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Stimmung nach der Berlin-Wahl: Die drei Fragezeichen


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Wahlpartys der Parteien
Der klare Sieger ohne klare Mehrheit


12.02.2023Lesedauer: 5 Min.
Berlin state electionsVergrößern des Bildes
Bettina Jarasch, Franziska Giffey und Kai Wegner: Immer noch wollen sie alle Bürgermeister werden. (Quelle: REUTERS/dpa)

Unterschiedlicher könnten die Stimmungen auf den Wahlpartys von CDU, SPD und Grünen kaum sein. Trotzdem: Regieren wollen immer noch alle.

Die CDU: Der klare Sieger ohne klare Mehrheit

Um Punkt 18 Uhr platzt der Festsaal des Berliner Abgeordnetenhauses beinahe vor Begeisterung. Auf den Bildschirmen der CDU-Wahlparty erscheint das Ergebnis der ersten Hochrechnung. Die Christdemokraten werden Berlins stärkste Kraft.

"Das ist ein unglaubliches Gefühl", beschreibt Gregory Gosciniak diesen Moment. "Da geht eine unglaubliche Energie durch dich durch", so der 22-Jährige. Zusammen mit den anderen CDUlern in dem vollgepackten Festsaal bricht er in Jubelstürme aus.

Für die CDU ist es ein Erdrutschsieg. "In diesem Moment habe ich gespürt, das ist ein historischer Augenblick", sagt Generalsekretär Stefan Evers im Gespräch mit t-online. "Seit einem Vierteljahrhundert lag die CDU in Berlin nicht mehr vorne, geschweige denn so deutlich." Zuletzt hatte die schwarze Hauptstadtfraktion 1999 ein Wahl gewonnen.

Erdrutsch-Ergebnis der Berliner CDU: "Hätten wir uns nicht träumen lassen"

Als Kai Wegner, der Spitzenkandidat der CDU, leicht verspätet die Bühne betritt, ist der Jubel noch lauter als bei der ersten Hochrechnung. Wie ein erfolgreicher Boxer läuft Wegner in den Saal ein, aus großen Boxen wummert dazu ein basslastiges Siegeslied. Die versammelte Hauptstadt-CDU himmelt ihren Spitzenkandidaten an, grölt ihm den Triumph entgegen.

Eines wird schnell deutlich, wenn man mit den CDUlern auf der Wahlparty spricht. Sie sind alle mit großem Selbstvertrauen in den Wahltag gegangen. Eine Selbstsicherheit, geboren aus den für die CDU positiv ausfallenden Umfragen vor der Wahl. Mit einem so starken, so für sich selbst sprechenden Ergebnis hätte aber dennoch niemand hier gerechnet.

"Wir haben uns nicht träumen lassen, dass das Ergebnis so deutlich ausfällt", sagt Evers. Dieser Tenor zieht sich durch alle Gespräche auf der Wahlparty der CDU. Auch für Bernhard Schodrowski ist das Ergebnis eine freudige Überraschung, wie er sagt. "Im Wahlkampf auf der Straße habe ich schon gemerkt: Die Stimmung der CDU gegenüber ist wohlwollend bis zustimmend." Dennoch habe niemand mit einem solch eindeutigen Ergebnis gerechnet, so Schodrowski. "Es ist der CDU gelungen, hier einen Turnaround hinzukriegen. Diese Wechselstimmung ist ein schöner Lohn. Heute wird gefeiert."

Dennoch behält der 55-Jährige die Realpolitik im Hinterkopf. "Wenn es dann um die Mehrheitsbildung geht, kann es auch wieder anders aussehen." Denn laut der ersten Hochrechnungen könnte auch eine Regierungsbildung ohne die CDU denkbar sein. Doch Schodrowski bleibt optimistisch. "Der Wahlsieger steht fest. Alle Parteien müssen dieses Ergebnis ernst nehmen."

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Die Grünen: Der Glaube ans Rote Rathaus

Bei den Grünen beginnt die Zeit nach der Wahl mit einer Panne. Punkt 18 Uhr warten die Menschen in der Heinrich-Böll-Stiftung gespannt auf die ersten Prognosen, als die Leinwände plötzlich grau werden und nichts mehr zu sehen ist. "Müssen wir jetzt selber googeln?", fragt eine junge Frau die Umstehenden hektisch.

Nach einigen Sekunden läuft wieder alles, da wird schon die Sitzverteilung gezeigt. Als klar wird, dass man zunächst gleichauf liegt mit der SPD, bricht Jubel aus. Noch lauter wird der Jubel, als kein gelber Balken kommt. "Die FDP ist raus", ruft jemand. Trotz des großen Abstands zur CDU sind hier alle erleichtert, hatten offenbar mit Platz drei deutlich hinter der SPD gerechnet.

Den hohen Vorsprung der CDU tun die meisten ab

Im Verlauf des Abends wird die Stimmung noch besser. Um 18.51 Uhr liegen die Grünen in einer Hochrechnung erstmals knapp vor der SPD. Plötzlich glaubt man hier dran, dass Bettina Jarasch tatsächlich Bürgermeisterin werden könnte. Den hohen Vorsprung der CDU tun die meisten ab. Wer regieren will, muss Mehrheiten bilden, lautet das Mantra.

Aber macht die SPD da mit? "Für die SPD ist klar geworden, dass der konservative Kurs von Giffey der Falsche ist", sagt Ruben Joachim, der selber als Kandidat in Pankow antrat. "Aber in einem aussichtslosen Wahlkreis", sagt er und lacht. Er wünscht sich eine Fortführung der Koalition mit SPD und Linken, gegen die CDU. Aber auch mit denen müsse man sondieren, sagt er.

Eine Koalition mit der CDU können sich bei den Grünen offenbar wenige vorstellen. Als diese Möglichkeit im Fernsehen gezeigt wird, mischen sich nur vereinzelte Klatscher unter das laute Buhen. Wenn Kai Wegner spricht, rümpfen viele die Nase oder schütteln mit dem Kopf.

Unter den Partygästen ist auch Renate Künast, die angeregt Gespräche führt, der TV-Übertragung lauscht und hin und wieder einen Tweet in ihr Handy tippt. "Mir geht es sehr gut", sagt sie. Früher habe die SPD den Grünen in Berlin auf den letzten Metern immer noch viel abgejagt, das sei diesmal anders. Sie, einst selbst Spitzenkandidatin in Berlin, hofft jetzt darauf, dass Jarasch Bürgermeisterin wird. Aber das hänge vor allem davon ab, was die SPD mache. "Giffey wirkt sehr angefasst", sagt Künast. "Prognosen wären Kaffeesatzleserei."

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Die SPD: Enttäuschung trifft Ratlosigkeit trifft Hoffnung

Bei der SPD-Wahlparty im Festsaal Kreuzberg ist die Stimmung unter den Parteimitgliedern bereits vor dem offiziellen Beginn in der Schlange angespannt: "Mir ist flau im Magen", sagt eine Frau mittleren Alters. Sie richtet ihren Schal und wippt hin und her. Später stellt sich heraus: Ihre Vorahnung trügt nicht.

Das zeigt sich, als die erste Prognose der CDU mit 28 Prozent auf den Bildschirmen erscheint. Ein hektisches Raunen geht durch den Raum: "Scheiße", ruft ein junger Mann. Ein anderer steht daneben: "Oh man". Die Stimmung im SPD-Lager ist nach den ersten Ergebnissen erdrückend.

"Ein Schock und eine Zäsur"

Als die Spitzenkandidatin Franziska Giffey die Bühne betritt, ändert sich das Bild: Mit tosendem Beifall wollen die Parteimitglieder ihr offenbar Mut zusprechen. Doch die Regierende Bürgermeisterin gibt sich angeschlagen: "Dieses Ergebnis zeigt, die Berlinerinnen und Berliner sind nicht zufrieden mit dem, wie es jetzt ist. Sie wünschen sich, dass Dinge anders werden."

Obwohl nicht mal Platz zwei hinter der CDU sicher ist, gibt sie sich gleichzeitig kämpferisch: "Jeder, der in diesem Land regieren will, muss eine stabile politische Mehrheit organisieren". Wenn es eine Möglichkeit gebe, ein Regierungsbündnis unter SPD-Führung anzuführen, wolle man dies tun. Eine diffuse Hoffnung, die sich auch bei den meisten anwesenden Parteimitgliedern zeigt.

"Die Bereitschaft und der Wille sind da", blickt der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende, Kian Niroomand, dem endgültigen Ergebnis im Gespräch mit t-online entgegen. Klar ist für ihn aber auch: "Das Ergebnis ist ein Schock und eine Zäsur für die SPD. Die Geschlossenheit des Senats ist nicht zur Geltung gekommen". Man müsse schauen, woran es hake und was in Zukunft besser laufen muss – insbesondere auch, wenn es weiter bei Rot-Grün-Rot bleiben sollte.

Der Meinung ist auch der 54-jährige Volker, Parteimitglied: "Das ist überhaupt keine Überraschung", moniert er schulterzuckend, die Augen auf den Boden gerichtet. In den vergangenen Jahren habe sich viel zu wenig getan. Seine Stimme erhebt sich, als er feststellt: "Zurückgetreten ist nach der verkorksten Wahl auch niemand!" Auf die Frage, ob es nun personelle Konsequenzen brauche, rudert er zurück: "Ach, weiß ich auch nicht". Enttäuschung trifft Ratlosigkeit trifft Hoffnung.

Auch der 33-jährige Sozialdemokrat Daniel will Letztere nicht aufgeben. Doch gleichzeitig sagt er entgegen der Parteiführung: "Der Regierungsauftrag liegt bei der CDU und Kai Wegner". Die Christdemokraten müssten schauen, eine stabile Mehrheit zu bekommen. "Und wenn das nicht gelingt, dann ist Platz zwei gefragt".

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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