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"Letzte Generation" in Berlin | Eine besser Klima-Idee für die Aktivisten


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Tagesanbruch
Eine bessere Idee für die Klimakleber

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 25.04.2023Lesedauer: 5 Min.
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Eine Aktivistin der "Letzten Generation" hat ihre Hand auf der Kniprodestrasse in Berlin festgeklebt. (Quelle: IMAGO/JOCHEN)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

diese Woche steht im Zeichen des Protests. Und des Klebstoffs. Die Leute von der "Letzten Generation" haben die deutsche Hauptstadt ins Visier genommen und zahlreiche Aktionen veranstaltet. Wobei veranstaltet ein zu harmloser Begriff ist. Gestern blockierten sie vielerorts in Berlin den Verkehr, auch auf der Stadtautobahn 100 herrschte zeitweise Stillstand. Es brauchte 500 Polizisten, um ein größeres Chaos zu verhindern. In Charlottenburg mussten die Beamten den Asphalt aufsägen, weil sich der Klebstoff eines Aktivisten partout nicht lösen ließ. "Wir nehmen nicht mehr hin, dass diese Regierung sich nicht an unsere Verfassung hält", tönte ein Sprecher der "Letzten Generation". "Wir nehmen nicht länger hin, dass die Regierung keinen Plan hat, wie die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen gestoppt werden kann. Wir leisten jetzt Widerstand."

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In den Regierungsparteien finden die Kleber keinerlei Verständnis, noch nicht einmal bei den klimabewegten Grünen. Innenministerin Nancy Faeser von der SPD verschärft ihren Ton und raunzt im "Tagesspiegel": "Ich habe nicht das geringste Verständnis für die Aktionen. Der Rechtsstaat lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen." Legitimer Protest ende dort, wo Straftaten begangen und andere in ihren Rechten verletzt würden – das sei "die rote Linie". Dass der Staat jungen Menschen auf der Nase herumtanzt und ihre Zukunftschancen aufs Spiel setzt, indem er effektivere Schritte gegen die Erderhitzung verweigert und damit sein eigenes Klimaschutzgesetz bricht, worin man ja ebenfalls das Überschreiten einer roten Linie sehen kann, sagte sie lieber nicht.

Es steckt viel Scheinheiligkeit in dieser Debatte. Die vorherrschende Meinung in der Bevölkerung ist allerdings eindeutig: Die Mehrheit lehnt die Blockaden der Klimakleber ab. Erst recht, wenn dabei Rettungswagen behindert werden, wie es in Berlin gestern mehrfach geschehen sein soll. Trotzdem will die Gruppe heute weitermachen und hat weitere Aktionen angekündigt. Und das, obwohl sich mittlerweile auch prominente Umweltschützer gegen sie wenden. So wie der Polarforscher Arved Fuchs, der im Interview mit meiner Kollegin Heike Vowinkel sagt: "Die 'Letzte Generation' spaltet die Gesellschaft."

So geraten die Aktivisten immer weiter ins gesellschaftliche Abseits – was nicht gut ist. Denn es braucht dringend ein stärkeres Bewusstsein in der Bevölkerung, dass wir alle unseren Lebenswandel schleunigst ändern müssen. Dass es eben nicht reicht, mit dem Finger auf die Chinesen oder die Amerikaner zu zeigen, während man selbst weitermacht wie bisher. Und dass sich Klimaschutz auch nicht darin erschöpft, darauf zu warten, dass die Regierung Ansagen macht und diese mit viel Geld abfedert, damit sie nicht allzu sehr schmerzen.

Wir haben jahrzehntelang über unsere Verhältnisse gelebt und den Planeten ausgebeutet. Vor allem hier im wohlhabenden Westen. Nun müssen wir die Rechnung bezahlen. Bis all die zusätzlich notwendigen Windräder, Solaranlagen und Stromnetze stehen, genug Gebäude gedämmt, alte Heizungen ausgetauscht und Bahnstrecken saniert sind, werden noch viele Jahre vergehen.

So viel Zeit haben wir nicht mehr. Die ersten Klimakipppunkte werden wohl schon in diesem Jahrzehnt erreicht. Je länger wir warten, desto aufwendiger, schmerzhafter und teurer wird das Gegensteuern. Deshalb ist ein gesellschaftlicher Konsens für entschlossenen Klimaschutz jetzt so wichtig. Es funktioniert eben nicht, bei einem Glas Rotwein über die lahmen Politiker zu lamentieren, aber am nächsten Tag doch wieder in den Spritschlucker oder den Langstreckenjet zu steigen.

Was also könnten die Klimaaktivisten tun, um sich von Nervensägen zu Vorbildern zu wandeln? Sie könnten zum Beispiel beginnen, möglichst viele junge Menschen zum Verzicht zu bewegen und den Älteren damit ein Vorbild zu geben. Nicht nur Benzinautos und Flugzeuge sind schädlich fürs Klima. Auch viele beliebte Beschäftigungen der Generation unter 30 sind es. So wie die Dauernutzung digitaler Geräte: Diese treibt den Stromverbrauch und damit auch den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid massiv in die Höhe. Einen Film zu streamen verursacht so viel CO2 wie zwei Kilometer Autofahrt, 20 Mal googeln verbraucht so viel Energie wie eine Glühbirne pro Stunde.

Die Kollegin Susanne Gaschke von der "Neuen Zürcher Zeitung" formuliert es so: "Als Beweis ihrer Klimasolidarität könnten junge Leute auch aufhören, Filme zu streamen, jeden Unfug zu googeln oder permanent Reels zu posten. Das Internet hat einen rasenden Energiehunger und verbraucht im Jahr Strom in der Größenordnung ganzer Volkswirtschaften, Tendenz: steigend. Der Verzicht auf verschlüsselungsintensive Kommunikation, die allein der Unterhaltung dient, wäre ein ausgezeichnetes Opfer für das Klima. Aber das täte ja weh. Klimaklebeaktionen hingegen machen so viel Spaß wie Indianerspiele." Bis auf den polemischen Seitenhieb am Ende könnten das sicher viele unterschreiben. Womöglich sogar die Klimakleber.


Rettung in letzter Minute

Es ist eine gute Nachricht inmitten vieler schlechter: Mehr als 300 Menschen hat die Bundeswehr aus dem krisengeschüttelten Sudan ausgeflogen, wie Außenministerin Baerbock und Verteidigungsminister Pistorius gestern Abend mitteilten. Insgesamt sind der EU zufolge mehr als 1.000 Ausländer in Sicherheit gebracht geworden.

So erfreulich es ist, dass diese Menschen nicht mehr um ihr Leben fürchten müssen, so bitter ist die Lage in dem nordostafrikanischen Staat: In der Hauptstadt Khartum toben weiter Kämpfe, nach Angaben der Vereinten Nationen sind schon mindestens 427 Menschen getötet und 3.700 verletzt worden. Die Konfliktparteien haben zwar nach Angaben der USA eine neue Waffenruhe vereinbart. Ob diese eingehalten wird, ist allerdings zu bezweifeln. Und während Ausländer aus wohlhabenden Staaten mit dem Flieger evakuiert werden, haben sich Zehntausende Sudanesen unter Lebensgefahr auf dem Landweg in die Nachbarländer aufgemacht. Gut möglich, dass der Machtkampf zweier größenwahnsinniger Generäle nicht nur den zarten Demokratiebestrebungen im Sudan den Garaus gemacht hat. Sondern auch die ganze Region erschüttert.


Mond, wir kommen!

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Heute Abend vollzieht sich über unseren Köpfen Technikgeschichte: Läuft alles nach Plan, wird die japanische Raumsonde "Hakuto-R" gegen 18.40 Uhr unserer Zeit sanft im Atlas-Krater auf dem Mond aufsetzen. Der 2,3 Meter hohe und bei ausgefahrenen Beinen 2,6 Meter breite Apparat wurde in Ottobrunn bei München getestet, hat einen kleinen Rover der Vereinigten Arabischen Emirate an Bord sowie einen noch kleineren Zweiradroboter, der gemeinsam mit einem Spielzeughersteller entwickelt wurde. Es wäre die weltweit erste private Mondmission.


Ohrenschmaus

Was hören am heutigen Tag des Baumes? Natürlich das hier.


Lesetipps

Gute Nachrichten sind rar geworden. Hier ist eine aus den USA: TV-Moderator Tucker Carlson, der seit Jahren lügt und hetzt, verlässt den Sender Fox News. Die Erleichterung wird aber wohl nur kurz währen, schreibt unser Korrespondent Bastian Brauns.


Russlands Offensivkraft ist erschlafft, nun verschanzen sich Putins Truppen in Erwartung der ukrainischen Offensive. Die dürfte aber ganz anders verlaufen, als es die russischen Generäle erwarten, meint der Militärexperte Marcus Keupp im Interview mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.


Der Gaspreis ist stark gefallen. Verivox-Chef Daniel Puschmann erklärt im Interview mit meinen Kollegen Frederike Holewik und Florian Schmidt, warum die Preisbremse mittlerweile überflüssig ist.


Um aus der Krise herauszufinden, braucht der FC Bayern dringend einen Mittelstürmer. Unser Sportchef Andreas Becker findet: Die Münchner sollten Robert Lewandowski zurückholen.


Zum Schluss

Es ist alles eine Frage der Perspektive.

Ich wünsche Ihnen einen perspektivreichen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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