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Joe Biden: Es gibt keinen Weg zurück


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Biden am Ende?
Das war einfach unmöglich

  • Bastian Brauns
MeinungVon Bastian Brauns

Aktualisiert am 12.07.2024Lesedauer: 5 Min.
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Joe Biden: Der US-Präsident kämpft mit seinem hohen Alter. (Quelle: IMAGO/Stringer)
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Kurz vor seinem geplanten Befreiungsschlag patzt Joe Biden schon wieder auf offener Bühne. Der Präsident müsste eigentlich gehen. Aber die Demokraten werden ihn wohl trotzdem nicht los.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Die Tragik könnte nicht größer sein. Ausgerechnet Wolodymyr Selenskyj, der Mann, der am meisten darauf angewiesen ist, dass Joe Biden als amerikanischer Präsident im Herbst wiedergewählt wird, wurde zum Ende des Nato-Gipfels Zeuge eines typischen Aussetzers des US-Präsidenten.

Beim Abschluss-Statement des Nato-Gipfels, als alle Regierungschefs noch einmal zusammenstanden, lauschte der ukrainische Präsident seinem Amtskollegen Joe Biden und wartete darauf, dass der US-Präsident ihm das Wort übergibt. Aber Biden patzte wieder vor den Augen der Weltöffentlichkeit. "Jetzt will ich weiterleiten zum Präsidenten der Ukraine, der ebenso mutig, wie entschlossen ist", sagte Biden. Und dann sagte er: "Meine Damen und Herren: Präsident Putin."

Starre Blicke bei Selenskyj, der direkt neben ihm stand. Biden korrigierte sich kurz darauf. Er sei einfach sehr damit beschäftigt, Putin zu besiegen, sagte er. Daher sei ihm dieser Versprecher passiert. Dann sprach er Wolodymyr Selenskyj mit dem richtigen Namen an. Und der erwiderte: "Ich mach’ das besser." Biden scherzte: "Ja, Sie machen das sehr viel besser."

Video | Im Video: Biden leistet sich peinliche Versprecher
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Quelle: t-online

Unangenehm und vollkommen unmöglich

Unter normalen Umständen wäre Bidens Versprecher schon ziemlich unangenehm. Immerhin ist Putin dafür verantwortlich, dass Hunderttausende Ukrainerinnen und Ukrainer brutal getötet wurden. So eine Verwechslung sollte einem US-Präsidenten nicht passieren – nur kann es eben passieren.

Aber die Umstände in Amerika sind seit den nicht mehr endenden Diskussionen um die mentale Fitness des Demokraten keine normalen mehr. Joe Biden muss liefern, aber er liefert vor allem neue Probleme für seine Partei und Angriffsmaterial für seine Gegner. Sein Aussetzer war nicht nur unangenehm, sondern in seiner jetzigen Situation schlicht unmöglich. In diesem Moment wurde reflexartig klar: So geht es nicht weiter. Der Präsident muss weg.

Ausgerechnet als Biden einen Befreiungsschlag vor den Hauptstadtreportern geplant hatte, sabotierte er sich, sein Team und seine ganze Partei buchstäblich selbst. Denn eigentlich war direkt im Anschluss eine der ohnehin kaum stattfindenden Pressekonferenzen mit dem US-Präsidenten geplant. Ausnahmsweise sollte Joe Biden also frei und ohne Teleprompter die Fragen der Pressevertreter beantworten.

Statt aber mit klaren Sätzen und klugen Gedanken zu überzeugen, vergeigte der 81-Jährige mit seinem Putin-Patzer schon eine halbe Stunde vor dem geplanten Beginn der Pressekonferenz diese sich bietende Chance. Das wirkte nach der Debatte gegen Trump wie ein zweites Fernsehdesaster. Dieses Mal versuchte er, sich aus der peinlichen Situation zu retten. Das gelang ihm sogar halbwegs souverän. Immerhin.

Aber da hatten die Medien längst gemeldet: Biden verwechselt Selenskyj mit Putin.

Es ist kaum noch zu ertragen

Joe Biden wird kaum noch Chancen bekommen, sich auszuzeichnen. Zumindest wird er die Altersdebatte um seine Tauglichkeit als Präsident nicht mehr los. Für ihn gibt es keinen Weg zurück. Alles wird nach seinem miserablen Auftritt beim TV-Duell mit Donald Trump in Atlanta weiterhin an diesem schlimmen Debattenauftritt gemessen. Jede Bewegung und jedes Wort von ihm werden genauer bewertet, als das von irgendeinem anderen Menschen in den USA. Seine Versprecher und rhetorischen Probleme sind für viele eine nicht mehr zu ertragende Bürde in diesem Wahlkampf – in dem es laut Biden ja um nicht weniger gehen soll, als um den Fortbestand der amerikanischen Demokratie.

Joe Biden muss weg. Das wirkt unfair, und es ist bitter. Denn die vielen Versprecher und das schiere Unwissen seines Kontrahenten Donald Trump sind im Gegensatz zu Joe Biden überhaupt nicht mehr messbar. Doch der Republikaner ist nach Maßstäben politischer Vernunft oder gar Moral eben kaum noch zu bewerten. Die amerikanische Öffentlichkeit hört nach inzwischen acht Jahren Donald Trump als Politiker so gut wie nicht mehr hin, wenn dieser sich eine seiner fast täglichen Lügen und Verhetzungen leistet.

Aber es geht eben um Joe Biden. Und der wurde von seinem Team im Weißen Haus seit Jahren durch seine Präsidentschaft getragen, indem er vor der Öffentlichkeit und vor der Presse geradezu versteckt wurde. Jegliches Treffen und jeder Auftritt wurde peinlich genau geplant, damit bloß nichts schiefgeht. Das wird jetzt nicht mehr gelingen. Die Medien, seine Partei und auch die Bevölkerung erwarten zu Recht, dass der Präsident öffentlich performen kann. Das gehört zur Amtsbeschreibung.

Plötzlich traut man seinen Augen nicht

Doch das Dilemma der Demokraten wird sich trotz dieses erneuten Patzers nicht so schnell auflösen. Denn als Joe Biden nach stundenlanger Verzögerung der Pressekonferenz schließlich vor den versammelten Hauptstadtmedien auftrat, wirkte er plötzlich wieder wie ausgewechselt. Noch einen weiteren Patzer leistete er sich zwar, als er ausgerechnet Kamala Harris als "Vizepräsident Trump" bezeichnete. Doch inhaltlich lieferte Biden.

Rund eine Stunde lang beantwortete er die zahlreichen Fragen der Reporter nach seiner mentalen Gesundheit, nach seinen Plänen für die nächste Amtszeit und nach den Kriegen in Gaza und in der Ukraine. Wortmeldungen zu seinem Putin-Versprecher lachte er weg und wirkte mit einem Mal ziemlich gelassen. Fast so, wie man ihn sich wünschte, zumindest wenn man die Erwartungen etwas herunterschraubt.

Es war Biden anzusehen, dass er sich im Griff hatte und in seinem Element war. Selbst, als eigentlich keine Fragen mehr zugelassen waren, nahm er immer noch einen weiteren Pressekollegen dran und antwortete geduldig. Nach einem tagelangen Gipfel-Marathon mit zig komplexen Gesprächen und langen Treffen mit Kollegen aus aller Welt ist das eine Leistung, die man von einem Präsidenten verlangen darf. Aber bei Biden ist sie eben nicht selbstverständlich.

Biden bleibt ein wackeliger Kandidat

Die Tragik der Demokraten ist: Nach so einem dann doch gelungenen Auftritt von Joe Biden werden sie ihn wohl weniger schnell los, als viele von ihnen zuletzt hofften. Biden scheint diesen hochdramatischen Machtkampf in seiner Partei tatsächlich ein weiteres Mal in die Verlängerung gezogen zu haben. Er gibt sich sogar überzeugter denn je, diesen Wahlkampf durchzuziehen. So wie Biden sich bei der Pressekonferenz kurze Zeit an seinem Rednerpult festkrallte, so hält er fest an seiner Kandidatur und seinem Amt.

Ob das aber ausreicht, um in einem extrem hart geführten Wettstreit am Ende Donald Trump zu besiegen, kann zu Recht bezweifelt werden. Mit seinen Ausnahme-Momenten und seinen Dauer-Aussetzern bleibt Joe Biden ein Präsident zwischen Licht und Schatten. In wachen Momenten blitzt seine ganze Stärke auf. In den wackeligen ist es aber seine ganze Schwäche. Das reicht in einem amerikanischen Wahlkampf nicht. Und der geht noch mehr als 100 Tage.

Wenn sich die Demokraten aber schon nicht durchringen können, Joe Biden zum Rücktritt zu bewegen, dann müssen sie ihn jetzt zumindest bedingungslos unterstützen. Wenn Biden nicht freiwillig zurückzieht, dann müssen die Angriffe aus den eigenen Reihen aufhören. Ein Kandidat mit solchen Schwächen verliert sonst erst recht. Mit einer geschlossenen Partei bleibt ihm vielleicht noch eine Chance.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • Pressekonferenz des US-Präsidenten
  • Abschluss-Statement des US-Präsidenten beim Nato-Gipfel
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