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US-Wahl 2024: Die Ergebnisse aus Amerika beeinflussen die ganze Welt


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Tagesanbruch
Viele sind entsetzt

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 05.11.2024Lesedauer: 6 Min.
Präsidentschaftskandidatendarsteller Donald Trump beim Wahlkampffinale in Pennsylvania.Vergrößern des Bildes
Präsidentschaftskandidat Donald Trump beim Wahlkampffinale in Pennsylvania. (Quelle: Evan Vucci/AP)
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Falls Sie auf einen entspannten Herbst gehofft haben, sollten Sie sich spätestens an diesem Dienstag mental umorientieren. Die Welt ist in Bewegung, die USA und Deutschland stehen vor politischen Grundsatzentscheidungen. Die Amerikaner brauchen eine neue Regierung und wählen heute ihren nächsten Präsidenten, der auch eine Präsidentin sein kann, sowie 34 der 100 Senatoren und alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Die Deutschen haben keine funktionierende Regierung mehr; die Ampelleute sind stehend k.o. und schleppen sich nur noch von Streit zu Streit. Man kann das Wahldrama in den USA mit politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gründen erklären, und man kann für das Koalitionsdrama in Berlin ebenfalls allerlei Gründe finden. Beides wird in den Medien dies- und jenseits des Atlantiks seit Wochen versucht.

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Ein Aspekt scheint mir in den Betrachtungen jedoch zu fehlen. Vielleicht kommt er deshalb zu kurz, weil er so banal anmutet. Manchmal birgt jedoch gerade das Banale der Wahrheit Kern. Warum der Wahlkampf im Land der unbegrenzten Aufgeregtheit so roh, oberflächlich und teilweise zum Fremdschämen peinlich verläuft, und warum die ewige Ampel-Zankerei partout nicht endet, obwohl die Probleme Deutschlands immer größer werden, das hat neben vielen anderen auch einen ganz einfachen verbindenden Grund: die mangelnde Ernsthaftigkeit politischer Protagonisten.

  • Nehmen Sie Donald Trump: Statt politische Pläne vorzulegen, was genau er im Fall seines Wahlsiegs vorhat, verspricht er das Blaue vom Himmel herunter, schimpft, flucht, lügt. Hauptsache, als Obermacker bestimmt er rund um die Uhr die Schlagzeilen, dann kommt er zurück ins Weiße Haus und kann machen, was er will: Das scheint sein ganzes "Konzept" zu sein.
  • Oder Kamala Harris: Verbreitet mit ihrem ansteckenden Lachen allerorten gute Laune, vermag aber kaum zu erklären, wie sie die Großprobleme Inflation, illegale Einwanderung und anschwellender Wirtschaftskonflikt mit China konkret zu lösen gedenkt. Sie scheint zu glauben, dass es genügt, möglichst laut vor dem "Diktator Trump" zu warnen, um diese historische Wahl zu gewinnen.
  • Schließlich Christian Lindner: Statt seinen Job als Finanzminister zu machen und endlich einen wasserdichten Haushalt vorzulegen, verfasst der FDP-Chef seitenlange Wirtschaftswunschzettel, was man alles mal tun müsste, wenn man denn könnte, und badet ausgiebig im Scheinwerferlicht der Fernsehstudios. Als Beobachter kann man sich fragen: Ist das noch Inkompetenz oder schon Arglist?

Politik als Rache-Messe, als Gaudi oder als Zockerei: Das sind die Konzepte der bestimmenden Politiker in dieser Woche der Entscheidungen. Man könnte darüber lachen, wäre diese Missachtung der dringenden Anliegen von Millionen Wählern nicht so gefährlich folgenreich. Die Probleme werden ja nicht kleiner. Anschwellende Wirtschaftskrise, Putins Todesschwadronen in der Ukraine auf dem Vormarsch, tägliche Eskalationen im Nahen Osten, verschärfte Klimakatastrophe, skrupellose KI-Konzerne, ungesteuerte Armutseinwanderung: Sowohl in Amerika als auch in Europa sollten die führenden Politiker eigentlich Tag und Nacht mit großem Ernst an Lösungen für die enormen Herausforderungen arbeiten und im Wahlkampf kontrovers, aber ergebnisorientiert die besten Ideen diskutieren. So wäre es in einer besseren Welt.

In der realen Welt ist das Gegenteil zu erleben – und diese fehlende Ernsthaftigkeit hat Folgen. In Amerika könnte der politische Gottseibeiuns heute Nacht tatsächlich siegen. "Wenn Trump gewinnen sollte, wird das ein Kipppunkt sein für die demokratische Entwicklung in den USA, weil er diesmal sehr viel besser vorbereitet ist als beim letzten Mal", warnt der frühere Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle im Interview mit meinen Kollegen Lisa Raphael und Christoph Schwennicke. "Wir müssen uns mit dem Schlimmsten beschäftigen: dass er ein autoritäres System etabliert."

Auch in Berlin stehen die Zeichen auf Sturm: Immer aussichtsloser versucht der blasse Steuermann Olaf Scholz, seine Koalitionsschrottkiste für die letzten Kilometer des Jahres noch mal zusammenzuflicken. Erfolg ungewiss. Christian Lindner hat einfach keinen Bock mehr auf seine Ampelkollegen, und wenn (Spät)pubertierende sich bockig stellen, laufen Machtworte bekanntlich ins Leere. "Schon am Mittwoch könnte alles vorbei sein", schreiben unsere Reporter Daniel Mützel und Sara Sievert.

Es ist zum Haareraufen. Und da wundere sich noch jemand über die wachsende Politikverdrossenheit. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe den Eindruck: In Amerika sind viele Menschen genauso entsetzt über ihre Spitzenpolitiker wie hierzulande. Bleibt eigentlich nur die Hoffnung, dass das Drama in den USA heute Nacht halbwegs glimpflich verläuft. Und dass hierzulande bald ernsthaftere Zeitgenossen das Steuer übernehmen.


Start der Koalitionsverhandlungen

Klappt es mit der "Brombeerkoalition" in Thüringen? Zumindest nehmen CDU, BSW und SPD jetzt Gespräche über eine mögliche Regierungsbildung auf. Nach komplexen Sondierungen und der mühsamen Verständigung auf eine "Friedenspräambel" sollen ab heute sieben Arbeitsgruppen Gemeinsamkeiten in den Themenfeldern Wirtschaft, Bildung, Gesundheit und Migration ausloten. Ob es der pragmatischen BSW-Landeschefin und früheren Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf gelingt, ein Bündnis zu schmieden, das sich auf landespolitische Belange fokussiert, entscheidet sich allerdings nicht in Erfurt: Partei-Zarin Sahra Wagenknecht hat klipp und klargemacht, dass sie alles selbst bestimmen will. Wichtiger als pragmatische Lösungen auf Landesebene ist der Namenspatronin ein Erfolg bei der nächsten Bundestagswahl. Bis dahin fällt ihr das ständige Besserwissen in der Oppositionsrolle leichter als das schwierige Regierungsgeschäft.


Kandidaten im Kreuzverhör

Die Mühlen der EU mahlen langsam: Die Europawahlen fanden am 9. Juni statt, am 18. Juli wurde Ursula von der Leyen in ihrem Amt als Kommissionspräsidentin bestätigt. Am 17. September stellte sie ihr restliches Team vor. Und nun, Anfang November? Werden die Anhörungen dieser 26 Frauen und Männer fortgesetzt. Seit gestern – und noch bis einschließlich Dienstag kommender Woche – müssen die Kandidaten den für ihr Fachgebiet zuständigen Ausschüssen im Europaparlament Rede und Antwort stehen.

Heute im Kreuzverhör: Der Ire Michael McGrath für den Posten des Kommissars für Rechtsstaatlichkeit, der Däne Dan Jørgensen für den Posten des Energie-Kommissars, die Bulgarin Ekaterina Zaharieva als Kommissarin für Forschung und Innovation, die Kroatin Dubravka Šuica als Kommissarin für das Mittelmeer, die Schwedin Jessica Roswall als Kommissarin für Umwelt und der Österreicher Magnus Brunner als Kommissar für Migration.

Was man einerseits als Sternstunde parlamentarischer Partizipation feiern kann, birgt andererseits die Gefahr weiterer Verzögerung: Sollte ein Kandidat durchfallen, könnte seine Parteienfamilie nach dem Prinzip "Wie du mir so ich dir" verfahren und ihrerseits dem Anwärter einer anderen Fraktion die Zustimmung verweigern. Dann müssten die für die Nominierungen zuständigen nationalen Regierungen erst wieder neues Personal nach Brüssel schicken. Als besonders umstritten gilt die Wahl des Italieners Raffaele Fitto, der als einer von sechs geschäftsführenden Vizepräsidenten der Kommission gesetzt ist und wie seine Regierungschefin Giorgia Meloni der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia angehört. Läuft ausnahmsweise alles planmäßig, soll die neue Kommission am 1. Dezember ihre Arbeit aufnehmen.

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Glücklicher als gedacht

Wie ist es um die Lebenszufriedenheit der Menschen in Deutschland bestellt? Das untersucht der Glücksatlas, den alljährlich die Universität Freiburg erstellt. Dabei wird nicht nur erhoben, in welchem Bundesland und in welchen Städten die Menschen am glücklichsten sind, sondern auch, von welchen Faktoren das Glück abhängt. Wenn der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen heute Vormittag die neuen Daten präsentiert, kann er allen Kriegen und Krisen zum Trotz Positives verkünden: Nach einem Tiefpunkt während der Pandemie ist die Zufriedenheit der Deutschen wieder auf Erholungskurs. Schön!


Ohrenschmaus

Glücklich bin ich auch. Und wenn die Amis sich klug entscheiden, kann es doch noch ein richtig guter Tag werden.


Lesetipps

Der amerikanische Historiker Allan Lichtman lag mit seinen Wahl-Vorhersagen bisher immer richtig. Trifft seine Prognose auch diesmal zu? Was es mit seinen "13 Schlüsselfaktoren zum Weißen Haus" auf sich hat, erzählt er im Interview mit unserem Korrespondenten Bastian Brauns.


Wie wahrscheinlich ist das Ende der Ampelregierung wirklich? Unser Reporter Johannes Bebermeier erklärt es Ihnen.


Saudi-Arabien setzt ein Gebäude so groß wie ganz Belgien in den Wüstensand. Das größenwahnsinnige Mega-Bauprojekt soll schon 21.000 Tote gefordert haben, berichtet mein Kollege Matti Hartmann.


Helene Fischer veröffentlicht ein Album mit 25 Kinderliedern – prompt gerät eines davon in die Schlagzeilen. Mein Kollege Steven Sowa sagt Ihnen, was dahintersteckt.


Zum Schluss

Endlich Frieden in Berlin!

Ich wünsche Ihnen einen beschwingten Tagesbeginn und melde mich am Nachmittag wieder bei Ihnen: In unserem Podcast "Amerika-Update" spreche ich mit zwei Gästen über die dramatische Wahlnacht und ihre möglichen Folgen.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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