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Herrscherin der Antike: Ließ Roms starker Mann Kleopatra ermorden?


Legendäre Herrscherin
Ließ Roms starker Mann Kleopatra ermorden?

15.12.2019Lesedauer: 6 Min.
Tod der "Kleopatra" (Illustration von 1872): Die berühmte Herrscherin starb der Überlieferung nach zusammen mit zwei Zofen.Vergrößern des Bildes
Tod der "Kleopatra" (Illustration von 1872): Die berühmte Herrscherin starb der Überlieferung nach zusammen mit zwei Zofen. (Quelle: Prisma Archivo/dpa)
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Sie war die berühmteste Herrscherin der Antike – und starb nach einer verlorenen Schlacht. Aber wie? Beging die Pharaonin Suizid mittels eines Kobra-Bisses oder half ihr römischer Gegenspieler nach?

Sie ist die Traumfrau einer ganzen Ära. 39 Jahre jung. Attraktiv und klug. Mächtig und skrupellos. Herrscherin eines der reichsten Länder der Welt. Verwickelt in komplizierte Liebesgeschichten und bedrängt durch einen Mann, der der politische Rivale ihres Liebhabers ist und zudem eine kampferprobte Streitmacht kommandiert.

Dieses Drama hat sich in der Antike abgespielt vor mehr als 2.000 Jahren. Der Name der faszinierenden Dame: Kleopatra VII. Ihr Land: Ägypten. Ihre Männer: Römer wie Gaius Julius Caesar, mit dem sie einen Sohn hat, und Marcus Antonius, der Vater weiterer drei ihrer Kinder. Und auch der Mann, an dem ihre Macht zerbrochen ist, kam aus Rom. Als sie ihm begegnete, hieß er Gaius Octavius. Als er sie besiegt und ihren Leichnam beigesetzt hatte, wurde er unumstrittener Herrscher des römischen Weltreichs und ging als "Friedenskaiser" Augustus in die Geschichte ein.

Mysteriöses Ende

Hat sie ihn, wie der fast 100 Jahre später geborene Geschichtsschreiber Plutarch detailliert berichtet, mit ihrem raffiniert vollzogenen Selbstmord um seinen größten Sieg, ihre schändliche Vorführung in seinem Triumphzug, gebracht? Hat sie allein die hinterhältige Drohung damit in den Tod getrieben? Oder war es doch anders? Hat Octavian sie ermorden lassen? Könnte das Ende der Kleopatra auch eine uralte, brisante Kriminalgeschichte sein, ein ungeklärtes und vertuschtes Verbrechen?

Trier, einst Römerstadt an der Mosel: An der dortigen Universität arbeitet Christoph Schäfer, Professor für Alte Geschichte. Er hat sich vor Jahren per Schiff aufgemacht, um an den Schauplätzen rund ums Mittelmeer die Abläufe in dieser Phase der Römischen Bürgerkriege zu erforschen, jene die sich rund drei Jahrzehnte vor Christi Geburt abgespielt haben. "Kleopatras Tod ist eines der großen Rätsel der Alten Geschichte", stellt der Althistoriker im Gespräch mit t-online.de klar.

Die machtpolitische Großwetterlage, wenige Jahrzehnte vor der Geburt Christi: Rom dominiert die Welt zwischen Atlantik und Schwarzem Meer, dem Rhein im Norden und dem Nil im Süden. Das Mittelmeer? Aus Sicht der Römer das "mare nostrum", ihr Eigentum. Dutzende Provinzen werden durch Statthalter regiert. Das reiche Ägypten der seit rund 300 Jahren regierenden Ptolemäer und ihre Pharaonin Kleopatra stehen unter massivem Druck des mächtigen Nachbarn. Die Herrscherin sucht deshalb Kontakte nach Rom – auch sehr private zu dessen Führern wie dem Diktator Caesar.

Octavians Legionen marschieren ein

Nach dessen Ermordung im Jahr 44 vor Christus wird Marcus Antonius, der enge Vertraute des Diktators, zu ihrem Langzeitliebhaber und Verbündeten. Doch die Verbindung gerät zur Liaison fatale. Sie reißt die ägyptische Königin in die schweren inneren Krisen, die das Imperium erschüttern. Auf der einen Seite Octavian, auf der anderen Antonius.

Südlich von Korfu, beim alten Actium, kommt es 31 vor Christus zur entscheidenden Seeschlacht. Antonius' Schiffe gehen in Flammen auf, er wird besiegt – und mit ihm Kleopatra, die ihre Flotte zur Unterstützung des Geliebten eingesetzt hatte. Ägypten steht nun offen für Octavians Truppen. Im Sommer 30 ziehen seine Legionen in Alexandria, der Hauptstadt im Nildelta, ein. Antonius selbst nimmt sich als Soldat mit dem Schwert das Leben – die Königin ist hingegen in ihrem Palast gefangen.

Plutarch, der römische Geschichtsschreiber des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, berichtet über die letzten Tage der Herrscherin. Er weiß um Details, weil sein Großvater selbst am ptolemäischen Hof gearbeitet und dort anscheinend enge Verbindung zu Kleopatras Leibarzt Olympos geknüpft hatte. "Geschwollen und mit Geschwüren bedeckt" sei ihre Brust gewesen, berichtet Plutarch. So sehr habe sie sich aus Schmerz über den Tod von Antonius selbst geschlagen.

War er wirklich die Kobra?

Und als ihr schließlich "Cornelius Dolabella, ein vornehmer junger Mann" aus Octavians Begleitung verraten habe, dieser wolle sie "am dritten Tag nebst den Kindern zu Schiff fortsenden", war ihr wohl klar: Der Sieger plante, sie im Triumphzug durch Rom zu führen. Nur ihr Suizid habe so eine Erniedrigung durchkreuzen können.

Was folgt, ist eine der dramatischsten Darstellungen der Weltgeschichte. Es sind die Ereignisse des 10. August im Jahre 30 vor Christus. Kleopatra bestellt sich demnach eine hochgiftige, tödlich beißende Uräusschlange, auch ägyptische Kobra genannt, in ihr Gemach, versteckt in einem Korb mit Feigen. Plutarch schreibt: "Als sie nun von den Feigen nahm und es sah, habe sie gesagt: Das wäre es also. Sie habe ihren Arm entblößt und zum Bisse hingehalten."

War es so? Nur zwei kleine Stiche im Arm, wie Plutarch als Beleg benennt, und eine Schlangenspur? "Sie hat sich auf jeden Fall das Leben genommen, um einer Präsentation durch Octavian auf einem Triumphzug in Rom zu entgehen", sagt der Trierer Kleopatra-Forscher Christoph Schäfer. "Nur das 'Wie' ist die große Frage."

"Auf sehr schmerzhafte und unangenehme Weise"

Schäfer hat versucht, sie gemeinsam mit dem Rechtsmediziner und Toxikologen Dietrich Mebs aus Frankfurt am Main zu beantworten. Weder der Schlangenbiss noch die ebenso überlieferte Injektion mit einer Nadel oder die Nutzung eines Giftpflasters seien realistisch, sagt der Wissenschaftler. "Die Kobra tötet nur auf eine sehr schmerzhafte und unangenehme Weise. Kollege Mebs hat klar gesagt: Dieser Todeskampf kann sich über viele Stunden hinziehen, einhergehend mit einer langsamen Lähmung. Die Augen werden starr und man sieht trotzdem alles. Am Ende ein qualvolles Ersticken." Schäfer: "Man kann sich kaum vorstellen, dass eine Königin, die schön und in Würde sterben will, einen solchen Tod gewählt hat."

Als "viel wahrscheinlicher" sieht der Trierer Professor eine andere Todesart: "Sie hat einen Cocktail aus Pflanzengift zu sich genommen, und so starben auch gleichzeitig ihre beiden Dienerinnen." Die Schlangengeschichte? "In Ägypten galt die Königin als Inkarnation der Isis. Auch die Kobra war eine Wiedergeburt der Isis. Wenn eine Inkarnation die andere zum Tode beförderte, war das der direkte Weg unter die Götter. Der Schlangenbiss war eine Inszenierung." Am Ende habe auch noch Octavian bei seinem Siegeszug in Rom ein Bild von Kleopatra mit zwei Schlangen mitgeführt und so Kleopatras Täuschung verbreitet.

Patricia Brown ist Amerikanerin. Ihr Feld ist nicht die Geschichtswissenschaft. Sie ist Expertin im Profiling, der Analyse krimineller Abläufe. Sie hat etwa zu "Jack the Ripper" ermittelt und zur Identität der Heckenschützen, die 2002 zehn Menschen in der Hauptstadt Washington getötet haben. Sie beschäftigte sich ebenfalls vor Jahren mit der Sache Kleopatra, und nutzte, anders als Schäfer, das Instrumentarium moderner Verbrechensermittler.

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"Sie war eine Kämpferin"

Brown hat eine andere Hypothese zu Kleopatras Ende, wie die "B.Z." 2004 berichtete. "Selbstmord passt nicht zur Persönlichkeit Kleopatras. Sie war eine Kämpferin." Brown schlussfolgert: "Octavian hat Kleopatra getötet und dafür gesorgt, dass es wie Selbstmord aussieht." Er habe dies aus Gründen des Machterhalts getan. Ihre Zofen seien schließlich mit aus dem Weg geräumt worden, um unliebsame Augenzeugen zu beseitigen.

Wurde Octavian zum Mörder, weil er nur ein Adoptivsohn Caesars war, Kleopatras Sohn Caesarion aber direkt von Caesar abstammte? Sah er sich wirklich in seiner Macht bedroht, ließ er deshalb nicht nur den Jüngling hinrichten, sondern auch die Mutter töten? Christoph Schäfer widerspricht heftig: "Nach römischem Recht spielt es für die Erbberechtigung keine Rolle, ob Caesarion der leibliche Sohn war. Er hatte nicht das römische Bürgerrecht." Die Römer? Sie hätten gar kein Motiv für einen Mord an Kleopatra gehabt. "Es gab keine Gefahr für Octavian."


"Die Wahrheit weiß keiner", hatte schon der Geschichtsschreiber Plutarch vor Jahrtausenden notiert. Es wird also wohl bei solch gegenteiligen Einschätzungen bleiben – auch aus Mangel an Spuren. Denn anders als von anderen Pharaonen ist von der letzten Herrscherin des alten Ägypterreiches keine Mumie gefunden worden. Kein Grabmal gibt es von ihr und ihrem geliebten Marcus Antonius. Dort, wo die Sterbegemächer 30 vor Christus standen, schwappt heute das Hafenwasser der Nil-Metropole Alexandria. Ein Erdbeben hat, eineinhalb Jahrtausende später, die steinernen Reste ihrer Herrschaft ins Mittelmeer versenkt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräch mit Professor Christoph Schäfer, Universität Trier
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