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Erbe: SPD-Jusos fordern Gerechtigkeit – 60.000 Euro für alle 18-Jährigen


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Tagesanbruch
60.000 Euro für alle!


Aktualisiert am 13.11.2023Lesedauer: 5 Min.
Passanten in der Essener Innenstadt (Symbolbild): Nach dem Willen der Jusos sollte jeder 18-Jährige ein Grunderbe von 60.000 Euro erhalten.Vergrößern des Bildes
Passanten in der Essener Innenstadt (Symbolbild): Nach dem Willen der Jusos sollte jeder 18-Jährige ein Grunderbe von 60.000 Euro erhalten. (Quelle: Ulrich von Born/imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

wissen Sie noch, was Sie zu Ihrem 18. Geburtstag geschenkt bekommen haben? Ein Besteckset zum Auszug vielleicht? Einen Zuschuss zum Führerschein? Oder waren womöglich nur ein paar nette Worte drin? Ich kann mich ehrlich gesagt nicht erinnern. Was den Schluss nahe legt, dass es eines schon mal nicht war: ein Geldsegen über 60.000 Euro.

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Geht es nach dem Willen der Jusos, sollte künftig genau dieser Betrag jedem 18-Jährigen zustehen, der seinen Hauptwohnsitz in Deutschland hat. Als sogenanntes Grunderbe vom Staat, bedingungslos und unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Das will die Jugendorganisation der SPD in dieser Woche auf ihrem Bundeskongress beschließen.

Was für viele klingen mag wie eine Vision, wegen der man zum Arzt gehen sollte, ist ein durchaus spannender Ansatz. Und sollte nicht gleich als unfinanzierbarer Humbug abgetan werden. Denn die Jusos machen mit ihrem Vorstoß auf ein Problem aufmerksam, das zwar bekannt ist, gegen das bislang aber keine Regierung ernsthaft etwas getan hat: die grotesk große Vermögensungleichheit in Deutschland.

Aktuell besitzen die ärmsten 50 Prozent der Bevölkerung nur etwa 1 Prozent des privaten Vermögens, den reichsten 0,1 Prozent hingegen gehören bis zu 20 Prozent. Das wäre für sich genommen weniger dramatisch, hätten sich die Wohlhabendsten ihr Vermögen selbst erarbeitet. Doch der Großteil stammt nicht aus eigener Leistung, sondern wird vererbt oder verschenkt. Nur gut 7 Prozent der rund 400 Milliarden Euro, die so jedes Jahr den Besitzer wechseln, gehen nach Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) an die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Wer reich geboren wurde, wird tendenziell noch reicher. Wer nichts hat, verliert den Anschluss.

Damit ist das neoliberale Mantra, dass es jeder schaffen könne, wenn er sich nur anstrenge, zum Märchen verkommen. Aus der Leistungsgesellschaft ist eine Erbengesellschaft geworden. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch eine Gefahr für die Demokratie. Denn wer viel Geld hat, hat auch ungleich mehr politischen Einfluss. Superreiche können Stiftungen und Think-Tanks gründen, überweisen Großspenden an Parteien. Auf dem Papier haben bei der Bundestagswahl zwar alle nur eine Stimme, doch wer vermögend ist, kann seine Macht vervielfachen. Das zerstört langfristig das Vertrauen in demokratische Institutionen.

Es ist daher gut und richtig, dass die Jusos das Thema Ungleichheit auf die Agenda bringen – wenn auch mit einer vergleichsweise radikalen Forderung. 60.000 Euro für jeden 18-Jährigen, das würde den Staat jedes Jahr 45 Milliarden Euro kosten. Wie realistisch das ist, kann sich jeder ausmalen, der an den monatelangen Streit um die Kindergrundsicherung denkt. Mit Ach und Krach konnten am Ende schmale 2,4 Milliarden Euro lockergemacht werden.

Zwar haben die Jusos auch eine Idee, wie sich das Grunderbe finanzieren ließe. Die Einführung eines progressiv steigenden Steuersatzes auf Erbschaften, der in der Spitze bis zu 90 Prozent beträgt, dürfte allerdings zu viele Vermögende aus Deutschland vertreiben. Zudem könnte die hohe Summe von 60.000 Euro dazu führen, dass junge Menschen kaum noch Anreize haben, selbst etwas zu sparen. Und: Dass das Grunderbe nach Juso-Art nicht an Bedingungen geknüpft sein soll, birgt die Gefahr, dass das Geld einfach nur verprasst, statt sinnvoll angelegt wird.

Nun ist es nicht Aufgabe der Jusos, einen Vorschlag zu machen, der sich morgen umsetzen lässt. Ihre Forderung sollten wir vielmehr zum Anlass nehmen, über gangbare Maßnahmen gegen ungleich verteilte Vermögen nachzudenken. Das DIW beispielsweise hat bereits 2021 ausgerechnet, dass schon ein Grunderbe von 20.000 Euro für alle 18-Jährigen die Ungleichheit um bis zu 7 Prozent senken würde (mehr dazu hier). Finanziert werden könne das durch "eine moderatere Reform der Erbschaftsteuer mit geringeren Kollateralschäden", sagte der damalige Studienleiter Stefan Bach dem "Tagesspiegel".

Der DIW-Vorschlag ist zudem zielführender, da das Grunderbe nicht bar auf die Hand ausgezahlt würde, sondern an Auflagen gebunden wäre. So würden junge Erwachsene verpflichtet, das Geld für die Vermögensbildung einzusetzen – etwa um Wohneigentum zu finanzieren, Aus- und Weiterbildungen zu bezahlen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen oder es langfristig am Aktienmarkt anzulegen.

Letzteres wäre sogar mit der Empfehlung einer Expertengruppe vereinbar, die der Ampel im Sommer ein Altersvorsorgedepot als Alternative zur Riester-Rente vorgeschlagen hat (mehr dazu hier). Das Grunderbe könnte direkt dort hineinfließen und bis zum Rentenbeginn mit 67 Jahren und bei einer angenommenen jährlichen Rendite von 6 Prozent auf mehr als 265.000 Euro wachsen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die 18-Jährigen wissen, was sie tun. Die Auszahlung eines staatlichen Startkapitals müsste daher zwingend von mehr finanzieller Bildung in Schulen flankiert werden.

Ein Allheilmittel gegen Ungleichheit ist das Grunderbe nicht. Aber es könnte die geplanten oder bereits umgesetzten Ideen der Koalition, wie auch ärmere Haushalte Vermögen bilden können, sinnvoll ergänzen. Jetzt muss nur noch jemand Christian Lindner überzeugen.



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Mit Material von dpa.

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