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Berlin | Wiederholungswahl: Es gibt nur eine gute Nachricht


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.

Tagesanbruch
Eine Zumutung

MeinungVon Tim Kummert

Aktualisiert am 13.02.2023Lesedauer: 5 Min.
Reichstagsgebäude: Auswirkungen auf die große Politik.Vergrößern des Bildes
Reichstagsgebäude: Auswirkungen auf die große Politik. (Quelle: Offenberg/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

eine Nachricht gleich vorneweg, für die gute Laune an diesem Morgen: Die Berliner Landtagswahl endete gestern nicht in einer Katastrophe. Das ist prima. Aber das war es dann auch schon wieder mit den guten – und vor allem den eindeutigen – Nachrichten.

Vieles andere ist auch am Morgen danach noch unklar. Zum Beispiel, wer künftig regieren wird. Die CDU wurde zwar mit Abstand stärkste Kraft. Doch könnten auch SPD, Grüne und Linke ihre bisherige Koalition fortsetzen. Weil die SPD nach Auszählung aller Stimmen knapp vor den Grünen liegt, könnte Franziska Giffey in diesem Fall Regierende Bürgermeisterin bleiben. Und eine Regierung am konservativen Wahlsieger vorbei bilden. Das kann man mutig finden, ist aber nicht unüblich. Denn in der Demokratie ist entscheidend, wer eine Mehrheit im Parlament zusammenbekommt.

Möglich ist auch eine schwarz-grüne Regierung (mäßig wahrscheinlich) und eine nicht ganz so große Große Koalition (extrem unwahrscheinlich).

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Berlin wurde dermaßen oft als Karikatur seiner selbst beschrieben, dass man sich als Einwohner wundert, dass die Stadt überhaupt noch steht. Angesichts der Probleme war der zurückliegende Wahlkampf manchmal eine Zumutung. Der Slogan "Grün und Gerecht", den die Ökopartei plakatierte, ist eine nette Alliteration. Aber kein präziser Kompass. Die FDP forderte: "Verwaltung muss wieder Verantwortung bedeuten". Aha. Und die SPD hängte allen Ernstes die Forderung auf: "Dönerpreisbremse jetzt". Natürlich sind das nur einzelne Beobachtungen.

Doch es ist gefährlich, wenn ein politischer Diskurs die Wähler nicht mehr erreicht. Denn das eigentliche Problem ist: Es scheint vielen Berlinern schlicht egal zu sein, wer sie regiert. Die Wahlbeteiligung lag bei 63,1 Prozent.

Mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten hat also nicht über die Politik mitentschieden, die ihr Leben betrifft. Neu ist dieser Trend nicht, doch er wird zunehmend gefährlicher. Udo Lindenberg hat das Wort "Scheißegalien" als Bezeichnung für einen fiktiven Ort erfunden. Ein wenig wirkt es manchmal, als wäre damit "Berlin" gemeint.

Video | Wahl in Berlin: Giffey räumt Niederlage ein
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Quelle: reuters

Dass es vielen Wählern egal zu sein scheint, wie Probleme gelöst werden, verwundert auch deshalb, weil es eigentlich um große Zukunftsfragen geht. Nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland.

Ein zentrales Thema im Wahlkampf war – so wie in vielen anderen Regionen auch – die Verkehrspolitik.

In Berlin gibt es die Friedrichstraße. Sie sollte, das war nach der Wende einmal der ganz große Traum, die Einkaufsmeile des Innenstadtbezirks Mitte werden. Davon redet heute keiner mehr, denn die paar Hundert prominentesten Meter sind inzwischen eher ein Symbol für den Niedergang der Innenstädte.

Die Hoffnung war einmal, den zentralen Abschnitt der Straße für Autos zu sperren, damit wieder Leben entstehe. Nun rasten allerdings Radfahrer durch. Dann hob ein Gericht die Entscheidung auch noch auf – und es fuhren wieder Autos. Für die Spitzenkandidatin der Grünen und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch war das kurz vor der Wahl natürlich das falsche Zeichen – und sie erklärte den Abschnitt vor Kurzem zur Fußgängerzone. Ihr Ziel: das Flair einer "Piazza, wie man sie aus Italien kennt", zu erzeugen. Allerdings stehen im traurigen Berliner Winter nun traurige Bänke herum.

Was mit der Friedrichstraße passiert, sollte keinem Berliner egal sein, sie ist doch so etwas wie die Blaupause grüner Verkehrspolitik.

Ähnlich sieht es beim Streit über die A100 aus. Die Berliner Stadtautobahn ist eine der Hauptverkehrsadern der Metropole. Viele Grüne sind dagegen, die Autobahn zu verlängern, Klimaaktivisten demonstrieren regelmäßig. Auch innerhalb des Berliner Senats herrscht Uneinigkeit. Es ist im Kleinen der gleiche Streit, bei dem sich aktuell im Großen auch die Ampelkoalition auf Bundesebene zofft. Da geht es um die grundsätzliche Frage, ob künftig auch Autobahnen beschleunigt gebaut werden sollen.

Und neben der Verkehrspolitik gibt es unter anderem noch die Frage, wie es zu Ausschreitungen wie denen in der Berliner Silvesternacht kommen konnte. Wie kann es sein, dass ein Staat sich teilweise nicht mehr traut, in bestimmte Stadtbezirke mit der Polizei vorzurücken? Wie kann es sein, dass die Sanitäter regelrecht mit Raketen beschossen werden?

Weniger Autos, mehr Polizisten? Oder umgekehrt? Oder von beidem mehr oder weniger? Die Frage dabei lautet: Wie wollen wir leben? Nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland. Da ist es ein schlechtes Zeichen, wenn so viele Wähler mit den Schultern zucken.

Diese "Mir-doch-wurscht-Haltung" ist gefährlich. Denn dahinter steckt bei vielen auch der Eindruck, dass es schon irgendwie laufen wird. Doch das tut es nicht. Die Probleme wie der Klimawandel sind real. Die sich verändernden Lebensbedingungen sind es auch. Nur irgendwie dagegen zu sein, ist noch keine Lösung.

In Berlin wird bald wieder gewählt. Aber keine Sorge: nicht zum dritten Mal das Abgeordnetenhaus. Dieses Mal können die Wähler über einen Volksentscheid mit dem Titel "Berlin 2030 klimaneutral" abstimmen.


Was steht an

Heute gibt es diverse Pressekonferenzen, die interessanter ausfallen als sonst: Für die einen steht ein Scherbengericht nach der Wahl bevor, für die anderen geht die Tendenz zur Jubelfeier. Viel Tristesse wohl um 11.30 Uhr bei der FDP, mehr Freude bei der CDU um 13 Uhr, da wird auch der Bundesvorsitzende Friedrich Merz mit dem Berliner Kai Wegner auftreten.

Spannend wird es um 9 Uhr morgens in München. Da wird die erste Aussage bei einer Befragung von Markus Braun erwartet. Braun war Vorstandschef bei Wirecard, es geht um gewerbsmäßigen Bandenbetrug. Im Raum steht, dass andere Banken um 3,1 Milliarden Euro geschädigt wurden. Es dürfte spannend werden, was Braun zu erzählen hat.

In dieser Woche beginnt die Münchner Sicherheitskonferenz. Der neue Chef Christoph Heusgen stellt dazu heute das Programm vor, gibt einen Ausblick auf das wichtige Treffen von Außen- und Sicherheitspolitikern.

Wie geht es mit dem geplanten Nato-Beitritt von Finnland und Schweden weiter? Darüber spricht Außenministerin Annalena Baerbock mit ihren Kollegen und bricht heute zu einer Reise in die beiden Länder auf. Unter anderem trifft sie den finnischen Außenminister Pekka Haavisto.

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Was lesen?

Welche Lehren lassen sich aus der Berliner Wahl ziehen? Meine Kollegen Annika Leister und Florian Schmidt haben fünf Thesen aufgeschrieben. Wie der Wahltag insgesamt ablief, können Sie in unserem Blog nachlesen. Von den Wahlpartys von CDU, SPD und Grünen berichten meine Kollegen Jannik Läkamp, Nils Heidemann und Yannick von Eisenhart Rothe. Ihr Eindruck: Unterschiedlicher konnten die Stimmungen kaum sein. Trotzdem: Regieren wollen immer noch alle.

In einer kleinen Stadt in England ist eine besondere Haltung populär: Dort hält man den EU-Austritt des eigenen Landes nach wie vor für eine gute Idee. Mein Kollege David Schafbuch berichtet über einen eigensinnigen Ort.

Falls Sie nicht geschlafen haben, sind Sie möglicherweise Football-Fan. In der Nacht fand das NFL-Finale, der sogenannte Super Bowl, statt. Die Kansas City Chiefs kämpften gegen die Philadelphia Eagles. Und wie ging es aus? Meine Kollegen aus dem Sport haben die Details.


Historisches Bild

Che Guevara und Fidel Castro schafften 1959 das Undenkbare: Sie machten sich die Insel Kuba untertan. Mehr lesen Sie hier.


Was amüsiert mich?

Nicht überall wird nach ein paar Monaten neu gewählt.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die neue Woche. Morgen schreibt an dieser Stelle wieder unser Chefredakteur Florian Harms für Sie.

Herzliche Grüße,

Ihr Tim Kummert
Politischer Reporter im Hauptstadtbüro von t-online
Twitter: @TKummert

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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