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Massentourismus: Einwohner demonstrieren – lieber zu Hause bleiben?


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Tagesanbruch
Es wird ungemütlich

MeinungVon Camilla Kohrs

Aktualisiert am 25.07.2024Lesedauer: 7 Min.
SPAIN-TOURISM/PROTESTVergrößern des Bildes
Demonstranten konfrontieren Touristen in Barcelona. (Quelle: Bruna Casas/reuters)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Urlaub. Endlich. Diese zwei Worte dürften in diesen Tagen in Deutschland wohl sehr häufig fallen. Am Freitag startet mit Bayern das letzte Bundesland in die Sommerferien – und auch sonst ist Reisehochzeit. Sonne, Meer, Füße hoch – und keine Gedanken mehr an Arbeit, Weltlage und was sonst noch so nervt.

Auf geht's. Wie wäre es mit dem beliebtesten Urlaubsland der Deutschen: Deutschland selbst? An der Ostsee ist es schön. Doch schon auf der Hinreise das erste Drama: Stau, so weit das Auge reicht. Und der ADAC warnt davor, dass das kommende Wochenende auf den Autobahnen besonders heftig werden könnte, wie mein Kollege Matti Hartmann erfuhr.

Also Bahn? Auch keine gute Idee, um stressfrei ans Ziel zu kommen. Besonders die kleinen Bimmelbahnen, die die Urlauber (und die Arbeitskräfte) an die schönen Orte bringen, sind oft heillos überfüllt und müssen zu den Hauptreisezeiten sogar Leute auf dem Bahnsteig stehen lassen.

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Dann doch lieber zur zweitliebsten Destination: Spanien. Da ist das Wetter auch beständiger. Also ab zum Flughafen. Doch hier warten schon die nächsten Probleme: Verspätete Flieger, überbuchte Flüge und übervolle Abflughallen gehören mittlerweile zum Standard-Reiseerlebnis. Mit ein bisschen Pech kommen dann noch eine weltweite IT-Panne (wie vergangenen Freitag) oder Klimakleber auf dem Rollfeld (wie gestern am Flughafen Köln/Bonn) hinzu. Die Gruppe "Letzte Generation" ließ dazu verlauten, die Aktion sei erst der Anfang gewesen, weitere würden folgen – weltweit. Viele Fluggäste reagierten genervt, wie mein Kollege Nils Frenzel berichtete.

Auch in Spanien angekommen, droht Ärger. Denn an vielen der besonders beliebten Orte haben die Einheimischen die Nase gestrichen voll. Auf Mallorca, den Kanaren, in Barcelona und Madrid gehen die Menschen in diesem Sommer auf die Straßen, demonstrieren gegen die Besuchermassen. In Barcelona bespritzten Demonstranten Touristen gar mit Wasserpistolen. Klar, weh tut das nicht, doch ist es unangenehm. Nicht nur sie fragen sich seitdem womöglich: Soll ich überhaupt noch einmal herkommen, wenn ich hier so unwillkommen bin?

Die Bewohner von Barcelona, Mallorca und Teneriffa demonstrieren natürlich nicht ohne Grund. Es geht schon lange nicht mehr darum, dass die Touristen die zentralen Orte und die Straßen verstopfen. Die Mietpreise explodieren, viele finden keine Wohnungen mehr. Die Angebotsmiete auf Mallorca liegt mittlerweile bei 16,1 Euro pro Quadratmeter – und damit höher als in Berlin. Dabei verdienen die deutschen Hauptstadtbewohner durchschnittlich mehr als doppelt so viel. Und ein Problem scheint die Masse an Ferienwohnungen zu sein. Man kann die Wut also verstehen.

"Overtourism" nennt die Wissenschaft dieses Problem. Das Wort beschreibt einen Zustand, wenn der Ansturm die Tragfähigkeitsgrenzen sprengt, oder anders: Wenn der Ort kurz vor dem Kollaps steht. Darüber klagen übrigens nicht nur Orte in Spanien oder Italien, sondern auch im Norden. Die deutsche Ostseeküste ist teilweise ebenfalls heillos überfüllt, und in Schweden wird das Thema genauso diskutiert.

Doch was folgt daraus? Sollte man jetzt dem Slogan der Demonstranten – "Tourists go home" – folgen, lieber zu Hause bleiben und dort an den Badesee fahren? Das würde sicher auch den Klimaklebern gefallen.

Das ist natürlich Schwachsinn. Zum einen brauchen auch die Urlaubsorte die Touristen, sie sind eine wichtige Einnahmequelle, mancherorts sogar die wichtigste. Wie dramatisch die Auswirkungen sein können, wenn die Touristen fortbleiben, hat die Corona-Pandemie gezeigt. Über Monate kaum Urlauber, Hotels und Restaurants schlossen, viele Menschen verloren ihre Arbeit. Für manche bedeutete das ein Leben in Armut, wie damals eine Video-Reportage von t-online zeigte. Die überfüllten Orte brauchen also kreativere Lösungen als pauschale Einreiseverbote. Eine originelle Idee dazu hat Florian Harms vor einigen Wochen in diesem Newsletter aufgelistet. Die Stadt Venedig testet gerade ein Eintrittsgeld aus, in Barcelona wird die Zahl der Betten begrenzt.

Aber auch die Urlauber brauchen ihre Sehnsuchtsorte – egal, ob diese eher am Mittelmeer oder an der Ostsee liegen. Denn im Urlaub holt man nach, was im Alltag allzu oft auf der Strecke bleibt. Und das, obwohl es für das Wohlbefinden so unglaublich wichtig ist: Die Zeit mit Familie, Freunden oder sich selbst; Entspannung; Neues kennenlernen. "Im Alltag sind wir durch Arbeit und Lebensaufgaben fremdgetaktet", sagte Burn-out-Experte Michael Sadre Chirazi-Stark mal der "Süddeutschen Zeitung". Durch Stress und Anspannung, zum Beispiel bei der Arbeit, durch Kindererziehung und andere Verpflichtungen, werde erst Adrenalin und – ohne entsprechenden Ausgleich – Cortisol ausgeschüttet, erklärt er. "Das bedeutet dann Dauerstress und zerstört den Alltagsrythmus", was wiederum zu körperlichen Problemen führen könne. Der Experte hält fest: "Ab und zu brauchen wir Abstand vom ständigen Druck. Sprich: Urlaub."

Nicht umsonst also ist die Erholung in Deutschland in einem Gesetz geregelt: dem "Bundesurlaubsgesetz". Es regelt etwa die Mindestanzahl (24 Werktage) und den Fakt, dass der Arbeitnehmer in dieser Zeit, in Behördendeutsch, "keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit" leisten darf. Studien zeigen außerdem, dass, wer nur selten Urlaub macht, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an einem Herzinfarkt stirbt.

Umso dramatischer ist die Entwicklung der letzten fünf Jahre, dass sich immer mehr Deutsche nicht mal mehr eine Woche Urlaub im Jahr leisten können. Mehr als 20 Prozent sind es mittlerweile, denen dieser so wichtige Ausgleich fehlt. Am häufigsten betrifft es Alleinerziehende. Als "traurigen Befund" bezeichnete dies der Linkenpolitiker Dietmar Bartsch, dessen Fraktion die Zahlen bei Eurostat erfragt hatte. "Diese Zahlen zeigen, wie tief Deutschland sozial gespalten ist."

Einen Fehler sollte man also nicht machen: Urlaub als Luxus zu deklarieren, auf den man einfach mal komplett verzichten kann oder sollte. Denn so kompliziert alles auch drumherum sein mag: Er ist mehr als notwendig. Gerade in so unruhigen Zeiten wie diesen.


Er ist zurück

Es ist ein schwieriger Drahtseilakt, den US-Präsident Joe Biden in diesen Tagen vollzieht. Er bleibt Präsident, zieht sich aber aus dem Wahlkampf zurück. Vor allem viele Republikaner schäumen, stellen seine Eignung mehr denn je in Zweifel. Und auch viele Bürger fragen sich: Kann jemand, der anscheinend zu alt für den Wahlkampf ist, wirklich weiter Präsident bleiben?

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Eine Erklärung dafür blieb Biden den US-Bürgern lange schuldig. Bis heute Nacht. Da räumte der 81-Jährige ein, dass die Zeit reif sei für "jüngere, frischere Stimmen". Er schwor seine Landsleute auf einen harten Wahlkampf ein und warnte eindringlich davor, die Abstimmung am 5. November als eine von vielen zu sehen. Es gehe bei der Präsidentschaftswahl um nichts weniger als um die Verteidigung der Demokratie. "Ob wir die Republik behalten, das liegt jetzt in Ihren Händen. Die Macht liegt in Ihren Händen", sagte Biden in seiner bewegenden Rede.


Er verabschiedet sich

Zumindest für kurze Zeit in die Sommerferien. Kanzler Olaf Scholz hat gestern die Sommerpressekonferenz vor dem Urlaub abgehalten. Das ist traditionellerweise der Ort und die Zeit, um nochmal ein paar Dinge klarzustellen:

  • Scholz mag Biden zwar oft nacheifern, in einer Sache aber wird er sich kein Vorbild nehmen: "Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden." Trotz schlechter Umfragewerte. Scholz ist sich sicher, dass die SPD "die Sache gedreht bekommt".
  • Deutschland wird zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigungsfähigkeit investieren, unabhängig davon, ob Donald Trump oder Kamala Harris gewinnt. Er räumt Harris bessere Siegchancen ein.
  • Er bekräftigt sein "Nein" zu einer Aufrüstung mit Atomwaffen. "Das halte ich für völlig absurd."
  • Straftäter sollen schon bald nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden können. Die Regierung bereite vor, "dass das auch tatsächlich geschieht".

"Hört man Scholz zu, könnte man glatt denken, für ihn liefe alles nach Plan", schreibt meine Kollegin Sara Sievert. "Nur sieht die Realität etwas anders aus." Ihren Bericht lesen Sie hier.

Wo Scholz den Urlaub mit seiner Frau, Britta Ernst, verbringt, verrät er übrigens nicht. Nur so viel deutete er kürzlich im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio an: Er freue sich, "dass Ruhe herrscht, dass ich Sport machen kann, dass ich die Landschaft genießen kann, und dass ich Bücher lesen kann, und dass ich einfach viel Zeit habe zusammen mit meiner Frau".


Die Termine

US-Präsident Biden empfängt am Abend (deutscher Zeit) den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu im Weißen Haus. Das Verhältnis der beiden ist mehr als angespannt. Die USA drängen Israel, die humanitäre Hilfe in Gaza zu verstärken und mehr für den Schutz der Zivilbevölkerung zu tun.

Die Olympischen Spiele in Paris starten zwar offiziell erst am Freitag, heute aber gibt es schon Wettkämpfe. So treffen die deutschen Handballdamen am Nachmittag auf das südkoreanische Team, und die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen tritt am Abend gegen die Australierinnen an.

Die Bayreuther Festspiele starten heute mit der Premiere einer Neuproduktion von Richard Wagners "Tristan und Isolde". 34 Tage wird dort nun die Musik des deutschen Komponisten gefeiert. Bis auf wenige Restkarten sind die Festspiele bereits ausverkauft.


Das historische Bild

Paris war 1968 ein Zentrum schwerer Unruhen, es kam zur "Nacht der Barrikaden". Mehr lesen Sie hier.


Was lesen?

Joe Biden ist aus dem Rennen, Kamala Harris nimmt es – wahrscheinlich – mit Donald Trump auf. Was bedeutet das für den Kampf ums Weiße Haus? Politologe Stephan Bierling analysiert die Lage im Gespräch mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.

Noch vor ihrem offiziellen Start haben die olympischen Spiele ihren ersten Skandal. Mein Kollege Noah Platschko liefert ihnen die Einzelheiten.

Es ist eine empfindliche Pleite für die Bundesregierung: Sie muss ihren Plan für saubere Luft nachbessern. Schuld ist ein Gegner, der ihr ständig Niederlagen beibringt, berichtet mein Kollege Julian Fischer.


Zum Schluss

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Donnerstag. Morgen schreibt Ihnen mein Kollege Daniel Mützel.

Camilla Kohrs
Ressortleiterin Politik und Wirtschaft
Twitter: @cckohrs

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Mit Material von dpa.

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