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Deutschland | Haushaltskompromiss der Ampel: Es wird schmerzhaft


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Tagesanbruch
Sie halten sich die Ohren zu


Aktualisiert am 18.12.2023Lesedauer: 6 Min.
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Robert Habeck, Olaf Scholz, Christian Lindner: Die Kritik an ihrem Haushaltskompromiss wächst. (Quelle: IMAGO/imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Robert Habeck erzählt viel, wenn der Tag lang ist. Das ist sein Job als Vizekanzler und Politik-Erklärer der Nation. Mitunter aber lohnt es sich, ihm genau zuzuhören, mehr als bei manch anderem Politiker. Das war so im Juli dieses Jahres bei Markus Lanz. Und das war wieder so vor einigen Wochen in Karlsruhe auf dem Grünen-Parteitag.

Bei Markus Lanz sagte Habeck im Sommer auf dem Höhepunkt der Heizungsmisere: "Man muss ein bisschen aufpassen, dass man nicht verhärtet." Er habe unter dem ständigen Druck und den Vorwürfen berechtigte Kritik am Heizungsgesetz nicht mehr intensiv genug wahrgenommen. Es war ein bemerkenswertes Eingeständnis.

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Beim Parteitag der Grünen vor einigen Wochen ging es nicht mehr um Heizungen, sondern um Geflüchtete. Dort sagte Habeck: Wenn man aus harten Verhandlungen komme, könne es sein, "dass man am Ende auch ein Stück weit an das, was man erreicht hat, zu stark glauben kann". Ein weiteres bemerkenswertes Eingeständnis.

Wenn man Robert Habeck folgt, gibt es in der Politik also zwei Gefahren, wenn es turbulent und kompliziert wird: Man hält sich die Ohren zu. Und man macht sich etwas vor. In diesen Tagen tun Habeck und seine Ampelkoalition leider beides: Sie wollen die berechtigte Kritik am fraglos schwierigen Haushaltskompromiss nicht hören und reden sich die Lösung schön. Oder, um ein Habeck-Bonmot aufzugreifen: Die Ampel ist von Wirklichkeit umzingelt – und verschanzt sich in einer Fiktion.

Die Haushaltseinigung wird das Leben der Menschen in Deutschland teurer machen, mal wieder. Nicht für alle gleich viel, und nicht für jeden ist das ein Problem. Aber teurer als vor dem Kompromiss wird es.

Der CO2-Preis fürs Heizen und Tanken soll nächstes Jahr nicht nur, wie bisher geplant, von 30 auf 40 Euro steigen, sondern gleich auf 45 Euro. Und das weiterhin, ohne die Einnahmen daraus als Klimageld an die Menschen zurückzuzahlen. Die Netzentgelte werden nicht mehr mit 5,5 Milliarden Euro vom Staat subventioniert, was den Strom für Verbraucher künftig teurer machen wird.

Zugleich laufen die Strom- und Gaspreisbremsen nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum Jahreswechsel aus. Die Subventionen für Agrardiesel fallen ebenfalls weg, was die Lebensmittelpreise weiter erhöhen könnte. Und wer sich wegen steigender Spritpreise (und der Klimakrise) nun lieber ein E-Auto kaufen möchte, bekommt ab heute keine 4.500 Euro Förderung mehr.

Das sind nur die prominentesten und größten Härten des Kompromisses. Sie sind nötig, weil sich die Regierung nicht darauf verständigen konnte, auf die vielen Milliarden Euro Schulden ein paar weitere Milliarden draufzupacken. Obwohl zwei der drei Partner dazu bereit gewesen wären, und zwar die großen Partner, die Kanzler und Vizekanzler stellen: SPD und Grüne. Die FDP und ihr Finanzminister wollten nicht, damit hatte es sich offensichtlich erledigt.

Die Ampel betont nun fleißig, nicht alles sei schlecht. Es gebe auch Entlastungen, und das stimmt. Die EEG-Umlage für den Ausbau Erneuerbarer Energien müssen Verbraucher nicht mehr zahlen. Viele Arbeitnehmer zahlen künftig weniger Einkommensteuer. Es ließen sich bestimmt noch andere Entlastungen aufrechnen.

Doch mit dieser Aufrechnerei gibt es mehrere logische Probleme: Belastungen und Entlastungen treffen, erstens, meist unterschiedliche Gruppen. Aufschläge auf Verbrauchsgüter wie Sprit oder Lebensmittel schmerzen die Armen mehr als die Reichen. Steuern sind sozial gestaffelt, nicht sozial genug, aber immerhin.

Zweitens wurden alle Entlastungen, die die Ampel nun hervorkramt, früher beschlossen, um die schon damals zahlreichen Krisen abzufedern, als noch keine 60 Milliarden Euro im Haushalt fehlten. Die EEG-Umlage musste dieses Jahr schon nicht mehr gezahlt werden. (Und während der CO2-Preis nun stärker steigt, steigt die Entlastungswirkung über den Wegfall der Umlage eben nicht).

Was, drittens, zu der unausweichlichen Erkenntnis führt, dass die Preise jetzt selbstverständlich nicht so stark steigen würden, wenn die Ampel all die Belastungen der Haushaltseinigung vermieden hätte. Es war eine politische Entscheidung, die sie auch anders hätte treffen können. Die Bundesregierung trägt dafür die Verantwortung. In einer Situation wohlgemerkt, in der die Reallöhne in Deutschland wegen der steigenden Preise seit 2019 ohnehin schon um 7,2 Prozent gesunken sind. Anders als in Frankreich (nur -0,5 Prozent), Großbritannien (-2,2 Prozent) oder den USA (+2,8 Prozent).

Die neuen Belastungen werden die allermeisten nicht in Existenznöte bringen, auch das Argument stimmt. Aber Gerechtigkeit ist selten etwas Absolutes, sondern relativ: Es geht mir schlechter als meinem Nachbarn, gestern war's besser als heute. Entscheidend ist das Gerechtigkeitsempfinden. Und das darf bei jedem erschüttert sein, wenn er erst versprochen bekommt, in den Krisen nicht allein gelassen zu werden, dann doch belastet wird – und man ihm hinterher noch erklärt, das sei ja alles gar nicht so schlimm. So düngt man wachsenden Frust.

Der Haushaltskompromiss weckt damit böse Erinnerungen an die Gasumlage. Damals sollten die Verbraucher einen Aufschlag auf den ohnehin steigenden Gaspreis zahlen, um die Energieimporteure zu retten. Nach wochenlangen Erklärungen, warum das angeblich alternativlos sei, entschied sich die Koalition für die Alternative: ein milliardenschweres Entlastungspaket finanziert durch Schulden.

Auch heute wächst der Unmut längst, selbst in der Koalition. Der SPD tut weh, dass der Sprit teurer wird und die Förderung der E-Autos nun auch schneller als geplant aufhört. Der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir findet es ungerecht, dass seine Bauern nun keine Dieselsubventionen mehr bekommen. Was dazu führt, dass auch Finanzminister Lindner und die FDP das Ganze wieder hinterfragen. Es ist ein großes Tohuwabohu.

Damals, bei der Gasumlage, hat die Ampel ihren Fehler korrigiert. Heute ist zu befürchten, dass die waidwunde Koalition dazu keine Kraft mehr hat. Die Wirklichkeit aber, von der sie längst umzingelt ist, wird sie spätestens nächstes Jahr bei den drei Landtagswahlen im Osten erwischen. Es dürfte schmerzhaft werden.

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Ein Oberbürgermeister für die AfD

Die AfD hat ihren ersten Oberbürgermeister in Deutschland. In der sächsischen Stadt Pirna gewann am Sonntag Tim Lochner die Wahl, der zwar kein Parteimitglied ist, aber für die AfD antrat. Erst vor wenigen Tagen hatte das Landesamt für Verfassungsschutz die AfD in Sachsen als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft.

Es ist nicht der erste kommunale Erfolg für die AfD – und es dürfte nicht der letzte bleiben. Im Sommer wurde im Landkreis Sonneberg in Thüringen der AfD-Politiker Robert Sesselmann zum Landrat gewählt. Dort wird die AfD vom Verfassungsschutz schon seit 2021 als "gesichert rechtsextremistisch" bewertet.

Ein Automatismus ist der Erfolg der AfD in Städten und Kreisen aber auch im Osten längst nicht. In Nordhausen in Thüringen und in Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt verloren AfD-Kandidaten zuletzt ihre Wahlen.


Termine des Tages

Bauern auf den Barrikaden: Der Deutsche Bauernverband hat für heute zu einer Demonstration in Berlin aufgerufen. Das Motto: "Zu viel ist zu viel! Jetzt ist Schluss!". Die Landwirte wollen mit ihren Traktoren ein Zeichen setzen gegen das Aus für die Agrardieselsubvention und die Kfz-Steuerbefreiung. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir wird als Redner erwartet.


Nancy Faeser in Georgien: Die Innenministerin reist nach Tiflis, um über ein Migrationsabkommen zu verhandeln. Es soll Abschiebungen nach Georgien erleichtern und im Gegenzug die Einreise georgischer Arbeitskräfte nach Deutschland vereinfachen.


Annalena Baerbock in Ruanda: Die Außenministerin trifft ihren Amtskollegen Vincent Biruta und besucht die Erinnerungsstätte an den Völkermord von 1994. Zudem schaut sie sich die Baustelle der mRNA-Impfstofffabrik des Mainzer Pharmaunternehmens Biontech an.


Boris Pistorius in Litauen: Der Verteidigungsminister besucht den Nato-Partner, führt Gespräche und unterzeichnet den Fahrplan für die dauerhafte Stationierung der "Brigade Litauen".


Recep Tayyip Erdoğan in Ungarn: Der türkische Präsident besucht den Premierminister Viktor Orbán.


Lesetipps

Von Hamburg aus sollen zwei Russen millionenschweren Waffen- und Ölschmuggel abgewickelt haben. Der Sohn eines Gouverneurs und sein Partner wurden verhaftet. Doch nun sind sie frei, berichtet mein Kollege Jonas Mueller-Töwe.


Die Zahl der Hinrichtungen im Iran ist auf einem Rekordhoch. Allein in der vergangenen Woche wurden 27 Menschen hingerichtet. Der Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nejad sieht dafür im Gespräch mit meiner Kollegin Marianne Max einen entscheidenden Grund.


Nicht nur ein Wechsel des Strom- und Gasanbieters kann sich 2024 lohnen. Auch manche Krankenkasse wird teurer. Meine Kollegin Christine Holthoff gibt einen ersten Überblick.


Ohrenschmaus

Mit Superlativen sollte man vorsichtig sein. Bei Keith Richards sind sie obligatorisch. Der Gitarrist und Songwriter hat mit den Rolling Stones die Musikkultur der vergangenen Dekaden mitgeprägt. Heute wird Keith Richards 80 Jahre alt. Wir gratulieren herzlich und rufen: Shake Your Hips! (Ein Song übrigens, der im Original vom Bluesmusiker Slim Harpo stammt.)


Zum Schluss

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche. Am Dienstag schreibt Ihnen meine Kollegin Annika Leister den Tagesanbruch.

Ihr Johannes Bebermeier
Politischer Reporter

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Mit Material von dpa.

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