Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Der Notfall ist näher als wir denken
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
wir starten in den Tag mit einem wichtigen Appell des Vizepräsidenten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), René Funk. Er wendet sich an alle Bürger in Deutschland: "Bereiten Sie sich auf Notlagen vor, dies kann auch länger andauernder Stromausfall sein", sagte Funk t-online. "Notlagen müssen nicht eintreten, sind aber jederzeit möglich".
Funk fordert eindringlich: Jeder deutsche Haushalt soll so gerüstet sein, dass er sich 72 Stunden lang selbstständig versorgen kann – auch ohne Strom. Mehr zu Funks Appell lesen Sie hier.
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Was ist denn jetzt los, fragen Sie sich vielleicht? Die Antwort ist simpel: Die Realität hält endlich Einzug in Deutschland. Zum Glück.
Seit Monaten warnen Militär und Behörden immer wieder vor den möglichen Folgen hybrider Angriffe, die auch uns in Deutschland schon lange treffen. Drahtzieher sind unter anderem Staaten wie China, Nordkorea, der Iran und vor allem: Russland. "Wir sind bereits jetzt täglich einer Vielzahl von hybriden Angriffen ausgesetzt", so BBK-Vizechef Funk.
Das Wort "hybrid" bezeichnet eine ganze Reihe von sehr unterschiedlichen Angriffsarten. Deswegen schwirrt das Wort oft in den Schlagzeilen der Medien umher, die multiplen Gefahren aber, die es für unsere Gesellschaft mit sich bringt, sind von den meisten Menschen aber noch lange nicht verinnerlicht. Die Sabotage von wichtiger Infrastruktur kann es bedeuten, Paketbomben oder Mordanschläge, und zuhauf: Cyberattacken. Ein Ziel gerade des Kremls ist das Ausschalten wichtiger Systeme und damit Destabilisierung, die – im besten Fall für die Angreifer, im schlimmsten Fall für uns – in Panik und Chaos enden könnte.
Das "könnte" aber ist hier ganz entscheidend. Denn erstens muss es gar nicht zum Ernstfall kommen. Zweitens lässt sich, selbst wenn er eintreten sollte, Chaos verhindern. Für beides braucht es Vorbereitung. Das gilt für Behörden, Unternehmen und jeden einzelnen von uns.
Dafür muss man sich allerdings der Realität stellen: Wir sind nicht die Ukraine, deren Grenzen von Putins Panzern überrollt wurden. Aber wir sind trotzdem Teil dieses und zahlreicher anderer Konflikte. Angriffsziel für Aggressoren, die auf Freundlichkeit, bilaterale Verträge und das Völkerrecht pfeifen. Ob wir wollen oder nicht.
Im Alltag fällt uns das als Bürger freilich selten auf. Was auch damit zu tun hat, dass wir nicht immer alles wissen sollen. Der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziére brachte diese Kommunikationsstrategie 2015 recht gut auf den Punkt, als er auf die Frage nach den Hintergründen für einen Terroralarm vor einem Fußballspiel großflächig schwieg. Teile seiner Antwort könnten "die Bevölkerung verunsichern", andere Teile hingegen die künftige Arbeit der Sicherheitsbehörden erschweren, sagte er da.
Gar nicht zu kommunizieren aber ist nicht nur keine Lösung, sondern ein großes Problem. Es hüllt Bürger in eine Zuckerwattewolke falscher Sicherheit, die im Ernstfall sofort platzt. Die Folge: ein harter Aufschlag auf dem Asphalt, völlig unvorbereitet.
In Skandinavien haben sie das schon länger begriffen. Mein Bruder lebt in Schweden, Mitte November schickte er per WhatsApp ein Foto einer knallgelben Broschüre, die dort jeder Haushalt direkt in den Briefkasten erhielt. "Wenn eine Krise oder ein Krieg kommt", steht auf der Titelseite, darüber: die Zeichnung von einer Soldatin mit Helm und Gewehr, darin: 30 Seiten detaillierte Anleitungen für den Notfall. In sanfteren Worten, mit mehr "Krise" statt "Krieg", hatten kurz zuvor auch Norwegen und Finnland ihre Bürger auf Notfälle vorbereitet.
Die Tipps darin ähneln dem, was BBK-Vizechef René Funk empfiehlt: Vorräte für mehrere Tage anlegen, bitte. Darunter: haltbare Lebensmittel, genügend abgefülltes Wasser zum Trinken sowie für die Hygiene, batteriebetriebene Lampen oder Kerzen, Streichhölzer, ein batterie- oder kurbelbetriebenes Radio, Bargeld. Dazu lieferten die Skandinavier Anleitungen für Verhaltensweisen: Was bedeuten unterschiedliche Sirenenalarme? Wo erhält man im Ernstfall Hilfe? An wen kann man sich wenden?
In Norwegen sollen die Vorräte für zehn Tage reichen. Das war bisher auch die vorrangige Empfehlung des deutschen BBK. Nun aber empfiehlt dessen Chef primär Vorräte für mindestens drei Tage zu horten – wie auch die Behörden in Schweden und Finnland. Die Katastrophenschutzbehörde dürfte so unter anderem die Hürden senken wollen, sich überhaupt vorzubereiten.
Das BBK geht mit seinem Appell bei t-online heute nur einen Schritt. Info-Materialien und Broschüren werden auch im eigenen Haus gerade überarbeitet. Wichtig und notwendig ist das, die obersten Warner und Dirigenten in der Krise müssen selbst auf dem neuesten Stand sein. In der Hochwasserkatastrophe 2021 war ihnen das nicht gelungen, hier stand die Behörde stark in der Kritik.
Ein entscheidender Vorteil ist: Ob Hochwasser oder Stromausfall – die Anleitungen für den Notfall, die Vorratspakete und wichtige Ansprechpartner bleiben gleich. Sich vorzubereiten, theoretisch im Kopf und ganz praktisch im Haushalt, bedeutet gewappnet zu sein für jede Lage. Nur für den Fall.
AfD-Skandalpolitiker Krah will in den Bundestag
Eine weitere Folge einer zu schonenden Kommunikation mit Blick auf die hybride Kriegsführung des Kremls: Man kann sich leicht falsche Freunde einbilden. Gern träumt man hierzulande, lieber noch als anderswo, von einem engen und guten Verhältnis zu Russland, wie es früher einmal war. Nicht nur geduldet, sondern sogar beklatscht und verstärkt gewählt werden von einem Teil der Bevölkerung Mandatsträger, die ideologisch wie geografisch Putins Nähe suchen. Ganz vorne mit dabei: AfD-Politiker, von denen es zahlreiche gibt, die regelmäßig in Russland Hände schütteln.
Der für sein hervorragendes Verhältnis zu dubiosen prorussischen Netzwerken bekannte AfD-Europaparlamentarier Maximilian Krah will es nun im Bundestag versuchen. In einer Aufstellungsversammlung wurde der ehemalige Spitzenkandidat für die EU-Wahl am Mittwochabend als Direktkandidat der AfD für den sächsischen Wahlkreis Chemnitzer Umland – Erzgebirgskreis II gewählt. Mein Kollege Marvin Graewert war bei der Versammlung in Rochlitz dabei. Er wird die wahnwitzigen Wendungen des Abends und ihre Hintergründe ausführlich beschreiben.
So viel aber vorweg: Krah zierte sich erst und trat in der ersten Runde gar nicht an. Nach viel Murren im Saal und einer misslungenen Stichwahl zwischen zwei anderen Kandidaten aber ging er doch ins Rennen – und wurde mit 46 von 79 Stimmen gewählt. Wer Krahs Popularität in der AfD und sein Talent fürs Organisieren von Stimmen kennt, vermutet da gezielte Strategie. Schließlich wirkt er jetzt wie einer, der von seinem Wahlkreis gerufen wurde – und diesem Ruf aus gänzlich uneigennützigen Motiven folgt.
Die AfD-Spitze in Berlin dürfte diese Aufstellung ganz und gar nicht gefallen. Krah nämlich bedeutet mit seinen Skandalen einerseits Ärger. Und in der Partei, die Ärger liebt, auch starke Konkurrenz.
Was steht an?
Thüringer Landtag will neuen Ministerpräsidenten wählen: Thüringens CDU-Chef Mario Voigt will neuer Regierungschef werden und ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD anführen. Die sogenannte Brombeer-Koalition aber hat 44 der 88 Sitze im Landtag – und damit keine eigene Mehrheit. In den ersten beiden Wahlgängen benötigt Voigt jedoch die absolute Mehrheit von 45 Stimmen, erst im dritten Wahlgang reicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Befürchtet werden taktische Spiele der AfD, ähnlich wie bei der Wahl von FDP-Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich 2020, die zu einer historischen Regierungskrise führte.
Ministerpräsidenten tagen in Berlin: Die Länderchefs besprechen sich unter anderem zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland, zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und zur einfacheren Anerkennung von Berufsabschlüssen von Fachkräften aus dem Ausland. Den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz hat derzeit Sachsens Michael Kretschmer (CDU) inne. Ab 14 Uhr soll er mit seinem Amtskollegen Alexander Schweitzer (SPD) aus Rheinland-Pfalz vor die Kameras treten.
Treffen von EU-Außenministern: Auch die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Polens, Italiens, Spaniens, Großbritanniens und der Ukraine treffen sich in Berlin. Bei ihnen liegt der Fokus auf den Krisenherden Syrien und Ukraine.
Urteil im Prozess um tödliche Polizeischüsse soll kommen: Ein 16-Jähriger aus dem Senegal war im August 2022 auf dem Gelände einer Jugendhilfeeinrichtung erschossen worden. Fünf Polizisten stehen deswegen in Dortmund vor Gericht. Der Fall aber ist kompliziert, auch die Staatsanwaltschaft änderte in dem monatelangen Prozess ihre Einschätzung. Heute soll das Urteil fallen.
Das historische Bild
Der Amerikanische Bürgerkrieg endete 1865, fünf Jahre später zog ein Afroamerikaner ins Repräsentantenhaus ein. Mehr lesen Sie hier.
Lesetipps
Kanzler Olaf Scholz will, dass ihm der Bundestag am Montag das Vertrauen entzieht. Dann soll es Neuwahlen geben. Klingt nach einem einfachen Plan. Doch die AfD hat der Rest-Ampel Kopfzerbrechen bereitet, berichten Sara Sievert und Johannes Bebermeier.
Ende 1944 war der Krieg für Nazi-Deutschland längst verloren, Adolf Hitler wollte es aber nicht wahrhaben. Mit der Ardennenoffensive setzte der Diktator noch einmal alles auf eine Karte. Der Angriff wurde zum Desaster, wie mein Kollege Marc von Lüpke schreibt.
Zum Schluss
Ich wünsche Ihnen einen störungsfreien Donnerstag! Morgen schreibt Florian Harms wieder für Sie.
Herzlichst
Ihre Annika Leister
Politische Reporterin im Hauptstadtbüro von t-online
X: @AnnLei1
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Mit Material von dpa.