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CDU-Grundsatzprogramm: Jetzt wird's unangenehm für Friedrich Merz


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Tagesanbruch
Jetzt wird's unangenehm für ihn


12.12.2023Lesedauer: 6 Min.
Friedrich MerzVergrößern des Bildes
Friedrich Merz: Das Grundsatzprogramm steht, die Machtfragen der CDU sind ungeklärt. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

die CDU hat am Montag ihren Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm vorgestellt. Und wem Ideen in der Politik wichtiger sind als Köpfe, der kann das eigentlich nur gut finden. 70 Seiten ist das Programm lang, 22 Monate hat die Partei daran gearbeitet, in 11 Fachkommissionen und 215 Sitzungen.

Was im Detail herausgekommen ist, haben meine Kollegen an dieser Stelle zusammengefasst. Einiges ist buchstäblich eine Reise zurück in die Neunzigerjahre. So wie die Forderung nach einer "Leitkultur", die über Recht und Grundgesetz hinausgeht. Wie damals bleibt leider unklar, wer eigentlich beurteilen und kontrollieren soll, ob jemand "diese Leitkultur lebt" und sich damit "zu unseren Werten" bekennt. Ich würde sagen: Weil das natürlich niemand kann.

Andere Ideen weisen schon eher in die Zukunft. Die CDU schreibt zum Beispiel in einem etwas verquasten Satz, dass viel dafür spreche, "die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung" zu koppeln. Was nichts anderes heißt als: Wir werden wohl später in Rente gehen müssen, wenn wir immer älter werden. Das kann man falsch finden. Aber gerade weil es umstritten ist und für die leicht silberköpfige Volkspartei CDU eine Kernfrage, ist es durchaus mutig, das so aufzuschreiben.

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"Die CDU Deutschland ist wieder regierungsfähig", jubilierte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann gleich zu Beginn der Präsentation. "Sollte es zu einer vorgezogenen Bundestagswahl kommen, wären wir bereit." Und damit hat es ihn bei all der Freude dann doch aus der Kurve getragen. Denn so sehr den Christdemokraten ihr programmatischer Moment gegönnt sei – die wichtigeren Fragen für eine Regierungsmaschine wie die CDU sind ungeklärt: die Machtfragen. Und zwar gleich drei davon.

Da wäre zunächst die klitzekleine Frage des Kanzlerkandidaten. Wie schwierig das in der Union werden kann, wissen wir spätestens seit der vergangenen Wahl. Das lag damals an Markus Söder, der sich in seiner Bescheidenheit mal grundsätzlich für jedes Amt am besten geeignet hält. Diesmal dürfte eine einmütige Entscheidung noch schwieriger werden, was an neuen Hoffnungsträgern wie Hendrik Wüst und Boris Rhein liegt. CDU-Chef Friedrich Merz will im Spätsommer 2024 einen Vorschlag machen – möglichst einvernehmlich und geordnet und gemeinsam mit Markus Söder. Ob das klappt?

Selbst wenn, könnte sich die Union noch in eine andere machtpolitische Misere manövrieren. Merz hat die Grünen zum politischen "Hauptgegner" erklärt, was man natürlich tun kann. Die Frage ist nur, wie glaubwürdig und erfolgversprechend das ist, wenn man zugleich nicht ausschließt, nach der Wahl mit diesem grauslichen Hauptgegner eine Regierung zu bilden.

Das Problem für die CDU ist: Würde sie eine Koalition mit den Grünen ausschließen, bliebe ihr als realistischer Partner ausschließlich die SPD (eventuell ergänzt durch die FDP). Nur eine einzige Machtoption zu haben, ist aber auch ziemlich grauslich. Besonders wenn diese Machtoption Große Koalition (mit Anhängsel) heißt. Es wird also unangenehm, so oder so.

Noch viel unangenehmer wird es nächstes Jahr in Sachsen, Brandenburg und vor allem Thüringen. In allen drei Ländern liegt die AfD in Umfragen deutlich vorn. Vor allem Thüringen könnte unregierbar werden. Das liegt daran, dass die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow hier so stark ist wie nirgends sonst. Aber eben auch daran, dass die CDU mit dieser Linken nach wie vor keine Regierung bilden will. Zu viel SED-Historie für den christdemokratischen Geschmack.

Machtfrage auf Thüringisch bedeutet inzwischen, dass fraglich ist, ob so überhaupt irgendein Bündnis ohne die AfD an die Macht kommen kann. Eine Mehrheit im Parlament hat die Regierung aus Linken, SPD und Grünen schon heute nicht. Es ist durchaus möglich, dass sich die CDU am Ende entscheiden muss zwischen Chaos und Bodo Ramelow. Und man hat gerade nicht das Gefühl, als würde sich die Partei mit dieser Aussicht ehrlich und gewissenhaft auseinandersetzen.


Das Weltklima retten, aber bitte mit Öl?

Es klang von Beginn an absurd. Eine Weltklimakonferenz ausgerechnet in den ölreichen Vereinigten Arabischen Emiraten. Ein Konferenzchef namens Sultan Ahmed al-Dschaber, der nebenbei auch noch Chef eines Ölkonzerns ist. Und ausgerechnet diese Weltklimakonferenz soll den Ausstieg der Welt aus fossilen Energien beschließen?

Heute, am Morgen des planmäßig letzten Tages der 28. UN-Klimakonferenz in Dubai, kann man sagen: Wohl eher nicht. Zumindest nicht in einer Form, die wirklich irgendeinen Ölscheich besorgen muss – und die dem Klima wirklich hilft.

In einem Entwurf für den Abschlusstext, der am Montag veröffentlicht wurde, ist ein Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas gar nicht erwähnt. Anders als in vorigen Entwürfen kommt der magische englische Begriff "phase-out" (zu Deutsch: das Auslaufen) gar nicht mehr vor. Nicht einmal in seiner weichsten Form, nämlich in Verbindung mit dem Hintertür-Wort "unabated", das den fossilen Energien vorangestellt wird. Es heißt so viel wie unvermindert oder ungebremst und ließe die Möglichkeit, weiterhin Öl, Kohle und Gas zu verbrennen – solange das CO2 gespeichert und nicht in die Luft geblasen wird.

Viele Experten halten schon das in dem riesigen Maßstab, der nötig wäre, für unrealistisch. Sie fürchten, dass es dazu führt, dass sich die Welt in die Tasche lügt und sich zu spät von den Fossilen verabschiedet. Doch selbst diese offensichtliche Kompromissformel hat es eben nicht in den Beschlussentwurf geschafft. Erdölstaaten der Opec, insbesondere Saudi-Arabien, sollen in den vergangenen Tagen Druck auf den Konferenzchef al-Dschaber ausgeübt und mit einem Veto gedroht haben.

Und während die Opec-Staaten zufrieden sein dürften, regt sich andernorts heftiger Widerstand. Auf den Marshallinseln im Pazifik zum Beispiel, irgendwo zwischen Hawaii und Australien. Die Marshallinseln sind einer der kleinsten Staaten der Erde und am stärksten vom steigenden Meeresspiegel bedroht. Man sei nicht nach Dubai gekommen, sagte ihr Chefverhandler John Silk, "um unser Todesurteil zu unterschreiben" und "stillschweigend in unsere wässrigen Gräber" zu steigen.

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Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock formulierte weniger bildstark, aber nicht weniger deutlich. "Wir können diesen Text nicht unterstützen", sagte sie in Dubai. Der Vorschlag sei eine Enttäuschung. "Insgesamt ist er nicht ausreichend, wesentliche Elemente sind für uns als Europäische Union nicht akzeptabel."

Und nun? In dieser Form wird der Abschlusstext zumindest nicht beschlossen. Um die Konferenz am heutigen Dienstag wie geplant abzuschließen, müsste sich rechtzeitig ein Kompromiss finden, mit dem alle irgendwie leben können. Gut möglich also, dass die Weltklimakonferenz mal wieder in die Verlängerung geht. Nur ob mehr Zeit für einen halbwegs sinnvollen Kompromiss ausreicht?

Wahrscheinlicher ist, dass die Weltklimakonferenz irgendwann mit folgendem Befund zu Ende geht: Nicht nur das Klima ist in der Krise, der Klimaschutz ist es längst auch. Und in Dubai manifestiert sich die Klimaschutzkrise auf der ganz großen Bühne.


Termine des Tages

Selenskyj im Weißen Haus: Es klingt nach Routinetermin, ist aber ein Krisenmanöver. US-Präsident Joe Biden hat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Washington eingeladen, "um das unerschütterliche Engagement der Vereinigten Staaten für die Unterstützung des ukrainischen Volkes bei der Verteidigung gegen die brutale russische Invasion zu unterstreichen". So heißt es zumindest in der offiziellen Verlautbarung der US-Regierung.

In Wirklichkeit aber muss Selenskyj Biden helfen, eine politische Blockade zu lösen, die buchstäblich ukrainische Leben gefährdet. Die Republikaner im Kongress blockieren die Freigabe neuer US-Hilfen, die bisherigen werden am Jahresende aufgebraucht sein. Wichtiger als sein Gespräch mit Biden dürften deshalb die Gespräche mit den Republikanern sein, die Selenskyj in Washington treffen wird. Ein unwürdiges Schauspiel, kommentiert mein US-Kollege Bastian Brauns.


Wagenknechts Gruppe: Zehn frühere Bundestagsabgeordnete der Linken hat Sahra Wagenknecht für ihr "Bündnis Sahra Wagenknecht" gewinnen können. Heute wollen sie sich als Gruppe im Parlament formieren, natürlich mit einer Pressekonferenz. Sofern das Parlament zustimmt, bekommt Wagenknechts Gruppe bestimmte Rechte im Bundestag sowie finanzielle Unterstützung. Die verbliebenen 28 Abgeordneten der Linken haben dasselbe beantragt.


Religionsmonitor 2023: Die Bertelsmann Stiftung veröffentlicht eine neue Studie zu antisemitischen und antimuslimischen Einstellungen in Deutschland.


Historisches Bild

Während des Amerikanischen Bürgerkriegs wurden die Sklaven befreit. Fünf Jahre später saß ein Afroamerikaner im US-Repräsentantenhaus. Wer er war, lesen Sie hier.


Lesetipps

Die Züge der Deutschen Bahn kommen oft nicht, die Boni für den Vorstand schon und zwar reichlich. Es braucht dringend eine Reform des Bonussystems, meint meine Kollegin Frederike Holewik.


Mit einer Offensive wollte die Ukraine die russischen Truppen weiter aus dem Land jagen. Doch sie ist gescheitert. Wendet sich nun die Lage zugunsten Russlands? Nein, sagt Militärökonom Marcus Keupp im Gespräch mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.


Wie schnell geht Radikalisierung? Anfang Juli wird eine junge Frau von der CDU für die Kommunalwahl aufgestellt. Fünf Monate später mischt sie in AfD und Identitärer Bewegung mit, berichtet mein Kollege Lars Wienand.


Zum Schluss

Am Mittwoch schreibt Chefredakteur Florian Harms den Tagesanbruch für Sie. Aber erst einmal wünsche ich Ihnen einen guten Dienstag!

Ihr Johannes Bebermeier
Politischer Reporter

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Mit Material von dpa.

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