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Super Tuesday: Amerika hat ganz andere Probleme als Donald Trump


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Tagesanbruch
Amerikaner sehen etwas völlig anderes

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 06.03.2024Lesedauer: 6 Min.
Eine Migrantin am Grenzzaun zwischen Mexiko und Kalifornien.Vergrößern des Bildes
Eine Migrantin am Grenzzaun zwischen Mexiko und Kalifornien. (Quelle: imago images)
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Bald können die Amerikaner darüber entscheiden, wer das mächtigste Amt der Welt bekommt. Entweder ein umstrittener, polarisierender, unbeliebter Politiker. Oder Donald Trump. Für Europäer mag es absurd erscheinen, aber Millionen US-Bürger empfinden das absehbare Präsidentschaftsduell zwischen Amtsinhaber Joe Biden und dem schillernden Donald tatsächlich als Wahl zwischen Pest und Cholera.

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Da ist auf der einen Seite ein Tattergreis, der seine besten Jahre erkennbar hinter sich hat. Der zwar Verdienste errungen hat – das Chaos der ersten vier Trump-Jahre beigelegt, die Pandemie bewältigt, das Verhältnis zu den Nato-Verbündeten repariert, Milliarden in die bröckelnde Infrastruktur gesteckt. Der zugleich jedoch zu wenig Lösungen anbietet gegen die illegale Masseneinwanderung aus Lateinamerika, gestiegene Miet-, Lebensmittel- und Benzinpreise, die Drogenepidemie und die vielerorts grassierende Kriminalität. Der sich in den Augen vieler Amerikaner zu stark in den Krieg in der fernen Ukraine verheddert und dabei den viel riskanteren Konflikt mit China aus den Augen verliert und der nun überdies im Gazakrieg den letzten Rest seiner außenpolitischen Autorität verspielt, weil Israels Politgauner Netanjahu Katz und Maus mit dem US-Präsidenten spielt. Und dann vergisst dieser Präsident auch noch ständig Dinge! Wann er Vize unter Obama war zum Beispiel, wo er geheime Akten aus dem Weißen Haus versteckt hat und in welchem Jahr sein Sohn gestorben ist.

Hand aufs Herz: Würden Sie so jemandem zutrauen, den politischen und wirtschaftlichen Kurs für 330 Millionen Menschen zu bestimmen? Sehr viele Amerikaner tun es erklärtermaßen nicht, weshalb Bidens Umfragewerte für einen Amtsinhaber kläglich schlecht ausfallen.

Dass Joe Biden trotzdem Chancen auf die Wiederwahl hat, liegt allein an einem Grund: dass sein Herausforderer in den Augen vieler US-Bürger eine noch größere Zumutung darstellt als der 81-jährige Politgreis. Donald Trump mag bei den Vorwahlen am Super Tuesday haushohe Siege gegen seine parteiinterne Kontrahentin Nikki Haley eingefahren haben (alle Ergebnisse lesen Sie in unserem Newsblog hier, Analysen finden Sie im Laufe des Tages hier).

Doch dieser erwartbare Triumph über die einzig verbliebene, schwache Gegnerin ist kein Ausweis von Stärke. Donald Trump ist nicht nur ein gefährlicher Egomane ohne Befähigung für politische Ämter, er ist auch ein Scheinriese. Weil er tagtäglich irgendwelchen provokativen Stuss daherredet, der von seinen radikalen Jüngern und leider auch vielen Medien massenhaft kolportiert wird, weil er als geborener Entertainer zehnmal mehr Charisma besitzt als jeder andere amerikanische Spitzenpolitiker und weil es in großen Teilen der US-Bevölkerung ein tiefes Bedürfnis nach einem starken Mann gibt, der das Land aus der Dauerkrise befreit und den Klüngelpolitikern in Washington zeigt, was eine Harke ist – ja, deshalb hat diese fürchterliche Person tatsächlich gute Chancen, ins Weiße Haus zurückzukehren.

Für uns Europäer mag diese Aussicht erschreckend sein. Dabei vergessen wir, dass die Welt aus Ohio, Texas oder Wyoming betrachtet anders aussieht als aus Westfalen, Hessen oder Sachsen. Dort drüben sind Putin und die Ukraine weit weg, die Europäer erscheinen als undankbare Egoisten, die Chinesen machen die US-Wirtschaft kaputt, illegale Einwanderer aus Mexiko, Venezuela und Nicaragua nehmen Amerikanern die Jobs weg und überschwemmen das Land mit Drogen. Ein Zerrbild, sicher, aber so sehen es Umfragen zufolge viele US-Wähler, und wir sind gut beraten, diese Weltsicht ernst zu nehmen, statt sie als hinterwäldlerisch abzutun. Nur wenn wir die Empathie aufbringen, die Sorgen der Menschen im mächtigsten Land der Welt nachzuvollziehen, verstehen wir vielleicht auch ihre politischen Entscheidungen. Und nur durch Verständnis, so schwer es manchmal auch fällt, kann Vertrauen wachsen. Deshalb möchte ich Ihnen zum Abschluss dieser morgendlichen Gedanken ein paar Bilder zeigen, die schlaglichtartig einen Eindruck vermitteln, in welcher enormen Kraft Amerikas Stärke wurzelt:

Tiefere Einblicke und Analysen zu den Ergebnissen des Super Tuesday liefern wir Ihnen heute Nachmittag in einer Sonderausgabe des Tagesanbruchs: Das Amerika-Update kommt dann von Bastian Brauns, Philipp Michaelis und mir.


Große Pläne, kleine Ergebnisse

Beim Ankündigen ist die Ampelregierung spitze. Mit mehreren neuen Gesetzen, einigen verschärften EU-Richtlinien und noch viel mehr Versprechungen wollen SPD, Grüne und FDP die illegale Migration eindämmen. Vielen Landes- und Kommunalpolitikern genügt das nicht, sie ächzen unter der Zahl der Zugezogenen und verlangen mehr Einsatz von Olaf Scholz, Nancy Faeser und den Behörden – nicht so sehr mehr Regeln, sondern vor allem eine konsequentere Durchsetzung der bestehenden Regeln.

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Doch dabei hakt es. Vielerorts sind der Bundesgrenzschutz und die Bundespolizei überfordert, es fehlt an Personal und Zugriffsrechten. Auch bei den Rückführungen geht es nur schleppend voran: Viele afrikanische Länder wollen Migranten nicht zurücknehmen; in Kriegsländer wie Syrien und Afghanistan schiebt Deutschland aus gutem Grund niemanden ab. Einerseits hoher Erwartungsdruck aus der Bevölkerung, andererseits komplizierte Rechtsregeln: Dieses Dilemma bleibt also bestehen – und bietet genug Diskussionsstoff auf der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler in Berlin. "Das Treffen wird die Fronten allerdings kaum versöhnen", schreiben unsere Reporterinnen Annika Leister und Sara Sievert.


Rentnerfahndung

Herr Staub hat sich aus dem Staub gemacht, Herr Garweg läuft auch noch frei herum: Die deutsche Polizei sucht immer noch "fieberhaft" nach den beiden RAF-Opis. Nachdem sie 30 Jahre lang nicht auf die Idee gekommen waren, haben die Ermittler nun mehrere traditionelle Anlaufpunkte der linken Szene durchkämmt, darunter einen Bauwagenplatz, mehrere WGs und einen Schnapskiosk im Berliner Szeneviertel Friedrichshain. Dabei stießen sie – Donnerwetter! – tatsächlich auf Spuren von Burkhard Garweg; der Gesuchte selbst war allerdings schon ausgebüxt. Vielleicht sollten die Spürnasen ihr Glück mal rund um den Knast in Berlin-Moabit versuchen. Die besten Verstecke liegen bekanntermaßen dort, wo niemand sie vermutet.


Alles steht still

Irgendwie hat man sich schon fast daran gewöhnt, dass nichts mehr geht: Ob auf der Schiene, in der Luft oder auf vielen Straßen: In Deutschland herrscht Stillstand. Heute Abend beginnt der Privatstreik von Claus Weselsky, bei dem leider auch viele Lokführer mitmachen. Deshalb rollen ab 18 Uhr keine Güterzüge mehr, morgen steht dann auch der Personenverkehr still. Da all die Zugleute in den kommenden Stunden nix zu tun haben, könnten sie sich ja anderweitig nützlich machen: Würde man sämtlichen Kioskbesitzern in Kreuzberg und Friedrichshain Fotos der RAF-Rentner unter die Nase halten, bekäme man womöglich ein paar sachdienliche Hinweise.


Robert reist

In heimischen Gefilden hat Robert Habeck wenig zu lachen: Wohin er auch kommt, empfangen den Wirtschaftsminister Buhrufe und Proteste. Da ist ein Ausflug über den Atlantik eine willkommene Abwechslung: In den USA will der Vizekanzler Gespräche zu wirtschafts-, energie- und handelspolitischen Themen führen. Unser Reporter Johannes Bebermeier ist dabei und weiß: Einfach wird auch diese Reise nicht.


Hoch im Norden

Auch Boris Pistorius ist auf Achse: Der Verteidigungsminister besucht den Nato-Partner Norwegen und will sich an der Grenze zu Russland im hohen Norden ein Bild von der Bedrohungslage machen. Dort werden ihm norwegische Wehrdienstleistende von ihren Erfahrungen berichten. Wir dürfen davon ausgehen, dass der Minister anschließend noch vehementer für die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht in Deutschland plädiert.


Bollwerk gegen Terror

Auch Svenja Schulze ist unterwegs. Das ist die Entwicklungshilfeministerin, und sie besucht Benin. Wie viele Länder der Region wird der westafrikanische Küstenstaat von islamistischen Terroristen und Kriminellen aus der Sahelzone bedroht. Die Ministerin will Organisationen unterstützen, die die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung im Grenzgebiet stärken.


Schlummerstündchen

In Peking tagt der sogenannte Volkskongress, das sogenannte Parlament der sogenannten Volksrepublik China. Dabei dürfen 3.000 Claqueure des Regimes stundenlang in der Großen Halle des Volkes Tee trinken oder vor sich hin dösen, während Diktator Xi Jinping und seine Mafiosi große Reden schwingen. Hierzulande wird ja viel über Politiker gemeckert. Wer in anderen Ländern meckert, wird eingebuchtet oder umgelegt. So gesehen können wir uns glücklich schätzen. Und vielleicht ein bisschen weniger meckern.


Ohrenschmaus

Als ich noch studierte, wenig Geld besaß und tagelang Nudeln mit Knäckebrot essen musste, sparte ich jede Mark für Musik. Einer meiner Favoriten war das französische Duo Air, das geschmeidig die elektronische Musik revolutionierte. Nach mehreren legendären Alben versanken Nicolas Godin und Jean-Benoît Dunckel in der künstlerischen Einfallslosigkeit. 25 Jahre später sind sie nun wieder da und gastieren in ausgewählten Städten. Ich hatte das Glück, zu einem dieser Konzerte eingeladen zu werden. Und was soll ich sagen? Es war eine Offenbarung! Auch dieser Song.


Lesetipps

Millionen Menschen sorgen neben ihrer Erwerbsarbeit für pflegebedürftige Personen. Sie verdienen mehr Geld, fordert Bundesfamilienministerin Lisa Paus in einem Gastbeitrag für unsere Redaktion.




Die linksradikalen "Vulkangruppen" haben sich zum Brandanschlag auf die Tesla-Fabrik bei Berlin bekannt. Mein Kollege Tobias Eßer erklärt Ihnen die wirre Weltsicht der Aktivisten.


Zum Schluss

Die Bundeswehr will nun alles besser machen.

Ich wünsche Ihnen einen sicheren Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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