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Ken Jebsens Flucht ins Ausland: Spur von Ex-YouTube-Star führt nach Zypern


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Briefkastenfirmen und Strohmänner
Ken Jebsens Flucht aus Deutschland


Aktualisiert am 09.10.2024Lesedauer: 6 Min.
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Kayan Soufi-Siavash alias "Ken Jebsen": Der Verfassungsschutz hat ihn wohl weiter im Visier. Seine Spur führt auf eine Mittelmeerinsel. (Quelle: S. Gottschalk/imago-images-bilder)

"Ken Jebsen" war einer der einflussreichsten YouTuber Deutschlands. Dann bekam er Probleme mit dem Videoportal, der Medienaufsicht – und dem Verfassungsschutz. Das Geschäftsmodell hat er nun in undurchsichtige Steueroasen verlagert.

Er war nie weg und ist es doch irgendwie noch immer. Kayvan Soufi-Siavash geht wieder auf Deutschlandtour. In bislang noch geheimen Sälen will er die "Macht der Propaganda" aufdecken und wie Kryptowährungen seinen Freiheitskampf unterstützen können.

Nur wer ein Ticket erwirbt, erfährt den Veranstaltungsort. Und wer sich wundert, wozu die Geheimniskrämerei, der kennt Soufi-Siavash möglicherweise lediglich unter seinem Künstlernamen: "Ken Jebsen".

Öffentlicher Absturz

In der Corona-Krise erreichte der ehemalige Radiomoderator mit erratischen Videos seines Portals "KenFM" über YouTube Millionen von Zuschauern. Seine Themen waren die vermeintlich ganz großen Verschwörungen: Zwangsimpfungen, geheime Chips im Blut, die Reduktion der Weltbevölkerung, die Versklavung der Menschheit.

Bei vielen verunsicherten Menschen fanden solche Mythen damals Anklang. Seine guten Beziehungen zu russischen Propaganda-Sendern taten ihr Übriges zum Erfolg.

Doch Ende 2020 war es weitgehend vorbei mit der Stimmungsmache. "KenFM" geriet in schwieriges Fahrwasser: YouTube sperrte den reichweitenstarken Kanal mit rund 500.000 Abonnenten, weil er Falschinformationen über Corona verbreitete. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg leitete Verfahren wegen Verstößen gegen journalistische Sorgfaltspflichten ein. Medien berichteten schließlich, nun habe auch der Verfassungsschutz "Jebsen" auf dem Schirm. Angeblich wurde seinem Portal damals das Bankkonto gekündigt.

Flucht ins Ausland

In der Folge wurde es still um Soufi-Siavash. Bei seinem "KenFM"-Nachfolgeportal "Apolut" hielt er sich als Gesellschafter und Markeneigner der zugehörigen GmbH zeitweilig im Hintergrund und überließ das operative Geschäft zumindest vorgeblich engen Vertrauten. Immer wieder hieß es, er habe das Land verlassen. Nun wagt der Mann, der als "Ken Jebsen" bekannt war, sich wieder aus der Deckung. Wenn auch nur zum Teil.

Seit etwa einem Jahr dient ein Internetportal namens "Soufisticated" Soufi-Siavash unter seinem wahren Namen als neue Plattform für seine Videos. Regelmäßig stellt er dort neue Clips online, in denen er Einblick in seine innere Verfasstheit und politische Ansichten gibt. Eine jüngere davon: auf alle Fälle AfD zu wählen – womit sich Kritiker bestätigt fühlen dürften, die ihm seit jeher unterstellten, mit seiner Arbeit hauptsächlich demokratieverachtende Positionen fördern zu wollen.

Steueroasen und YouTube-Sperre

Die neue Offenheit hat allerdings Grenzen: Laut Recherchen von t-online versteckt Soufi-Siavash die Plattform und neuerdings auch das Internetportal "Apolut" hinter Briefkastenfirmen in Steueroasen. Ein unübersichtliches Geflecht aus Unternehmen und einem Verein soll offenbar die Eigentümerstrukturen und Finanzströme verschleiern.

Es hat möglicherweise dazu beigetragen, dass "Ken Jebsen" nach seiner Sperrung kurzzeitig wieder auf YouTube senden durfte. Bis vor wenigen Tagen bespielte er für einige Wochen einen zugehörigen Kanal mit den Inhalten.

Fragen von t-online hat er dazu nicht beantwortet. YouTube hingegen schon: Zwei Tage nach einer Presseanfrage an das Videoportal sperrte YouTube Soufi-Siavashs neuen Kanal. "Der Kanal @soufisticated_official wurde gekündigt", sagte ein Sprecher t-online. Es verstoße gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Sperrung eines Kanals durch einen weiteren Kanal zu umgehen.

Die Annahme liegt nahe, dass das Versteckspiel nicht nur Teil von Soufi-Siavashs Flucht vor den strengen Regeln der Videoplattform ist. Auch Regulierungsbehörden und Verfassungsschutz, der ihn angeblich weiter im Auge haben soll, dürften es nämlich nicht ganz leicht haben, die Verantwortlichen für die neuen Angebote auszumachen – auch wenn Soufi-Siavash seit Jahren die zugehörigen Markenrechte hält.

Ein Strohmann namens Z.

Die Suche nach dem Meinungsmacher beginnt bei einem älteren Mann namens Z. in Brandenburg. Mit "Ken Jebsen" hat er eigentlich nichts zu tun, wäre da nicht seine Unterschrift für die Behörden.

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Auf dem Papier ist Z. der Generaldirektor der Competent Content LLC, die Soufi-Siavashs neues Portal "Soufisticated" vermeintlich von Wyoming in den USA aus betreibt. Aber eben nur auf dem Papier: Z. ist ein professioneller Strohmann, der den Posten wie in Hunderten anderen solcher Fälle gegen Honorar übernommen hat.

Verschwiegene Dienstleister

Mit dem operativen Geschäft hat Z. ungeachtet seines Postens nichts zu tun. Und schon gar nicht arbeitet er an der Adresse, die die Competent Content LLC in München als Postadresse angibt. Dort sitzt vielmehr das deutsche Unternehmen, das Z. für seine Unterschriften bezahlt. Im Grunde bietet es die Gründung von Briefkastenfirmen in Wyoming an, und zwar "ohne Betriebsstätte, Vermögen und Geschäftstätigkeit" dort.

Die Vorteile für Leute wie "Ken Jebsen" liegen auf der Hand: "Die Namen der Gesellschafter müssen im Handelsregister nicht veröffentlicht werden", heißt es in der Werbung des Unternehmens. Und weiter: "Bilanzen müssen in den USA nicht eingereicht werden, die Enteignung einer US LLC (...) ist schlicht nicht möglich." Vor unliebsamen Anfragen von Journalisten schützen Verschwiegenheitsverpflichtungen des Münchner Dienstleisters.

Die Spur nach Zypern

Der wiederum stellt nicht nur für die Competent Content LLC die Postadresse, sondern auch für den gleichnamigen Verein "Soufisticated", der sich auf der Homepage vorstellt und der die Plattform eigentlich finanzieren soll, wie Soufi-Siavash am Mittwoch in einem Video sagte. Mit ihm selbst und zwei "Apolut"-Angestellten im Vorstand vertreibt der Verein auch die Tickets für die Deutschland-Tournee. Für den gleichnamigen YouTube-Kanal waren angeblich aber weder Briefkastenfirma noch Verein verantwortlich. Der sei "ganz privat", hieß es vor der Sperrung in der Kanalbeschreibung.

Das alles wirkt reichlich verworren, scheint bei Soufi-Siavash aber zum Programm zu gehören. Denn auch das "KenFM"-Nachfolgeportal "Apolut", wo er angeblich zuletzt nur eine Beraterrolle einnahm, greift mittlerweile auf ähnliche Konstrukte zurück. Nachdem die bisherige Betreibergesellschaft Apolut GmbH im Februar angeblich das Konto bei der Volksbank Pirna verloren hat, sind Bankverbindung und gleich das ganze Geschäftsmodell nun nach Zypern ausgelagert worden.

Seit rund zwei Monaten ist die dortige Apolut Creatives Limited für die Homepage und ihre Inhalte verantwortlich. Erneut ist das natürlich eine Briefkastenfirma, aber: Soufi-Siavash tritt laut t-online vorliegenden Registerunterlagen in der neuen Gesellschaft als Geschäftsführer auf und hat sich dafür höchstwahrscheinlich einen Wohnsitz auf der Mittelmeerinsel zugelegt.

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"Ein echter Lebensmittelpunkt"

Diese Annahme legt jedenfalls der im zyprischen Handelsregister eingetragene Unternehmenssekretär W. nahe. Bei ihm handelt es sich um einen deutschen Berater, der derlei Gründungen anbietet. Und Soufi-Siavash hat anscheinend Ratschläge befolgt, wie sie W. in Werbevideos seinen potenziellen Kunden gibt.

Dazu gehört, sich eine kleine Homepage für die Limited zuzulegen, am besten mit E-Mail-Adresse, die es erleichtere, ein Bankkonto in Zypern einzurichten. Eine solche Homepage mit vagen Angaben zur Geschäftstätigkeit existiert tatsächlich – die E-Mail-Adresse führt allerdings ins Nichts, es gibt keinerlei Verweis auf die tatsächliche "Apolut"-Homepage.

Besonders wichtig sei aber laut W. "ein echter Lebensmittelpunkt" auf Zypern, was bedeute: eine Wohnsitzanmeldung mit ständig zur Verfügung stehender Wohnung und mindestens 60 Tagen Aufenthalt im Jahr.

Sommer, Sonne, Verfassungsschutz

Und tatsächlich erzählte Soufi-Siavash Mitte April in einem Videointerview mit einem Weggefährten: Er lebe seit dreieinhalb Jahren aus Koffern, sei in Österreich gewesen, sei in Schweden gewesen. "Jetzt bin ich noch weiter draußen. Ich bin jetzt auf einer Insel, wo ich mir morgens nicht überlegen muss, was ich anziehen muss, sondern T-Shirt." Mit dem Flugzeug gehe das schnell. "Braucht knapp vier Stunden, da pendel' ich jetzt ein bisschen."

Die Angaben entsprechen recht genau einem Nonstop-Flug von Berlin nach Larnaka auf Zypern, wo seine neue Gesellschaft registriert ist. Das Interview fand eine Woche nach Gründung der Apolut Creatives Limited statt. Das dürfte möglicherweise auch den Verfassungsschutz interessieren – jedenfalls, wenn die Behauptungen stimmen, die Soufi-Siavashs Interviewpartner damals aufstellte.

"Was ich hier habe in Kopie ist ein Schreiben des Geheimdienstes Brandenburg (...) und die schreiben hier an alle möglichen Kollegen, Bekannte, Arbeitskollegen von Dir, betreffend Erkenntnismitteilung zum Workshop 'Die Macht der Propaganda'", sagte da Soufi-Siavashs Gesprächspartner und präsentierte ein Blatt Papier. Die Empfänger würden darin aufgefordert Soufi-Siavash "idealerweise zu verpfeifen: Wann er sich wo aufhält, was er wann zu wem gesagt hat, welche Konten, Verwandten, Bekannten er so hat und wo er das nächste Mal auftritt."

Ob diese Angaben stimmen, ist für t-online nicht nachvollziehbar. Im Juni verabschiedete der Brandenburger Landtag aber schließlich ein Gesetz: Es soll dem Landesamt für Verfassungsschutz Finanzermittlungen gegen Beobachtungsobjekte auch dann erlauben, wenn sie nicht erwiesen militant sind. Eine Briefkastenfirma in Zypern könnte da möglicherweise auch für Soufi-Siavash von Vorteil sein.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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