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Nordkorea und Russland: Putin und Kim Jong Un schmieden teuflischen Pakt


Tagesanbruch
Diktatoren schmieden teuflischen Pakt

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 05.12.2024Lesedauer: 7 Min.
Putin (M.) und Kim Jong-un (mit Übersetzer) in Pjöngjang Mitte Juni.Vergrößern des Bildes
Putin (M.) und Kim Jong Un (mit Übersetzer) in Pjöngjang, Mitte Juni. (Quelle: imago images)
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Bevor wir uns in die Weltpolitik stürzen, habe ich eine Bitte: Könnten Sie rasch Ihre persönlichen Beziehungen nach Korea überprüfen?

Wie, Sie schütteln den Kopf? Sie kennen dort niemanden? Dann schauen Sie doch bitte mal in Ihrer Hosentasche nach (Handtasche geht auch). Soso, das Handy ist also von Samsung. Aber auch in den Geräten anderer Hersteller stecken jede Menge Komponenten aus Südkorea. Bei Elektronik, Bildschirmen und Computern kommt man um das asiatische Land kaum herum, aber nicht nur dort: Der Katalog reicht von K-Pop bis Kosmetik, vielleicht parkt vor Ihrer Haustür auch ein Auto von Hyundai.

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Was sich in Südkorea auf den Weg macht, kommt bei uns zu Hause an. In der Politik ist das nicht anders. Immer enger hat sich die angespannte Lage auf der koreanischen Halbinsel mit der unseren verbandelt: Ein unsichtbares Band verknüpft den Krieg in Europa mit dem atomwaffenbestückten Drahtseilakt am anderen Ende der Welt. Waffen und militärisches Know-how fließen zwischen den Konfliktherden hin und her, in beide Richtungen.

Nordkoreanische Soldaten werden auf Putins Seite gegen ukrainische Truppen in Stellung gebracht. Eine Flut von Granaten und Raketen aus Pjöngjangs Beständen kommt hinzu und hat dem russischen Aggressor einen mächtigen Vorsprung bei der Feuerkraft beschert. Waffenhilfe aus Südkorea wiederum kommt auf indirekten Wegen der Ukraine zugute: Sie füllt amerikanische Munitionsbestände auf und macht damit den Weg für zusätzliche US-Lieferungen an die Ukraine frei. Zwar hält das Engagement Seouls nicht mit dem des nördlichen Bruder-Feindes mit, doch die Konfrontation der Systeme auf der koreanischen Halbinsel ist in Kursk und im Donbass um eine Front reicher geworden.

Noch heikler allerdings ist das, was sich in die andere Richtung auf den Weg macht. Gestern prangerte Nato-Generalsekretär Mark Rutte Putins Unterstützung für das nordkoreanische Nuklearprogramm an: das Dankeschön des Kremls für die tödliche Hilfe aus Fernost. Fortschritte bei der Raketentechnik, mit Know-how aus Russland, machen Pjöngjangs Waffen jetzt gefährlicher als je zuvor.

Am 30. Oktober testete das ehemals isolierte, jetzt mit Putins Freundschaft gesegnete Nordkorea eine Interkontinentalrakete, deren Flugdauer alles zuvor Dagewesene übertraf. Das amerikanische Festland, dessen Westküste schon zuvor in Reichweite lag, ist damit noch ein Stück tiefer in den Orbit der nordkoreanischen Atomwaffen gerückt. Die verwendete Technik macht es zugleich schwieriger, die Vorbereitungen für einen Abschuss im Vorfeld zu entdecken und ihm zuvorzukommen. Diktator Kim Jong Un wollte den Test als Kommentar zu den Entwicklungen im fernen europäischen Krieg verstanden wissen. Den Einsatz seiner Truppen dort hatten die USA und Südkorea scharf verurteilt. Stunden später hob die Interkontinentalrakete ab.

Es wäre schon beunruhigend genug, dass der verschrobene Alleinherrscher seine Fähigkeit ausbaut, einen globalen Nuklearkrieg zu entfesseln. Mittlerweile glauben Kenner Nordkoreas jedoch einen noch gefährlicheren Trend zu erkennen: Die Anzeichen dafür, dass Kim Jong Un einen strategischen Kurswechsel eingeleitet hat, verdichten sich allmählich zur Gewissheit. Nach dieser Lesart ist in Pjöngjang die Entscheidung gefallen, sich auf den Kriegspfad zu begeben und die militärische "Lösung" des schwelenden Dauerkonflikts mit Seoul vorzubereiten.

Krieg in Korea? Obwohl im Süden zur Abschreckung mehr als 28.000 US-Soldaten stationiert sind? Es klingt absurd – aber nur, bis man sich das Szenario konkreter vor Augen führt. Sollte Kim den Schritt wagen und die verhasste Demokratie jenseits der Demarkationslinie überfallen, so wie Putin es in der Ukraine vorgemacht hat, wird auch er das mit einer Drohung begleiten: nämlich Nuklearwaffen gegen jeden zum Einsatz zu bringen, der auf der Seite Südkoreas militärisch interveniert. Glaubwürdig ist das selbst für Washington. Die Reichweite seiner Raketen ist groß genug. Kalkuliert Kim mit der lähmenden Wirkung dieses Albtraumszenarios, könnte er einen schnellen Enthauptungsschlag versuchen. Der Amtssitz des südkoreanischen Präsidenten im Zentrum von Seoul liegt keine 40 Kilometer von der Grenze entfernt.

Die Indizien für finstere Pläne häufen sich. Das erklärte Ziel einer friedlichen Wiedervereinigung hat der Diktator im Januar höchstpersönlich abgeräumt, Straßen und Bahngleise in den Süden sprengen lassen, die Verfassung geändert und darin die andere Hälfte der geteilten Nation zum Feindesstaat erklärt. Die nordkoreanische Propaganda hat begonnen, die Bevölkerung zu Vorbereitungen auf einen revolutionären Krieg anzutreiben. Auch die Erwähnung einer gemeinsamen koreanischen Identität ist aus dem Wortschatz des Apparats verschwunden. Die Verwandten auf der anderen Seite der Grenze sollen keine Landsleute mehr sein, sondern ein legitimes Ziel militärischer Gewalt.

In der Zwischenzeit sammeln Kims Soldaten und Kommandeure in der Ukraine unschätzbare, wenn auch blutige Erfahrungen auf einem modernen Schlachtfeld. Die beiden Diktatoren haben ihr Bündnis mit einem gegenseitigen Beistandspakt geadelt, der zurzeit Putin zugutekommt, aber für den Fall eines Krieges auf der koreanischen Halbinsel auch Kim massive russische Militärhilfe zusichert, bis hin zum Einsatz russischer Truppen.

Die Risiken und Nebenwirkungen dieser Allianz sind gewaltig. Bisher war Kim Jong Un auf Gedeih und Verderb vom großen Bruder Xi Jinping in Peking abhängig. Das ist vorbei. Chinas Einfluss ist gesunken, was in diesem Fall keine gute Nachricht ist. Einen Krieg direkt vor der eigenen Haustür, bei dem die Amerikaner mitmischen und nukleare Eskalation droht, hat Xi verhindern wollen. Dass Putin seinen neu gewonnenen Einfluss im selben Sinne nutzt, glaubt hingegen niemand. Die Verschiebung der Grenzen durch Krieg und die unverhohlene Drohung, Atomwaffen einzusetzen, sind für ihn kein Grund, die Augenbrauen hochzuziehen, sondern gehören zu seinem Standardrepertoire.

Es ist dieses Gesamtgemälde, das dem Drama, das sich seit Dienstag auf der anderen Seite der Grenze entfaltet, seine eigentliche globale Bedeutung verleiht. Denn Südkoreas Politik steht Kopf. Präsident Yoon Suk Yeol hat sich an einem Staatsstreich versucht: Buchstäblich über Nacht rief er das Kriegsrecht aus, um das Parlament zu entmachten, politische Versammlungen zu verbieten und ungehemmt durchregieren zu können. Niemand hat das kommen sehen. Hinter sich hatte er dabei nicht einmal seine eigenen Parteigänger. Schock und Aufruhr verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Noch vor dem Morgengrauen war sein Griff nach der unbeschränkten Macht gescheitert. Doch die Erschütterung hält an, denn der Möchtegern-Putschist ist noch im Amt. Das Amtsenthebungsverfahren läuft erst an und wird in Seoul zu monatelangen Machtkämpfen führen.

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Südkorea befindet sich ohne Vorwarnung in der tiefsten innenpolitischen Krise seit Jahrzehnten. Eine Schlüsselnation für die Sicherheit in Asien fällt damit in die Beschäftigung mit sich selbst zurück. In Europa sieht es nicht besser aus: Frankreich taumelt in eine Regierungskrise, Deutschland ist bis nach der Wahl auch kaum handlungsunfähig. Trump trifft in der Weltpolitik ein und betritt einen halb leeren Saal. Er wird gefährlich viel Spielraum haben, auch auf der koreanischen Halbinsel. Dort steht für die Welt viel – vielleicht alles – auf dem Spiel.


Gedenken

Falls Sie gestern Morgen den Tagesanbruch über die Tragödie in Syrien gelesen haben, kennen Sie die Bilder von Anas Alkharboutli: Angriffe auf Krankenhäuser und Flüchtlingslager, Kämpfer und verzweifelte Zivilisten. Gestern Abend kam die Nachricht: Der Fotograf ist bei einem Angriff von Kampfjets getötet worden. Dieser Krieg ist ein Verbrechen.


Was steht an?

Zu den größten Enttäuschungen der Ampelregierung zählt der vernachlässigte Wohnungsbau. Beim Wohngipfel der Bundesregierung will Bauministerin Klara Geywitz (SPD) heute noch mal Geschäftigkeit simulieren, aber Ergebnisse sind nicht zu erwarten. Weil viele Menschen sich die gestiegenen Mieten in Großstädten nicht mehr leisten können und statt Sozialwohnungen vor allem Luxusimmobilien gebaut werden, rufen Mietervereine heute zu Protestkundgebungen; in Berlin und Hamburg sind Demonstrationen geplant. Warum das Problem so dringend ist, beschreibt der Geschäftsführer des Hamburger Mietervereins.


Welche Verantwortung trägt die damalige Bundesregierung am überstürzten Bundeswehr-Abzug aus Afghanistan vor drei Jahren? In der öffentlichen Sitzung des Bundestagsuntersuchungsausschusses werden Altkanzlerin Angela Merkel und ihr damaliger Kanzleramtschef Helge Braun als Zeugen angehört.


Bekommt der Bundestag trotz geplatzter Ampelkoalition noch Gesetze zustande? Heute werden im Parlament die fraktionsübergreifenden Entwürfe zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs und zur Widerspruchslösung bei Organspenden beraten.


Auf Malta beginnt das Außenministertreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Für Russland nimmt voraussichtlich Putins Propagandabotschafter Sergej Lawrow teil. Es wäre das erste Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, dass er in ein EU-Land reist.


In Paris berät die Internationale Energieagentur über die Auswirkungen Künstlicher Intelligenz. Hochrangige Teilnehmer von Staaten und Firmen diskutieren darüber, wie die bahnbrechende Technologie die globale Energieproduktion revolutionieren könnte.


Ohrenschmaus

Angesichts des VW-Dramas finde ich: Die Leistung von Arbeitern sollte stärker gewürdigt werden. John Lennon fand das auch.


Lesetipps

Frankreichs Regierung ist durch ein Misstrauensvotum zu Fall gebracht worden, das Land stürzt ins politische Chaos. Schuld ist daran nur einer, kommentiert mein Kollege David Schafbuch.


Junge Männer werden in Discos festgenommen und direkt an die Front gekarrt: Weil Putin die Soldaten ausgehen, drangsaliert er immer brutaler auch die russische Bevölkerung. Die Folgen sind dramatisch, schreibt mein Kollege Patrick Diekmann.


Die Hinweise auf ein Ende der heißen Kriegsphase in der Ukraine mehren sich. Wäre damit wieder alles gut? Mitnichten. Europa muss sich schleunigst für einen Krieg mit Russland rüsten, meint unser Kolumnist Christoph Schwennicke.


Putin, Trump, China: Wie kann sich Europa trotz des Zerfalls der alten Weltordnung behaupten? Der renommierte Politologe Herfried Münkler erklärt es im Interview mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.


Zum Schluss

Motivation ist der Schlüssel zum Erfolg.

Herzliche Grüße und bis morgen

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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