein ganz wesentlicher Teil meines Lebens. Wenn man von 73 Lebensjahren seit 55 Jahren beim FC Bayern ist, als Spieler, Manager, Vorstand, Präsident, Ehrenpräsident – dann ist das alles andere als selbstverständlich. Ich blicke schon stolz darauf zurück, was aus Bayern München geworden ist, nachdem ich in den 70er-Jahren nach dem Abitur hierherkam. Damals war es ein Fußballverein und jetzt sind wir ein Weltklub, der in diesem Land, in dieser Stadt tief verwurzelt ist. Als ich als Manager anfing, hatte der Verein 8.000 Mitglieder, jetzt sind es über 380.000. Das macht mich sehr stolz.

Was wäre aus Ihnen und dem FC Bayern geworden, wenn der 1978 bereits beschlossene Wechsel zum Hamburger SV nach dem Medizincheck nicht geplatzt wäre? Wäre dann der HSV jetzt deutscher Rekordmeister?

Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass es reines Glück war. Ich wollte damals weg aus München und bin nach Nürnberg gegangen. Wäre ich zu dieser Zeit in München geblieben, wäre vieles anders gelaufen.

Was denn?

In München hatte es mit einigen anderen Spielern eine Revolution gegeben, um die Verpflichtung von Max Merkel als Trainer zu verhindern. Wäre ich zu dieser Zeit dort gewesen, wäre ich mittendrin gewesen. Wilhelm Neudecker (damaliger Bayern-Präsident; Anm. d. Red.) wäre danach dann nie auf die Idee gekommen, mich zu fragen, ob ich Manager bei Bayern werden will.

Welche Zeit und welche Rolle beim FC Bayern war für Sie die schönste?

Die schönste Zeit meiner Karriere war die als Spieler.

Warum?

Weil du als Spieler nur für dich selbst verantwortlich bist, auch wenn du eine gewisse Verantwortung für die Mannschaft hast. Und als Spieler ins Olympiastadion einzulaufen, in Wembley oder im Bernabeu zu spielen – das sind schon unglaublich eindrückliche Momente.

Waren die 90er die wildeste und verrückteste Zeit bei den Bayern? Es gibt momentan eine Doku darüber im TV zu sehen.

Die hat mir am Anfang nicht so gefallen, dann habe ich sie mir aber doch angeschaut. Diese Zeit war ein Zeichen dafür, dass diese jungen Spieler, die dann so selbstbewusst durch die Gegend liefen und sich in der Öffentlichkeit äußerten, nicht auf eine solche Welt vorbereitet waren. Damals haben wir ein bisschen Fußballgeschichte geschrieben.

Inwiefern?

Indem wir gezeigt haben, dass man als Verein einfach auch außerhalb des Platzes eine Geschichte hat. In der heutigen Zeit möchte ich das in diesem Ausmaß nicht mehr haben. Durch die sozialen Medien würde das total aus dem Ruder laufen, noch viel mehr als damals.

Wer war damals der schwierigste Charakter? Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann, Mario Basler?

Wer sich die Serie anschaut, sieht im Nachhinein, dass Lothar schon mitunter eine komische Rolle gespielt hat – gerade auch im Konflikt mit Jürgen Klinsmann. Wobei man aber auch sagen muss: Wie sich am Anfang der Serie alles nur um diesen Konflikt dreht, entspricht nicht ganz der Situation damals im Verein.

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Sondern?

Es gab noch viele andere wichtige Spieler. Stefan Effenberg war einer davon. Mehmet Scholl ein anderer hochinteressanter, intelligenter Spieler. Oder Giovane Elber – einfach ein toller Typ. Wenn ich an Mario Basler denke, wie schwierig er manchmal war, aber was für ein guter Kerl er gleichzeitig ist. Bei aller Problematik, die wir mit den Jungs damals hatten, hat es auch viel Spaß gemacht.

Fehlen heute genau solche Typen?

Die bräuchte man heute auch wieder, aber die werden sich in unserer Zeit nicht mehr so entwickeln. Das sehen Sie auch in der Politik.

Wie meinen Sie das?

Du kannst dich nicht mehr so aus dem Fenster lehnen, weil du da viel zu schnell einen auf die Hörner kriegst. Und die sozialen Medien machen aus meiner Sicht alles kaputt.

An wen oder was denken Sie da konkret?

Daran, wie sich ein Helmut Schmidt entwickeln konnte, ein Helmut Kohl, ein Franz-Josef Strauß, auch Frau Merkel noch. Aber die neuen Leute – ob Olaf Scholz, Robert Habeck, Markus Söder und wie sie alle heißen: Bei allem, was sie machen, werden nur ihre Fehler in den Vordergrund gestellt.

Was war der größte Fehler, den Sie in Ihrer Laufbahn gemacht haben?

Meine Sache, als ich ins Gefängnis musste.

Sie meinen Ihr Steuerdelikt …

Ja. Damit habe ich auch dem FC Bayern ungeheuer geschadet. Dadurch war ich zumindest für ein paar Jahre nicht da. Von einer Sache damals war ich sehr überrascht.

Von welcher?

Dass die Fangemeinde dermaßen bereit war, auf mich mit offenen Armen zuzugehen. Diese Jahreshauptversammlung, bei der ich mich verabschiedet habe, werde ich nie vergessen. Das treibt mir heute noch die Tränen in die Augen. Als klar war, dass ich wohl ins Gefängnis komme und Karl Hopfner bei der Jahreshauptversammlung zum Präsidenten gewählt wurde, hat mich meine Frau Susi noch morgens beim Frühstück gefragt: "Willst du da heute wirklich hingehen?" Ich wollte eigentlich nicht, weil ich dachte, dass mich dort alle auspfeifen würden. Mein Bauchgefühl hat mir dann aber gesagt, dass ich da hingehen und mich verabschieden muss. Als ich dann in der Halle nur den Kopf aus der Eingangstür gestreckt habe, standen plötzlich alle Leute für mich auf. Das war unglaublich, einer der emotionalsten Momente für mich.

Wie hat Ihre Zeit im Gefängnis Sie verändert?

Wenn man so einen Tiefschlag erlebt und so einen riesigen Fehler macht, dann muss man auch in sich gehen und sich fragen: "Was hast du da für einen Fehler gemacht?" Und du musst versuchen, das in Zukunft besser zu machen. Ich glaube schon, dass ich dadurch ein Mensch geworden bin, der mehr auf andere zugeht, der demütiger geworden ist. Die Zeit im Gefängnis hat mich geprägt.

Wie sehr haben auch die beiden verstorbenen Legenden Gerd Müller und Franz Beckenbauer Sie und den Klub geprägt?

Sie sind die beiden Pfeiler, auf denen der FC Bayern aufgebaut wurde. Ohne die großartigen Leistungen von Franz, seine Ausstrahlung, seine Persönlichkeit und die Tore von Gerd, die unnachahmlich waren und sind, wäre der FC Bayern nicht da, wo er heute ist.

Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu ihnen?

Als Spieler waren wir noch gar nicht so eng befreundet. Das war eher eine gesunde Konkurrenzsituation. Da waren die Älteren um "Katsche" Schwarzenbeck, "Bulle" Roth, Sepp Maier, Franz und Gerd. Und dann die jungen Revoluzzer Paul (Breitner; Anm. d. Red.), ich, Rainer Zobel, Edgar Schneider, die auch ihren Anspruch angemeldet haben. Udo Lattek hat im Training gerne Alt gegen Jung gespielt. Dann musste ich im Training mit Schienbeinschonern spielen, in der Bundesliga habe ich ohne gespielt. Wir waren gute Kameraden und Kollegen. Aber richtige Freunde sind wir erst geworden, als unsere Profi-Karrieren vorbei waren.

Wie kam das?

Als Gerd seine Probleme mit dem Alkohol hatte, sind wir ganz eng zusammengewachsen. Und bei Franz, zu dem wir ja schon zu seiner Zeit als Präsident und Trainer eine tiefe Nähe hatten, ist die Beziehung während seiner unsäglichen WM-Sache endgültig felsenfest geworden. Ich kann mich noch gut entsinnen, als Franz bei einer Reha sechs Wochen am Tegernsee war. Da haben wir uns sehr oft getroffen. Gerd habe ich in der Zeit, in der er in der Klinik in Murnau war, fast täglich besucht. Ich war damals junger Manager. Später haben wir ihm dann einen Job bei der Amateurmannschaft gegeben. Daraus sind richtig tiefe Freundschaften entstanden, weil uns allen plötzlich klar wurde, was es bedeutet, solche Spieler bei uns gehabt zu haben.

Hat der Verlust der beiden bei Ihnen Gedanken über die Endlichkeit des Lebens ausgelöst?

Natürlich. Meine Frau und ich kommen langsam in ein Alter, wo die Einschläge näherkommen. Das stimmt einen schon manchmal nachdenklich, traurig und auch ein bisschen ängstlich. Weil man das ja vor 20 Jahren nicht gewohnt war. Das ist schon eine Situation, die mich sehr beschäftigt.

Eigentlich wollten Sie sich ja schon mehr zurückziehen. Nach der missglückten Übergabe an Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić kehrten Sie aber wieder mehr ins Tagesgeschäft zurück.

Momentan bin ich so wenig im Tagesgeschäft wie nie, seitdem ich 2019 als Präsident zurückgetreten bin. Ich versuche, die Dinge der aktuellen Führung zu überlassen.

Wie würden Sie Ihre aktuelle Rolle dann beim FC Bayern beschreiben?

Ich bin Ehrenpräsident und Aufsichtsratsmitglied. Nicht mehr und nicht weniger. Wir treffen uns regelmäßig alle paar Wochen mit Karl-Heinz (Rummenigge; Anm. d. Red.), Herbert Hainer und dem Vorstand und tauschen uns aus. Aber von wegen Tagesgeschäft – nein.

Sie sind für den FC Bayern also nicht unersetzlich?

Kein Mensch ist unersetzlich. Aber eines ist auch klar: Wenn ich das Gefühl habe, und das gilt für Karl-Heinz genauso, dass Dinge – nicht im Tagesgeschäft, aber grundsätzlich – in eine Richtung laufen, die falsch ist, dann werden wir das immer ansprechen. Wenn das irgendwann mal nicht mehr Gehör findet und die Leute machen trotzdem, was sie wollen, dann kann man es nicht ändern. Aber bisher wurden unsere Erfahrungen und unser Engagement im Klub ernst genug genommen.

Planen Sie irgendwann, sich wieder mehr zurückzuziehen?

Noch mehr geht fast nicht, denn dann müsste ich aufhören, ins Stadion zu gehen. Ich mache keine Pressekonferenzen mehr und habe auch meine Vorträge total zurückgeschraubt. Weil man ja heute nichts mehr sagen kann.

Wie meinen Sie das?

Das wird dann in die Öffentlichkeit getragen und schon hast du Ärger, obwohl du eigentlich etwas Gutes tun willst. Die ganzen Gelder für meine Vorträge, das waren mehrere hunderttausend Euro pro Jahr, habe ich immer gespendet. Ich habe in diesem Jahr nur einen Vortrag zugesagt, weil ich genervt davon bin, dass jedes Wort, das ich da sage, sofort auf die Goldwaage gelegt wird. Die Leute, vor denen ich diese Vorträge halte, wollen natürlich, dass ich ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudere. Wenn ich nur noch Blabla machen kann, lasse ich es lieber ganz bleiben.

Was haben Sie aus dem gescheiterten Versuch gelernt, die Geschäfte an Kahn und Salihamidžić zu übergeben?

Im Laufe der Monate hat sich gezeigt, dass speziell Oliver eine ganz andere Auffassung davon hatte, wie man den Verein führen sollte – mit vielen Beratern und außenstehenden Leuten. Das habe ich erst relativ spät ernst genommen. Wenn es gut gegangen wäre, hätten wir gesagt, dass es verschiedene Wege nach Rom gibt. Aber so kam es zu der klaren Konsequenz, dass wir reagiert haben.

Was war der größere Fehler von Kahn und Salihamidžić: die Entlassung von Julian Nagelsmann oder die Verpflichtung von Thomas Tuchel als Nachfolger?

Auf jeden Fall die hektische Entlassung von Julian Nagelsmann, die ja mit dem Aufsichtsrat lange Zeit überhaupt nicht abgestimmt war. Der Aufsichtsrat wurde mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen gestellt. Und das hat zu einem Zeitpunkt zur Unruhe geführt, als wir noch alle drei Titel hätten gewinnen können. Es war ja keine Katastrophensituation. Wer weiß, was passiert wäre, wenn Julian die Chance gekriegt hätte. Ich hätte mir gewünscht, dass man diese Dinge mit etwas mehr Geduld behandelt hätte.

Werden wir Nagelsmann irgendwann noch einmal als Trainer beim FC Bayern sehen?

Er hat seinen Vertrag beim DFB erst mal bis 2028 verlängert. Dass er irgendwann wieder in einem Verein arbeiten wird, ist auch klar. Ob das der FC Bayern sein wird, weiß ich nicht.

Wie stehen Sie zu Tuchel?

Privat war unser Verhältnis bis zum Schluss total in Ordnung. Aber er hat in vielen Bereichen einfach eine ganz andere Auffassung, wie man eine Mannschaft führt. Außerdem wollte er relativ viele Transfers machen. Wir wollten dagegen versuchen, mit mehr eigenen Spielern auch mittelfristig zu arbeiten. Wenn ich daran denke, wie viele teure Spieler da immer wieder gefordert wurden. Jedes Mal, wenn wir einen verletzten Spieler hatten, wurde nach neuen Spielern gerufen. Das war eine permanente Diskussion um Spieler. Das habe ich bei Vincent (Kompany; Anm. d. Red.) noch nie gehört.

Haben Sie sich mit Kahn und Tuchel noch mal ausgesprochen?

Leider nicht. Aber wenn ich den Oliver oder den Thomas in einem Restaurant treffe, habe ich überhaupt kein Problem, mich zu ihnen zu setzen und über die alten Zeiten zu reden. Thomas hat sich für England entschieden. Irgendwann wird er wieder in die Allianz Arena zurückkommen und dann wird man sich freundlich begrüßen. Ich habe mit beiden überhaupt kein persönliches Problem. Speziell Oliver hat als Spieler ungeheure Verdienste für den Klub und die werden auch keinen Millimeter kleiner geredet. Die Tür beim FC Bayern steht ihm immer offen.

Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass die Übergabe an die aktuelle Führung nun besser funktioniert?

Ich habe schon das Gefühl, dass wir im Moment zumindest in der Meisterschaft wieder gefestigter unterwegs sind. Immer vom Triple reden, das ist alles Käse. Der wichtigste Titel ist die Deutsche Meisterschaft.

Wirklich?

Die Dortmunder sind jetzt in der Champions League weitergekommen und keiner spricht davon. Weil sie in der Bundesliga 22 Punkte hinter Bayern München sind. Was wurde ich belächelt, als ich im November Dortmund nicht erwähnt habe als Konkurrent für diese Saison. Damals waren es zwölf Punkte Abstand, jetzt sind es 22. Die Meisterschaft ist für mich das Maß der Dinge. Wenn wir Meister werden, haben wir unser Hauptziel erreicht.

Waren Sie mit Ihrem Meisterversprechen im November etwas voreilig?

Das war und ist meine feste Überzeugung, dass wir Meister werden. Aber ich muss das jetzt etwas einschränken, und zudem muss man das auch insgesamt einordnen: Das habe ich auf einem dieser Vorträge gesagt. Ich wurde gefragt, ob der FC Bayern dieses Jahr das Triple gewinnt. Da habe ich gesagt: Nein, das kann man nicht garantieren. Aber was ich zusagen kann, ist die Meisterschaft. Wie sich jetzt allerdings herausgestellt hat, wird Leverkusen sehr wahrscheinlich doch bis zum Ende unser großer Konkurrent bleiben. Das ist ja auch eine Klasse-Mannschaft.

Spiele

Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf das direkte Duell am 15. Februar?

Wenn wir mit unseren sechs Punkten Vorsprung und einem super Torverhältnis da reingehen, dann sieht es gut aus.

Obwohl Bayern – im Gegensatz zu Leverkusen – direkt davor und danach die Playoffs in der Champions League spielen muss?

Ich fahre nicht nach Leverkusen, um zu verlieren. Aber selbst wenn, dann schaut es bei sechs Punkten Vorsprung immer noch gut aus. Aber keine Frage, der Februar wird der Monat der Entscheidung.

Jan-Christian Dreesen hat den "Titel dahoam" zum großen Ziel erklärt. Wie realistisch ist das?

Träumen darf man ja. Aber wir sind im Moment jetzt erst einmal in den Playoffs. Wir sollten uns nicht verrückt machen mit dem Gedanken ans Finale. Wenn es wirklich ernst wurde und darauf ankam, dann hat sich beim FC Bayern immer eine Leistungssteigerung eingestellt. Darauf baue ich auch jetzt.

Vor dem letzten "Finale dahoam" 2012 sagten Sie noch: "Da müssen wir dabei sein."

Damals hatten wir aber auch eine Mannschaft, die schon besser zusammengewachsen war. Jetzt sind wir ja gerade dabei, eine neue aufzubauen. Die hat in der Bundesliga sehr stark begonnen und muss sich im nächsten Schritt weiter stabilisieren. Wir müssen schauen, dass wir aus unserer spielerischen Überlegenheit noch mehr Ergebnisse erzielen.

Max Eberl sieht Sie als sein großes Vorbild. Ist er umgekehrt auch Ihr Wunschnachfolger als Manager?

Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich ihn sehr schätze. Die Aufgabe ist jetzt, den Umbruch in der Mannschaft zu schaffen und die auslaufenden Verträge unter Dach und Fach zu bringen.

Fragt er Sie häufig nach Ihrem Rat?

Er ist sehr selbstbewusst, aber auch jemand, der sich meinen Rat einholt.

Wie blicken sie auf die komplizierte Trainersuche im Sommer zurück, in der es mehrere öffentliche Absagen an den FC Bayern gab?

Es war eine Aneinanderreihung von unglücklichen Umständen. Es wurde aber auch viel Blödsinn erzählt.

Zum Beispiel?

Dass ich etwas gegen Ralf Rangnick hätte. Dabei haben wir ein hervorragendes, wirklich ein sehr entspanntes Verhältnis. Dann wurde immer interpretiert, dass Karl-Heinz und ich statt Kompany lieber Hansi Flick wollten.

Wollten Sie das nicht?

Es war so: Als Max mit Christoph Freund nach England geflogen ist, um mit Vincent zu verhandeln, habe ich ihm gesagt: "Schaut, dass Ihr mit seiner Unterschrift zurückkommt!" Hätte das nicht geklappt, hätte man auch über Hansi Flick nachdenken können. Nachdem das mit Vincent geklappt hat, war ich mir aber sicher, dass das eine gute Entscheidung war.

Aktuell wird über die Vertragsverlängerung mit Jamal Musiala diskutiert. Wäre die nicht ein passendes Geschenk für den 125. Geburtstag?

Ich halte solch wichtige Entscheidungen nicht für ein Weihnachts- oder Ostergeschenk. Die müssen schon sportlich und wirtschaftlich begründet sein. Wenn das alles erledigt ist, dann wird es bekannt gegeben.

Was fehlt noch? Ein Besuch bei Ihnen zu Hause am Tegernsee?

Ich war bei keinem Gespräch dabei, kenne keine Einzelheiten. Aber wir hören ja von Max und Christoph, dass die Gespräche in einem guten Zielkorridor sind. Wir werden jetzt irgendwann eine Entscheidung kriegen.

Es heißt, Musiala soll das Gesicht der Zukunft werden. Wie sehen Sie seine Rolle?

Er ist ein überragender Fußballspieler mit unglaublichen Fähigkeiten, der auch vom Image her dem FC Bayern sehr gut tut. Weil er ein Kicker ist, der die Leute gut unterhält. Es ist eine wunderbare Geschichte, und wir wollen beim FC Bayern weiter attraktiven Fußball spielen. Wenn neben Musiala vielleicht auch irgendwann mal der Florian Wirtz beim FC Bayern spielt, dann können wir noch ruhiger in die Zukunft schauen.

Wird Wirtz der nächste 100-Millionen-Transfer des FC Bayern?

Er ist sicherlich ein Spieler, den wir nicht aus dem Auge lassen sollten. Man kann ja noch träumen. Wenn ich einen Traum haben darf, dann würde ich sagen, dass Florian Wirtz zum FC Bayern muss. Das ist aber nur meine private Meinung.

Die Gerüchte um eine mögliche Vertragsverlängerung von Wirtz in Leverkusen bringen Sie dabei nicht aus der Ruhe?

Ich kommentiere keine Verträge anderer Vereine.

Welche Rolle spielen Sie bei dem möglichen Wirtz-Transfer?

Ganz generell gilt: Nicht der Manager, nicht der Ehrenpräsident oder der Vizepräsident holt einen Spieler, sondern der FC Bayern. Wer da seinen Beitrag leistet, darf keine Rolle spielen.

Lassen Sie uns noch einen Blick auf die Situation in Deutschland werfen. Was erwarten Sie von der anstehenden Bundestagswahl?

Ich erwarte eine wesentliche Zäsur in unserem Land, wirklich richtungsweisende Entscheidungen. Es wird hoffentlich eine völlig neue Ära in der deutschen Politik geben. Wobei ich nie einen Hehl daraus gemacht habe, dass ich dabei auf keinen Fall die AfD meine.

Wirkt sich die wirtschaftliche Rezession im Land auch auf den FC Bayern aus?

Bei allen Problemen, die die Bürger leider in der heutigen Zeit haben, der Angst um Arbeitsplätze, um ihre Zukunft, brauchen sie offenbar auch Muße, was ja wichtig ist. Bei uns sind alle Spiele ausverkauft, auch die meisten unserer Basketball-Spiele. Die Leute scheinen ihre Probleme vergessen zu wollen, da gehen sie zum Sport, ins Kino oder in Restaurants.

Trotz des Rekordumsatzes von einer Milliarde Euro ist zu vernehmen, dass der FC Bayern beim Umbau der Mannschaft sparen muss. Wie passt das zusammen?

Das hängt zunächst von den ganzen Vertragsverlängerungen ab. Danach muss man eine Bilanz ziehen und schauen, wie viel Geld noch da ist, um eventuell neue Spieler zu holen. Aber, so wie ich es im Moment sehe, ist nicht viel Geld da, um nächstes Jahr groß einzukaufen. Entscheidend ist ja nicht der Umsatz, sondern der Ertrag. Der ist immer noch okay, aber auch nicht mehr so, wie er schon mal war.

Die deutsche Nationalelf ist auch eine Art Stimmungsbarometer für das Land. Wie haben Sie die Heim-EM im Sommer erlebt?

Die Stimmung war nicht ganz so euphorisch wie 2006, aber trotzdem sehr gut. Julian Nagelsmann hat mit seiner Mannschaft wieder eine gewisse Euphorie entfacht. Diese Spiele, die wir zuletzt gesehen haben, mit den Leistungen von Wirtz und Musiala, das war ja Traumfußball. Das ist genau das, was wir in Zukunft sehen wollen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Wofür sollte der FC Bayern beim 150. Geburtstag stehen?

Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Keiner weiß aktuell, wie sich die Welt bis dahin entwickelt. Wir müssen nur hoffen, dass es mehr Frieden gibt. Vor Krieg und ausufernder Gewalt habe ich viel mehr Angst, das beschäftigt mich mehr als die Frage, was der FC Bayern in 25 Jahren macht.

Sie haben keine Vision für den Klub im Kopf?

Über so einen langen Zeitraum kann man nicht planen. Ich wüsste nicht mal, was in zehn Jahren ist. Man muss schauen, was wir in den nächsten zwei, drei Jahren tun müssen. Grundsätzlich steht der FC Bayern super da. Wir haben ein super Image, ein gutes Management. Aber wir sind abhängig von der Gesamtwirtschaftslage und der gesamten geopolitischen Lage. Keiner weiß, wie die Kriege und Konflikte in der Ukraine oder im Nahen Osten enden. Das A und O für alles, was unsere Zukunft betrifft, ist dauerhafter Frieden. Da kann man den Sport nicht isoliert sehen.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Interview mit Uli Hoeneß
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