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Wirbelstürme "Milton" und "Helene": So treibt Trump seine Konkurrenz vor sich her


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Tagesanbruch
Sein Plan geht auf

  • David Schafbuch
MeinungVon David Schafbuch

Aktualisiert am 09.10.2024Lesedauer: 7 Min.
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Donald Trump: Der ehemalige Präsident verbreitet Lügen über das Krisenmanagement der US-Regierung. (Quelle: Brett Johnsen/imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

mit Naturkatastrophen und Politikern ist es kompliziert. Zum einen muss jeder, egal ob Bürgermeister, Landrat, Ministerpräsident oder Bundeskanzler, schnell reagieren, um den Betroffenen möglichst umfangreich zu helfen. Zum anderen ist es damit alleine nicht getan: Auch die Inszenierung, die Worte und Bilder zu den Entscheidungen können Karrieren von Politikern prägen – positiv wie negativ.

Die Beispiele sind hinlänglich bekannt. Gerhard Schröder konnte sich 2002 bei der Hochwasserkatastrophe in Sachsen als Macher präsentieren und damit möglicherweise seine Wiederwahl als Bundeskanzler sichern. Armin Laschet reichte nach der Flut im Ahrtal ein kurzes Lachen im falschen Moment, um sich im Wahlkampf 2021 auf die Verliererstraße zu begeben.

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Ähnliches passiert auch in den USA – nur ist dort eben alles etwas größer. Vor rund eineinhalb Wochen kamen durch den Hurrikan "Helene" mehr als 200 Menschen in sechs Bundesstaaten ums Leben. Er ist schon jetzt einer der tödlichsten Wirbelstürme, die das Land in den vergangenen 50 Jahren erlebt hat.

Für viele Menschen ist die Katastrophe noch nicht vorbei. Am Mittwoch soll ein weiterer, noch schwererer Wirbelsturm mit dem Namen "Milton" auf die Küste von Florida treffen. Die Warnung der Bürgermeisterin der Stadt Tampa, Jane Castor, konnte im Vorfeld kaum drastischer sein: "Ich kann ohne jegliche Dramatisierung sagen: Wenn Sie sich dafür entscheiden, in einem der Evakuierungsgebiete zu bleiben, werden Sie sterben", sagte Castor dem Sender CNN.

"Helene" und "Milton" waren und sind nicht nur eine Bedrohung für die Existenz und das Leben vieler US-Amerikaner. Sie haben auch das Potenzial, die US-Präsidentschaftswahl knapp einen Monat vor der Abstimmung entscheidend zu beeinflussen. Einige der betroffenen Gebiete befinden sich in den besonders umkämpften Swing States – also jenen Staaten, in denen beide Parteien gute Chancen haben zu gewinnen; und Donald Trump nutzt die Stürme gerade dazu, seine politische Konkurrenz vor sich herzutreiben.

Die Liste der Lügen, die Trump über den Umgang der Regierung mit "Helene" verbreitet, ist lang. Zunächst warf er Biden vor, er habe auf Anrufe des Gouverneurs von Georgia, Brian Kemp, nicht reagiert. Tatsächlich sagte Kemp, wie Trump übrigens Republikaner, er habe sehr wohl mit dem Präsidenten gesprochen. Allerdings habe Biden ihn zuerst nicht erreichen können.

Darüber hinaus verknüpfte Trump die Hurrikan-Katastrophe mit seinem Lieblingsthema: der Migration. Der Ex-Präsident behauptete etwa, die Biden-Regierung habe Gelder der Katastrophenschutzbehörde Fema genutzt, um damit illegal eingereisten Migranten Unterkünfte zu bezahlen. Diese habe die Regierung ins Land geholt, damit sie am 5. November für die Demokraten stimmen sollen. Rechte Schreihälse wie der X-Besitzer Elon Musk griffen solche Lügen dankend auf.

Es sind Behauptungen, die nicht weiter von der Realität entfernt sein könnten. Wer keinen US-amerikanischen Pass besitzt, fällt als Wähler im November selbstverständlich aus. Noch perfider ist allerdings: In seiner Zeit als Präsident war es Trump selbst, der Gelder für den Katastrophenschutz abgezweigt hatte, um sie für den Grenzschutz zu nutzen. Umgerechnet etwa 35 Millionen Euro hatte seine Regierung 2019 im Spätsommer dafür umgeschichtet – mitten in der US-Hauptsaison für Wirbelstürme.

Die Liste der Lügen geht noch weiter. Der Ex-Präsident sprach etwa davon, dass jedes Hurrikan-Opfer nur mit einer Entschädigung von umgerechnet 680 Euro rechnen könne. Tatsächlich kann der Staat im Extremfall fast 39.000 Euro an Betroffene auszahlen. Auch behauptete er, dass im Krisenstaat North Carolina keine Rettungshubschrauber im Einsatz seien. Dabei gab es weit mehr als einhundert Rettungsflüge. Im Nachgang des Hurrikans wurden 300 Prozent mehr Flüge über dem Bundesstaat registriert.

Sie merken es vielleicht: Ich muss hier erst einmal eine ganze Menge erklären, um die falschen Behauptungen von Trump halbwegs aufzudröseln. Dem Weißen Haus geht es dabei nicht anders. Am Wochenende veröffentlichte es eine Mitteilung, in der zahlreiche Trump-Lügen widerlegt wurden. "Führende Persönlichkeiten aus dem ganzen Land, darunter Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker beider Parteien, appellieren an die Menschen, "diesen Schrott nicht mehr zu teilen", heißt es wortwörtlich.

Das Verhältnis von Lügen und Fakten in der Politik ist ein ewiges Hase und Igel-Rennen. Die Lüge ist leicht in die Welt gesetzt, ihre Entlarvung hat es meist ungleich schwerer, sich zu verbreiten.

Im Falle von Trump bedeutet das: Er kann mit seinen Unwahrheiten immer wieder angreifen, während die politische Konkurrenz auf ihn reagieren muss. Und obwohl auch zahlreiche Medien seit Jahren versuchen, Trumps Unwahrheiten aufzuklären, fragt man sich trotzdem immer wieder: Wie viele Wähler machen sich die Mühe, die Faktenchecks überhaupt noch nachzulesen?

Ein solches Meer aus Lügen führt aber auch dazu, dass deutlich wichtigere Fragen in den Hintergrund treten. Die "New York Times" berichtete etwa zuletzt, dass die US-Katastrophenschutzbehörde Fema mit großem Personalmangel zu kämpfen hat. Aktuell seien etwa nur noch 9 Prozent des Personals für weitere Einsätze wie etwa dem sich nähernden Hurrikan "Milton" verfügbar. In den vergangenen Jahren seien die Reserven höher gewesen, trotz ähnlich hoher Belastung zu diesem Zeitpunkt im Jahr. Laut Bericht waren im vergangenen Jahr zudem 35 Prozent der Stellen in der Behörde unbesetzt. Der Schwund erkläre sich teilweise dadurch, dass durch die hohe Belastung immer mehr Mitarbeiter ausgebrannt seien und die Behörde verließen.

Klimaforscher warnen zudem davor, dass es in Zukunft häufiger zu Katastrophen kommen könnte. Was das für eine personell geschwächte Katastrophenschutzbehörde bedeutet, möchte man gerne wissen. Würde Trump einen seriösen Wahlkampf führen und nicht den menschengemachten Klimawandel infrage stellen, könnte er ernsthaft und faktenbasiert die aktuelle Regierung kritisieren. Aber er müsste eben auch sagen, welche Lösung er stattdessen anbietet.

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Um solche Fragen geht es aber gerade nicht. Trump hatte sich in der vergangenen Woche auch damit gebrüstet, vor Biden und Harris in die Katastrophengebiete gereist zu sein. Eine ähnliche Diskussion hätte auch in den kommenden Tagen gedroht: Eigentlich wurde Joe Biden am Donnerstag in Berlin erwartet. Doch aufgrund des Hurrikans hat er die Reise nun kurzfristig verschoben.

Auch wenn Trumps Konkurrentin mittlerweile Kamala Harris heißt: Ein US-Präsident im Ausland wäre bei einer schweren Naturkatastrophe natürlich eine Steilvorlage für Trump gewesen. Die nächsten Tage sollten Biden und Harris besser keine Fehler machen. Es wäre gleichermaßen wichtig für die Bewohner von Florida, aber auch für die Kampagne der Demokraten.


Ein Freispruch und viele offene Fragen

Christian B. sitzt wegen einer Vergewaltigung bereits eine mehrjährige Haftstrafe ab. In Braunschweig war er wegen fünf Sexualdelikten angeklagt. In drei Fällen ging es um Vergewaltigungen, in zwei Fällen um den sexuellen Missbrauch von Kindern. Gestern wurde er von allen Anklagepunkten freigesprochen. Die Beweise hätten nicht ausgereicht, zum Teil hätten die Zeugen bewusst gelogen, heißt es in der Urteilsverkündung.

Der Angeklagte sei "enorm vorverurteilt" worden, hieß es nach dem Freispruch von der Vorsitzenden Richterin. B. sei in den Medien "als Sexmonster und Kindermörder stilisiert worden". Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht: Die Staatsanwaltschaft hat bereits Revision angekündigt. Sie hatte zuvor eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung für den mehrfach vorbestraften Sexualstraftäter gefordert.

Internationale Aufmerksamkeit erhielt der Fall, weil B. auch verdächtigt wird, das seit 2007 verschwundene Mädchen Maddie McCann ermordet zu haben. Das gestrige Urteil steht damit allerdings nicht im Zusammenhang. Die Ermittlungen laufen weiter, eine Anklage gibt es bisher aber nicht. Zu all den Vorfällen hat sich Christian B. bisher nicht öffentlich geäußert. Stand heute dürfte er spätestens 2026 wieder freikommen. Es gilt die Unschuldsvermutung.


Was steht an?

Gedenken nach antisemitischem Terror: Heute vor fünf Jahren wollte ein Rechtsextremist in Halle eine Synagoge stürmen. Vor dem Gotteshaus tötete er zwei Menschen. Bei der heutigen Gedenkveranstaltung wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet.


Wissing und Faeser im Fragenhagel: Der Verkehrs- und die Innenministerin stellen sich heute im Bundestag den Fragen der Abgeordneten.


Schlagabtausch vor der Kamera: Weit links gegen weit rechts – oder doch gar nicht so weit voneinander entfernt? Das wird sich heute wohl beim TV-Duell (18 Uhr, Welt) zwischen AfD-Parteichefin Alice Weidel und BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht zeigen.


Der nächste Gewinner: Wer wird heute mit dem Nobelpreis ausgezeichnet? Der Gewinner in der Kategorie Chemie wird um 11:45 Uhr bekannt gegeben.


Ohrenschmaus

Beim Schreiben schien mir gestern die schöne Herbstsonne ins Gesicht. Deshalb gibt es für Sie heute eine Ode an die Sonne.


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Zum Schluss

Ein Männlein steht im Walde...

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Mittwoch. Morgen schreibt für Sie Christine Holthoff.

Herzliche Grüße

Ihr

David Schafbuch
Stellvertretender Ressortleiter Politik & Wirtschaft
X: @Schubfach
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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