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Katzenkrimi-Autor Akif Pirrinci nach Beleidigung von Lusia Neubauer zu Haftstrafe verurteilt


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Bestsellerautor Akif Pirinçci
In 16 Wörtern zur Haftstrafe – eines beginnt mit "F..."


09.11.2021Lesedauer: 5 Min.
Akif Pirinçci und Luisa Neubauer: Der frühere Bestseller-Autor postete unter einem Foto der jungen Frau seine Sex-Fantasie. Sie ging dagegen vor, und er wurde nach mehreren entsprechenden Vorstrafen zu vier Monaten Haft verurteilt.Vergrößern des Bildes
Akif Pirinçci und Luisa Neubauer: Der frühere Bestsellerautor postete unter einem Foto der jungen Frau seine Sexfantasie. Sie ging dagegen vor und er wurde nach mehreren entsprechenden Vorstrafen zu vier Monaten Haft verurteilt. (Quelle: Montage: Heike Aßmann; C. Hardt, Future Image/IPON/imago-images-bilder)
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Dem einstigen Bestsellerautor Akif Pirinçci droht Gefängnis: "Fridays for Future"-Aktivistin Luisa Neubauer hat ihn wegen sexueller Beleidigung angezeigt – doch auch durch eine mögliche Verurteilung will er sich nicht bremsen lassen.

Es waren 16 Wörter und ein Katzen-Emoji, die Akif Pirinçci im Januar 2020 unter ein Posting mit einem Foto von Luisa Neubauer setzte. Weil er die damals 24-jährige Klimaaktivistin damit sexuell beleidigte, steht Pirinçci schon mit einem Bein im Gefängnis. Das Landgericht Bonn hat den einstigen Katzenkrimi-Erfolgsautor zu vier Monaten Haft verurteilt. Pirinçci hat gegen das Urteil Revision eingelegt.

Zwar ist die Strafe ohnehin nur zur Bewährung ausgesetzt, der 62-Jährige hat aber offenbar wenig Ehrgeiz, sich zu ändern. "Somit werde ich der erste Schriftsteller in Deutschland sein, der nach dem Zweiten Weltkrieg wegen eines Meinungsdelikts ins Gefängnis kommt", erklärte er danach. Er gedenkt folglich nicht, sich an die Bewährungsauflagen zu halten, sondern will weitermachen wie bisher.

Es ist die Geschichte des Konflikts zwischen einem älteren Mann, der von der alten Zeit schwärmt, und einer jungen Frau, die sich ewig gestrige vulgäre Herabsetzungen nicht gefallen lässt.

Hobbys: Linke beleidigen, Frauen nachhecheln

Pirinçcis 16 Wörter beschäftigen Straf- und Zivilgerichte schon länger. Eines der Wörter fängt mit "F..." an und endet mit "...cken". Es ist in Pirinçcis Welt ein "erotisches" Wort, sagt er.

Um seine Maßstäbe zu begreifen, hilft eine Beschreibung aus der "Süddeutschen Zeitung" von 2014. Seine beiden Hobbys seien "Linke beleidigen und jungen Frauen hinterherhecheln. Pausen legt er nur ein, wenn er wegen eines anstößigen Eintrags gesperrt wird."

Das sei nicht falsch, schreibt er t-online in den Antworten auf eine Anfrage.

Pirinçcis nennt es hingegen "Satire", wenn er mit dem F-Wort ausdrückt, was er gerne mit der jungen Frau machen würde – auch wenn er sich "danach stundenlang "das Klima-Zeugs anhören" müsse. Woran man Satire bei einem zwei Zeilen langen Facebook-Kommentar erkennt? "Meine Generation wusste noch, wie man Satire und Ernst auseinanderhalten soll", sagt er.

Für Luisa Neubauer war das hingegen eine eindeutige sexuelle Beleidigung. Neubauer versteht sich auch ein wenig als Kämpferin für ein gutes Klima in den sozialen Medien: "Es geht mir vor allem darum aufzuzeigen, wie und dass sich gewehrt werden kann", sagte sie dem "Spiegel". Ihr Anwalt Severin Riemenschneider erklärt t-online: "Sie sieht den Kampf gegen Hass, insbesondere gegen Frauen, als große gesellschaftliche Aufgabe. Eine Geldentschädigung würde sie der Organisation 'Hate Aid' spenden."

6.000 Euro Schmerzensgeld gefordert

Die Aktivistin hat den 62-jährigen Autor von Romanen wie "Felidae" angezeigt und bereits im Sommer 2020 eine einstweilige Verfügung erwirkt. Am Donnerstag wird nun in der Hauptsache verhandelt, es geht dann auch um mindestens 6.000 Euro Schmerzensgeld für Neubauer. Das ist aber nur das Zivilverfahren. Daneben läuft noch das Strafverfahren.

Neubauer kann "ein Stück weit nachvollziehen, dass Menschen über mich als öffentliche Person quantitativ mehr schreiben und mehr Menschen eine Meinung über mich haben". Sie wolle sich aber nicht mit Ratschlägen abfinden, dass sie "eben ein härteres Fell haben und mal die Zähne zusammenbeißen" müsse. "Dann denke ich mir, um Gottes willen: nein. Es kann nicht das Ziel sein, Empathie zu verlieren und sich das Zuhören abzutrainieren als Reaktion auf ein toxisches und von Hetze geprägtes Online-Umfeld", sagte sie dem "Spiegel".

Pirinçci glaubt hingegen, dass er das Recht hat, zu schreiben, was er denkt. Als öffentliche Person sei Neubauer "ein Medienclown wie eine schöne Schauspielerin oder ein nerviger X-Promi, der fünfmal täglich in der Zeitung steht". Es sei ja nicht um sie persönlich gegangen, sondern um ihre Funktion, deshalb seien seine Äußerungen keine Beleidigung.

Sechs Vorstrafen für Äußerungen

Wenn man ihn fragt, ob er die junge Frau mit seinen Äußerungen nicht entmenschliche oder auf ihren Körper reduziere, dann kontert er: Derartige Begriffe gingen "heute Antifa-Journalisten sehr flott über die Lippen".

Das ist eine bemerkenswerte Kritik von jemandem, dem strafbare Inhalte offenbar leicht von der Hand gehen. Sechs Mal war er schon vorbestraft für das, was er so von sich gibt. Wegen des Postings zu Neubauer stand er wie erwähnt bereits im Strafverfahren in seiner Heimatstadt Bonn vor dem Amtsgericht: 140 Tagessätze zu je zehn Euro, lautete dort das Urteil in erster Instanz.

Das Urteil drückt in Zahlen den Absturz des Autors aus, der acht Millionen Bücher allein in Deutschland verkauft hat, die meisten mit Katzenkommissar Francis aus "Felidae". Die Höhe eines Tagessatzes soll einem Dreißigstel des monatlichen Nettoverdienstes entsprechen. Das Gericht ging also von 300 Euro Verdienst im Monat aus. Pirinçci bittet inzwischen um Spenden. "Ich habe mein ganzes Vermögen nur für Anwälte, Gerichtskosten und Geldstrafen verbrannt. Mehr oder weniger. Ich besitze nichts mehr", behauptet er. "Ein klein wenig" werde ihm gespendet, "bewegt sich alles jedoch so im vierstelligen Bereich".

Bücher nicht mehr in den Regalen

Aber dass er pleite sei, gab er schon 2015 an. Da war er wegen Volksverhetzung auf einer Pegida-Bühne verurteilt worden. Sogar Pegida distanzierte sich damals. Sein Verlag Random House nahm Pirinçcis Bücher aus den Regalen. Auf der Titelseite einer Boulevardzeitung war sein Foto zu finden, daneben die Schlagzeile "Die Ekelfeder".

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn gingen Pirinçci und die Staatsanwaltschaft in Berufung. In zweiter Instanz wurde der Autor im Oktober vor dem Landgericht Bonn zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Neubauer war nicht anwesend. Das Urteil entsprach dem, was die Staatsanwaltschaft gefordert hatte.

Der Vorsitzende Richter gab Pirinçci neben einem Bewährungshelfer offenbar eindringliche Worte mit auf den Weg. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, wird er bei der nächsten Beleidigung wohl ins Gefängnis müssen. Pirinçci meint dazu: "Der Bewährungshelfer soll mir vermutlich das 'richtige Schreiben' bzw. 'am besten gar nicht mehr schreiben' beibringen". Aber: "Natürlich mache ich weiter." Auch wenn er dann ins Gefängnis müsse.

"Totalitärer Zeitgeist"

Er verstehe aber nicht, warum seine Beiträge so genau unter die Lupe genommen und verfolgt würden, sagte er einem YouTuber in einem Interview: "Ganz Deutschland ist doch sowieso grün-links. Sie haben ja gewonnen, sie sitzen in der Regierung." Pirinçcis Lesart seiner Verurteilung ist anscheinend: Da wehrt sich nicht eine junge Frau gegen Herabwürdigung, sondern das System will den kritischen Geist kastrieren. Er behauptet sogar, wenn er links wäre, dürfte er das alles straflos sagen.

Als er jung gewesen sei, habe man noch alles gedurft, postuliert er. Seit den frühen 2000er-Jahren sei das alles gekippt. Der Autor kritisiert einen angeblichen "totalitären Zeitgeist durch meinungsbildende Institute, die ihre Agenda anhand von Exempeln wie bei mir statuieren wollen und politisch korrekt erscheinen wollende Journalisten".

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Dazu kämen finanzielle Interessen der Anwälte. "Bei so etwas wie bei Luisa Neubauer hätte man sich seinerzeit entschuldigt, und das wäre es dann gewesen", so Pirinçci. Ob er versucht hat, sich bei Neubauer zu entschuldigen, ließ er auf t-online-Anfrage offen.

Neubauer-Anwalt Riemenschneider hat dafür eine Amtwort: "Eine Entschuldigung wäre tatsächlich ein Weg gewesen, die Angelegenheit anders zu beenden. Aber Herr Pirinçci hat stattdessen in Schreiben nur mit Provokationen gearbeitet." Pirinçci habe sogar Fotos von Neubauer geschickt mit Bemerkungen, seine Äußerung sei doch angesichts der Bilder nachvollziehbar. Der Autor habe keine Einsicht gezeigt, dass es das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Neubauer verletzt, wenn er sie zum bloßen Gegenstand sexueller Fantasien mache. In einem Interview bei YouTube legt Pirinçci sogar nach: "Sie hat keinen Schaden erlitten, im Gegenteil, sie wurde noch mal aufgewertet."

Gegen das Urteil des Landgerichts hat er Revision eingelegt. Angeblich hat ihn das Verfahren bereits 30.000 Euro gekostet. Bei dem Zivilprozess am Donnerstag mit der Schmerzensgeldforderung von Luisa Neubauer über 6.000 Euro drehe es sich insgesamt um 20.000. Wenn die Gerichte abschließend zu der Ansicht gelangen, dass Pirinçci sexistische Erniedrigung mit Satire verwechselt, dann werden die 16 Wörter richtig teuer.

Verwendete Quellen
  • E-Mail-Austausch mit Akif Pirinçci
  • Anfragen an Landgericht Bonn und Landgericht Frankfurt
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