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Iran: Regime benutzt Todesstrafe immer mehr | Hinrichtungen


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Zahl der Hinrichtungen auf Rekordhoch
"Das hat Teheran ein Gefühl der Straflosigkeit gegeben"


Aktualisiert am 16.12.2023Lesedauer: 4 Min.
Ayatollah Ali Khamenei, geistliches und politisches Oberhaupt der Islamischen Republik im Iran (Archivbild): Kritiker seines Regimes lässt er gefangen nehmen, teils zum Tode verurteilen.Vergrößern des Bildes
Ayatollah Ali Khamenei, geistliches und politisches Oberhaupt der Islamischen Republik im Iran (Archivbild): Kritiker seines Regimes lässt er gefangen nehmen, teils zum Tode verurteilen. (Quelle: Iranian Supreme Leader'S Office/imago-images-bilder)
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Im Schatten des Nahostkrieges befindet sich die Zahl der Hinrichtungen im Iran auf einem Rekordhoch. Ein Experte sieht dafür einen entscheidenden Grund.

Einen Strick um den Hals, werden sie langsam von einem Kran hochgezogen, bis ihnen die Luft wegbleibt, das Genick bricht: So richten Regimekräfte im Iran derzeit mehrmals täglich zum Tode verurteilte Gefangene hin – pro Woche so oft, dass die Staatsmedien des islamischen Regimes nicht einmal über alle Hinrichtungen berichten. Denn dann würde deutlich werden: Die Hinrichtungsmaschinerie des Regimes läuft derzeit auf Hochtouren.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen, die die staatlich angeordneten Tötungen verfolgen, versuchen, das Ausmaß dieses Vorgehens mithilfe von Angehörigen der Getöteten und geheimen Informanten zu erfassen. Sie kommen zu dem Schluss: Die Zahl der Hinrichtungen im Iran befindet sich derzeit auf einem Rekordhoch. Doch warum exekutiert das Regime unter Ayatollah Ali Khamenei, dem geistlichen und politischen Oberhaupt der Islamischen Republik, gerade so viele Gefangene?

"Das nutzt das Regime, um die Exekutionen hochzufahren"

Ali Fathollah-Nejad, Politikwissenschaftler für den Nahen und Mittleren Osten, sieht dafür im Gespräch mit t-online mehrere Gründe: "Der Hauptgrund ist, dass die internationale Aufmerksamkeit seit dem 7. Oktober nicht mehr auf Iran gerichtet ist", so der Direktor des Center for Middle East and Global Order (CMEG). Zwar sei das schon davor so gewesen, habe sich seit dem jedoch nochmals verschärft. "Das nutzt das Regime, um die Exekutionen hochzufahren", so der Experte.

Das Land belegte bereits in den vergangenen Jahren weltweit hinter China den zweiten Platz der jährlichen Hinrichtungen. Regimekritiker oder Menschen, die sich nicht an die islamistischen Gesetze halten, lässt Teheran damit bestrafen.

Statistiken von Menschenrechtsorganisationen belegen nun jedoch den Anstieg der Tötungen: Laut der in Norwegen ansässige Gruppe Iran Human Rights (IHR) wurden mit 600 Menschen bis Anfang November so viele Gefangene hingerichtet wie in den vergangenen acht Jahren nicht mehr. Nur wenige Tage später, Ende November, waren es laut der kurdischen Menschenrechtsorganisation Hengaw bereits 700 Exekutionen. Allein in der vergangenen Woche richtete das Regime demnach bis Freitag 27 Gefangene hin – im Schnitt mehr als fünf Menschen pro Tag.

Das sei auch Ausdruck eines Regimes, das sich nicht in Sicherheit wägt, so Fathollah-Nejad. Er macht klar: "Es ist Ausdruck von Unsicherheit." Die kam in Teheran mit den Protesten gegen das Regime auf, welche im September 2022 durch den gewaltsamen Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini ausgelöst worden waren. In diesem Zusammenhang ließ das Regime seit dem vergangenen Jahr offiziell sieben Männer hinrichten.

Proteste im Iran

Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini. Sie starb am 16. September in Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen des angeblichen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. In den vergangenen Wochen wurden bereits mehrere Todesurteile gegen Demonstranten verhängt. Nach Einschätzungen von Menschenrechtlern wurden seit Mitte September mindestens 470 Demonstranten getötet und mehr als 18.000 verhaftet. Lesen Sie hier eindrückliche Berichte von fünf Iranerinnen und Iranern.

Die restlichen Todesurteile – darunter viele Männer ethnischer oder religiöser Minderheiten – seien in anderen Zusammenhängen vollstreckt worden. Menschenrechtsorganisationen bezeichnen die Prozesse jedoch als Scheinprozesse. So hätten die Beschuldigten häufig keinen Zugang zu einem Anwalt oder würden in Gefangenschaft gefoltert werden. Mehr dazu lesen Sie hier.

"Aktuelle Hinrichtungen sind eine traurige Bestätigung"

Einen weiteren Grund dafür, dass das Regime derzeit so viele Menschen hinrichten lässt, sieht Fathollah-Nejad auch darin, dass eine angemessene Reaktion des Westens auf die Repressionen des Regimes gegen die Bevölkerung im Land ausgeblieben sei. "Teheran hat das ein Gefühl der Sicherheit und der Straflosigkeit gegeben", so Fathollah-Nejad – eine Folge, vor der der Experte bereits vor Monaten gewarnt hatte. "Die aktuellen Hinrichtungen sind eine traurige Bestätigung dessen", sagt der Experte.

Die EU hatte in der Vergangenheit mehrere Personen und Organisationen sanktioniert, die für die Unterdrückung der Bevölkerung verantwortlich sind – darunter auch Gefängniswärter. Expertinnen und Experten bezeichneten diese jedoch als ungenügend. Die letzten Sanktionen im Zusammenhang mit der Repression im Iran erließ die EU zum Jahrestag der aktuellen Proteste im September (t-online berichtete). Doch seitdem bleiben weitere Konsequenzen für die Machtelite Teherans, auch im Angesicht der aktuellen massenhaften Hinrichtungen, aus.

Anfang November forderte UN-Generalsekretär António Guterres das islamische Regime lediglich dazu auf, die Hinrichtungen zu stoppen, die Todesstrafe abzuschaffen und alle willkürlich Verhafteten freizulassen. Passiert ist seitdem nichts.

Kein Blick in den Iran

Stattdessen richten sich die Augen westlicher Staatschefs auf andere Konfliktherde und damit höchstens auf die Außenpolitik des islamischen Regimes.

Dieses gilt als eines der glühendsten Unterstützer der palästinensischen Terrororganisation Hamas und der libanesischen Hisbollah, ebenso wie der jemenitischen Huthis. Eine direkte Verbindung zu dem Angriff der Hamas auf Israel kann Teheran nicht nachgewiesen werden – wenngleich Experteneinschätzungen und Medienrecherchen das islamische Regime dahinter vermuten lassen. Sanktionen diesbezüglich muss die Herrschaftsriege im Iran daher vorerst wohl nicht fürchten.

Ein weiterer Brandherd, dem die Aufmerksamkeit der westlichen Regierungen gilt, ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine – und auch hier kommt Teheran ins Spiel. Weil die EU es als erwiesen ansieht, dass Russland aus dem Iran mit Lieferungen von Shahed-Drohnen in seinem Krieg gegen die Ukraine unterstützt wird, hat sie bereits mehrere Sanktionen gegen verantwortliche Funktionäre im Iran erlassen.

Zuletzt beschloss die EU am Montag weitere Sanktionen gegen sechs Personen sowie fünf Organisationen im Iran, die im Zusammenhang mit den Drohnenlieferungen stehen sollen. Auch diese bezeichnet Iran-Experte Fathollah-Nejad jedoch als unzureichend. Die Henker im Iran dürfte das in ihrem Vorgehen gegen die eigene Bevölkerung zudem nicht aufhalten.

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