"Der Ursprung der Welt" Geheimnis um mysteriöses Courbet-Kunstwerk gelüftet
Lange verheimlichte der Künstler Gustave Courbet, wessen Intimbereich in seinem Werk "Der Ursprung der Welt" abgebildet ist.
Eines der größten Geheimnisse der Kunstgeschichte ist gelüftet: Die Identität der Frau, deren unverhüllte Scham der französische Maler Gustave Courbet in seinem Meisterwerk "Der Ursprung der Welt" ("L'Origine du monde") zur Schau stellt. Die 34 Jahre alte Tänzerin Constance Quéniaux stand dem Künstler Modell für die realistische Darstellung einer Vulva, wie der französische Literaturwissenschaftler Claude Schopp nun in einem Buch enthüllt hat.
Die frühere Tänzerin der Pariser Oper Quéniaux war nach Angaben Schopps eine der Mätressen des türkisch-ägyptischen Diplomaten Khalil-Bey. In dessen Auftrag malte Courbet 1866 sein weltberühmtes Ölgemälde. Der Forscher Schopp stieß durch puren Zufall auf die Identität des Modells, als er einen bisher nicht beachteten Brief des Schriftstellers Alexandre Dumas des Jüngeren auswertete. Darin mokiert sich Dumas über Courbet und sein Modell Quéniaux, die ihm ihr "Inneres" präsentiert habe.
Zu 99 Prozent Sicherheit
Dem Literaturwissenschaftler Schopp kam sein detektivischer Spürsinn zugute, wie er in seinem Buch "L'Origine du monde, vie du modèle" (Der Ursprung der Welt, das Leben des Modells) schreibt, das am 4. Oktober in Frankreich erscheint. Denn in der offiziellen Abschrift des Dumas-Briefes heißt es in Bezug auf Courbet: "Man malt nicht mit seinem Pinsel das zarteste (...) Interview von Fräulein Qeniault (sic) von der Oper".
"Das ergab keinen Sinn", sagte Schopp der Nachrichtenagentur AFP. "Wieso Interview?" Er überprüfte die Stelle im Original-Manuskript in der französischen Nationalbibliothek – und fand heraus, dass dort vom "Inneren" die Rede war. "Das war wie eine Erleuchtung", betont Schopp.
"Nun haben wir zu 99 Prozent Sicherheit, dass Constance Quéniaux Courbets Modell war", sagt die Grafik-Expertin der Nationalbibliothek, Sylvie Aubenas.
"Es war ein gut gehütetes Geheimnis"
Zuvor zirkulierten in der Kunstwelt die Namen diverser anderer Frauen als mögliches Modell für den "Ursprung der Welt", die aber aus verschiedenen Gründen nicht überzeugten – etwa der von Jeanne de Tourbey, einer weiteren Mätresse des türkischen Diplomaten Khalil-Bey. Allerdings hatte sie einen zu hohen gesellschaftlichen Rang, um Modell gestanden zu haben.
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Zuletzt hatte der französische Kunsthistoriker Jean-Jacques Fernier 2013 ein unsigniertes Frauenporträt präsentiert, das nach seiner Ansicht das Pendant zu dem von Courbet verewigten berühmten Unterleib war. Es stellt die Irin Joanna Hiffernan dar, die im Sommer 1866 Courbets Geliebte und Muse war. Allerdings hatte die Irin rötliche Haare und eine sehr blasse Haut, was nicht zu dem dunklen Schamhaar vom "Ursprung der Welt" passt.
Constance Quéniaux hatte dagegen schwarze Haare und "schöne schwarze Augenbrauen", wie Opernkritiker lobten. Das bestätigen auch historische Fotos der Tänzerin in der französischen Nationalbibliothek. Warum wurde ihr Name dann nicht früher genannt? "Es war ein gut gehütetes Geheimnis", sagt Expertin Sylvie Aubenas. Dumas habe es in seinem Brief an die Schriftstellerin George Sand verraten, weil er Courbet nicht gemocht habe.
Original hängt im Musée d'Orsay
Ein weiteres Indiz ist auch ein Geschenk des Malers an sein Modell: Beim Tod von Constance Quéniaux wurde 1908 in ihrem Nachlass ein Courbet-Stillleben mit Blumen entdeckt. In der Mitte des Blumenstraußes prangt eine weit geöffnete rote Blüte. "Was könnte eine schönere Hommage des Künstlers und Auftraggebers an Constance sein?" fragt Aubenas.
Courbets naturgetreue Darstellung einer Vulva macht immer wieder Schlagzeilen: Ein französischer Lehrer führt einen Prozess gegen Facebook, weil das soziale Netzwerk sein Konto sperrte, nachdem er dort den "Ursprung der Welt" hochgeladen hatte. Die französische Post weigerte sich 2014, Courbets Bild auf einer Briefmarke nachzudrucken, da es Kinder verstören könne. Kunstliebhaber können sich das Original im Pariser Musée d'Orsay anschauen.
- AFP