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Robert Habeck und die Kanzler-Kandidatur: Er hat noch was zu klären


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Tagesanbruch
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Aktualisiert am 12.07.2024Lesedauer: 6 Min.
Vizekanzler HabeckVergrößern des Bildes
Robert Habeck: Er erwartet jetzt etwas von seiner Partei. Und sie von ihm. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

wer in diesen Tagen mit Grünen über ihre Partei spricht, der trifft auf gleich zwei Gemütszustände, die viele länger nicht mehr erlebt haben: Überraschung und Erleichterung. Es ist die Überraschung darüber, dass Annalena Baerbock jetzt doch darauf verzichtet, noch einmal als Kanzlerkandidatin antreten zu wollen. Und die Erleichterung, dass damit der parteiinterne Beliebtheitswettbewerb mit Robert Habeck abgesagt ist. Ein Problem weniger. Eines von vielen, aber immerhin. Puh.

Denn das hätte schmutzig werden können. Bis vor Kurzem war das Ganze längst nicht so klar, wie einige in der Partei glaubten und wie es Habecks Leute gerne gehabt hätten. Beide wollten antreten, und sie hätten deshalb offen konkurrieren müssen, sich voneinander abgrenzen, andere davon überzeugen, der oder die Bessere zu sein. Ein interner Wahlkampf vor dem echten Wahlkampf. Albtraum. Wie es zu Baerbocks Entscheidung kam und welche Entscheidungen noch anstehen, habe ich nach vielen Telefonaten hier für Sie aufgeschrieben.

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Jetzt wird es also der Vizekanzler, Robert Habeck. Auch wenn das niemand sagt, zumindest offiziell nicht. Er will, das ist schon lange klar. Und ohne Baerbock ist er, nun ja: alternativlos. Niemand sonst bei den Grünen hat gerade sein Format, das sehen sie in der Partei selbst so.

Das bedeutet aber nicht, dass es für Habeck jetzt einfach wird. Der Wahlkampf selbst sowieso nicht, wie könnte er, die Grünen stehen gerade bei elf Prozent. Aber auch der Weg dorthin nicht, die Vorbereitung, die Aufstellung. Habeck erwartet nun etwas von seiner Partei. Und viele in der Partei erwarten auch etwas von ihm.

Sie haben noch was zu klären. Denn unglücklicherweise gehen Habecks Erwartungen und die seiner Partei auseinander, widersprechen sich zum Teil sogar. Die Frage, ob sie einen Kompromiss finden, ein Übereinkommen, sie wird über den Erfolg des Projekts "Robert 2025" mitentscheiden. Wird's was? Oder wird's peinlich?

Was Robert Habeck von seiner Partei erwartet, hat er am Mittwoch sogar öffentlich angedeutet. In Essen, beim Leserdialog der "WAZ" auf seiner Sommerreise. Dort sagte er, die Frage der Kanzlerkandidatur richte sich weniger an ihn oder Baerbock. Es sei "vielmehr eine Frage an meine Partei". Nämlich: "Was bietet ihr dem Land an? Was wollt ihr in Zukunft repräsentieren? Wer wollt ihr sein als Partei?" Und: "Welche Rolle wollt ihr spielen?"

Diese Fragen müssten beantwortet werden, sagte er. Und Habeck wäre nicht Habeck, wenn er seine eigene Antwort nicht gleich selbst formuliert hätte: Das, was eine Partei wolle, dürfe nicht größer werden als das, was das Land brauche.

Eine Kandidatur für Deutschland also, nicht nur für die Grünen. Klingt unverfänglich. Bei den Grünen aber verbirgt sich dahinter ein Grundsatzkonflikt, der sich mit dem miesen Ergebnis bei der Europawahl noch einmal verschärft hat.

Grob gesagt verläuft der Konflikt zwischen zwei Positionen: Die einen wollen, dass sich die Grünen wieder mehr auf ihre Kernwähler konzentrieren, für ihre Überzeugungen eintreten, auch wenn sie gerade nicht populär sind. Die anderen finden, die Grünen sollten lieber weniger anecken und pragmatisch Politik machen, wie sie es nennen, um Wähler in der politischen Mitte zu erreichen. Es gibt natürlich Mischpositionen, aber das sind die zwei Pole, zwischen denen sich die Debatte bewegt.

Robert Habeck will in die Mitte, das ist seit jeher seine Mission. Und er wünscht sich, dass seine Partei sich auch dafür entscheidet – und ihm folgt. Nicht bedingungslos, aber eben schon mit einigem Abstand. Damit er Beinfreiheit hat, wie es in seinem Lager heißt. Man könnte auch sagen: Er will Autorität.

Das bedeutet für sein Lager gleich zwei Dinge. Es soll so etwas wie ein Führungszentrum um den Kandidaten herum geben. Keine große Strukturreform, bei der sich Partei und Fraktion ihrer Doppelspitzen entledigen, das nicht, auch wenn mancher es gerne hätte. Aber ein schlankes Team für den Wahlkampf mit einem Häuptling Habeck.

Die Habeckianer wünschen sich aber auch etwas Inhaltliches. Die Grünen sollen möglichst pragmatische Politik machen, so wie sie das aus ihrer Sicht auch jetzt schon oft tun. Nur statt diese Politik anschließend selbst zu hinterfragen, mit kritischen Wortmeldungen oder gar aktiver Opposition in den Parlamenten, wünschen sie sich: Ruhe. Füße stillhalten. Zusammenstehen.

Vor allem Habeck-Kritiker aus dem linken Grünen-Lager finden das alles nicht gerade verlockend. Beinfreiheit müsse man sich erst mal verdienen, mit vertrauensvoller Zusammenarbeit, heißt es da. Außerdem habe das Heizungsgesetz doch gezeigt, dass es nicht schlecht wäre, wenn ein paar mehr Leute auf wichtige Dinge draufschauten.

Es sind aber nicht nur linke Grüne, die jetzt auch etwas von Robert Habeck erwarten. Selbst Anhänger aus seinem Realo-Lager kritisieren hinter vorgehaltener Hand, dass Habeck nicht genug getan habe, um sich Unterstützung zu organisieren. Statt "Habeck, der Häuptling" zu sein, ist er offenbar manchmal zu sehr "Habeck, der einsame Cowboy". So lässt sich diese Kritik zusammenfassen. Der öffentliche Vielredner und Politikerklärer scheint sich selbst ironischerweise zu wenig zu erklären. Scheint mit seiner Partei und Fraktion zu wenig zu reden, sie zu wenig mitzunehmen auf seine Reise.

"Wir sind immer dann stark, wenn wir als Team funktionieren", sagt Marcel Emmerich, ein eher linker Bundestagsabgeordneter aus dem Realo-Land Baden-Württemberg. "Deswegen ist Robert Habeck gut beraten, wenn er als Teamplayer agiert und die ganze Partei mitnimmt."

Diese Erwartung an Robert Habeck haben einige Grüne. Und wenn man ehrlich ist, dann lässt sie sich nur schwer mit Habecks Wunsch nach Beinfreiheit vereinbaren. Aber man kann sich natürlich annähern. Habeck könnte sich mehr mit der Fraktion abstimmen, den Linken bei einigen Themen mit einer quietschgrünen Position entgegenkommen. Dafür könnte die Fraktion ihm beim Rest freie Hand lassen, oder besser gesagt: freie Beine. Zum Beispiel.

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Es wäre ein Kompromiss. Und für Kompromisse wirbt Robert Habeck ja sonst auch gerne.


War's das nun für Joe Biden?

US-Präsident in der Misere: Zum Abschluss des Nato-Gipfels in Washington hat Joe Biden sich weitere Versprecher geleistet: Bei einer Zeremonie stellte er seinen ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj irrtümlicherweise als Russlands Präsidenten Wladimir Putin vor. Bei einer darauffolgenden Pressekonferenz verwechselte er den Namen seiner Vizepräsidentin Kamala Harris und nannte sie Trump.

Seit Bidens desaströs fahrigem und wirrem Auftritt im Fernsehduell mit seinem republikanischen Präsidentschaftsrivalen vor zwei Wochen wird besonders genau beobachtet, wie er sich äußert. Von Nancy Pelosi bis George Clooney zweifeln sogar engagierte Anhänger der Demokraten Bidens Fähigkeit an, die Geschicke der USA weiterhin lenken zu können. Warum sich aber auch seine Kritiker in einem Dilemma befinden, kommentiert mein Kollege Bastian Brauns.


Termine des Tages

Besuch von Freunden: Japans Ministerpräsident Fumio Kishida ist heute in Berlin. Er wird mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz sprechen, wird sich ins Gästebuch eintragen und mit militärischen Ehren empfangen. Viel der Ehre, aber der letzte Besuch eines japanischen Regierungschefs ist auch schon sieben Jahre her. Und Japan ist wichtig für Deutschland. Das Land gilt als enger sicherheitspolitischer Partner in dieser krisenhaften Welt. Und es ist eines der wichtigsten Handelspartner Deutschlands in Asien und könnte helfen, die Abhängigkeit von China zu begrenzen. Einiges zu besprechen also.


Besuch von Experten: Die Expertenkommissionen "Bürgernahe Einkommensteuer" und "Vereinfachte Unternehmensteuer" präsentieren ihre Ergebnisse im Rahmen einer Fachveranstaltung. Das Grußwort hält Bundesfinanzminister Christian Lindner. Hoffentlich spricht er nicht nur, sondern hört auch genau zu.


Besuch vor Gericht: Im Prozess gegen Ex-Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng wegen des Vorwurfs der Körperverletzung an seiner Ex-Partnerin werden in München die Plädoyers erwartet.


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Eigentlich wollten chinesische Bauern 1974 nur einen Brunnen bohren. Doch sie stießen auf ein Weltwunder. Lesen Sie hier mehr.


Lesetipps

Kanzler im Aufwind: In Deutschland steht Olaf Scholz in der Kritik, auf dem Nato-Gipfel in Washington tritt er gut gelaunt und selbstbewusst auf. Dafür hat er gute Gründe, berichtet Chefredakteur Florian Harms aus den USA.


Regierung im Streit: Das Bürgergeld kostet viel und entzweit die Koalition. Das ist gesellschaftlicher Sprengstoff, von dem vor allem einer profitieren könnte, kommentiert mein Kollege Christoph Schwennicke.


Zum Schluss

Am Samstag berichtet Florian Harms für Sie im Tagesanbruch-Podcast von seinen Erkenntnissen aus Washington beim Nato-Gipfel. Ich wünsche Ihnen einen schönen Freitag und einen noch schöneren Start ins Wochenende.

Ihr Johannes Bebermeier
Leitender Reporter Politik
BlueSky: @jbebermeier.bsky.social
X: @jbebermeier

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Mit Material von dpa.

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