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Tutanchamun: Birgt das Grab des Pharaos noch ein gewaltiges Geheimnis?


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Forscher vermutet Sensation
Birgt Tutanchamuns Grab ein gewaltiges Geheimnis?


Aktualisiert am 21.08.2019Lesedauer: 5 Min.
Grabeingang und Totenmaske des Tutanchamun: Schon der Entdecker Howard Carter vermutete wohl mehr in der Anlage, als auf den ersten Blick sichtbar ist.Vergrößern des Bildes
Grabeingang und Totenmaske des Tutanchamun: Schon der Entdecker Howard Carter vermutete wohl mehr in der Anlage, als auf den ersten Blick sichtbar ist. (Quelle: UIG/Heritage Images/The Print Collector/imago-images-bilder)
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Es tobt ein Streit in der Ägyptologie: Gibt es im Grab des Tutanchamun weitere unentdeckte Kammern? In denen möglicherweise die legendäre Nofretete liegt? Ein britischer Forscher hat neue Hinweise.

Vor vier Jahren erfasste Euphorie die Welt der Archäologie. Hinter den Wänden der Grabkammer des Pharao Tutanchamun, so vermutete der britische Ägyptologe Nicholas Reeves, könnten sich noch weitere Räume befinden. Denn das Grab wäre ursprünglich gar nicht für einen König angelegt worden, sondern für eine mächtige Königin – Nofretete.

Und die, so Reeves, läge noch immer ungestört in ihrer eigentlichen Grabkammer, versteckt und zugemauert, seit die Totenpriester einige Jahre nach ihrem Tod im 14. Jahrhundert vor Christus als Notlösung auch noch Tutanchamun in die Grabanlage mit hineingestopft und Nofretetes eigentliche Grabkammer sorgfältig versiegelt hätten.

Entdeckung am Computerbildschirm

Seine Theorie hatte Reeves nicht vor Ort entwickelt, sondern vor allem am Computerbildschirm. Auf hochauflösenden Aufnahmen der Madrider Firma Factum Arte hatte er an den Wänden von Tutanchamuns Grabkammer feine Linien entdeckt. Die hauchzarten Striche verliefen genau an jenen Stellen, an denen der üblichen ägyptischen Grabanordnung zu Folge tatsächlich weitere Kammern hätten liegen müssen.

Außerdem, stellte Reeves fest, passten die Gesichter der auf die Grabkammerwände gemalten Figuren nicht zu den nebenstehenden Namen. Vielmehr sahen die als Tutanchamuns Nachfolger Eje bezeichneten Figuren aus wie der jung verstorbene Pharao selbst, die als Tutanchamun benannten aber wie seine Vorgängerin Nofretete.

Verantwortlich für das Grab ist die ägyptische Antikenverwaltung. Die zeigte sich zunächst auch elektrisiert von den Ergebnissen und gab die Erlaubnis für mehrere Bodenradaruntersuchungen in der Grabkammer. Die erste, durchgeführt von einem japanischen Team, schien tatsächlich auf Hohlräume hinter der Grabkammer zu deuten. Zwei weitere Scans jedoch zerschlugen zunächst die Hoffnung. Leere Kammern, folgerte sowohl ein US-amerikanisches wie auch ein italienisches Team, seien dort nicht zu erwarten. Seitdem herrscht tiefes Schweigen aus Kairo.

"Zwei unterirdische Anomalien"

Nun hat Reeves eine neue Studie vorgelegt, gemeinsam mit dem britischen Geophysiker George Ballard. Der hatte Zugang zu den Daten seiner Kollegen – und interpretiert sie ganz anders. Natürlich seien unmittelbar hinter der Wand gar keine Hohlräume zu erwarten, schreibt er. Denn wenn es Durchgänge zu weiteren Kammern gab, dann waren diese bestimmt nicht leer, sondern mit Schutt gefüllt, so wie an anderen Durchgängen des Grabes auch. Und genau so eine Schuttschicht, meint Ballard, sei eindeutig aus den Scans der verschiedenen Teams abzulesen.

Diese Neuinterpretation passt vor allem hervorragend zu einem bislang unbeachteten Nebenergebnis der Bodenradarscans des italienischen Teams, das die finale Untersuchung für das Antikenministerium durchgeführt hatte. Denn während die Forscher keine angrenzenden Hohlräume gefunden hatten, so erwähnten sie doch "zwei unterirdische Anomalien in einigen Metern Entfernung des Grabes von Tutanchamun, auch wenn es keine Anzeichen eines Korridors oder Freiraumes als Verbindung mit dem Grab gab."

Wenn solch ein Korridor oder Verbindungsgang aber zum Schutz gegen Grabräuber mit Schutt aufgefüllt wäre, der aus genau dem gleichen Material besteht wie das umliegende Gestein, dann würden Bodenradarmessungen von der Oberfläche aus gesehen genau dieses Bild ergeben: Mehrere Hohlräume oder Anomalien, die scheinbar keine Verbindung zueinander haben. Noch eine weitere Auffälligkeit in den italienischen Daten könnte so erklärt werden.

Auffälligkeiten bei den Wandmalereien

Die Scans zeigten nämlich eine plane Fläche, die etwa parallel zur Nordwand verläuft. Die Italiener interpretierten sie als natürliche Spalte im Gestein. Doch welche natürliche Spalte, fragt Ballard, sollte parallel zu einer künstlichen Wand verlaufen?

Auch Reeves selber legte in dem Aufsatz noch einmal neue Ergebnisse vor. Erneut untersuchte er die Wandmalereien der Grabkammer und konnte nun detailliert zwei Phasen unterscheiden. Während die erste Bemalung aufgetragen wurde, als die Herrscherfamilie noch in Amarna residierte – also lange vor Tutanchamuns Tod – entstanden die Figuren der zweiten Bemalung deutlich später.

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Die Künstler verwendeten zwei unterschiedliche Maßsysteme: Während die Künstler der früheren Wandbemalung mit einem 20-Felder-Raster arbeiteten, entwarfen die späteren Künstler ihre Figuren auf einem 18-Felder-Raster. Daran hielten sie sich sogar, wenn sie eine Figur zur Hälfte übermalten – auch wenn dann die Proportionen nicht mehr ganz stimmten.

Wer war der Unbekannte?

Und Reeves bemerkte erstmals, dass noch ein dritter Künstler die Figuren der Nordwand der Grabkammer bearbeitet hatte. Allerdings zückte der erst mehr als 3.000 Jahre später den Pinsel. Reeves vermutet, dass der Entdecker des Grabes, der britische Archäologe Howard Carter, höchstpersönlich im 20. Jahrhundert noch einmal Hand angelegt hatte.

Auf jeden Fall muss es ein moderner Künstler gewesen sein, denn die Pinselstriche wurden mit einem spitzen Haarpinsel gemacht, der es ermöglicht, Linien gegen Ende feiner auslaufen zu lassen. Im alten Ägypten gab es solche Pinsel noch nicht. Ein Vergleich von Fotografien aus der Grabkammer zeigt weiterhin, dass einige Details in der Zeit zwischen 1932 und 1936 verändert wurden – zum Beispiel hat der Rock einer Figur auf den ersten Bildern noch 24 Streifen, später dann 27.

Der auffälligste Hinweis aber sind die braunen Flecken, wie sie überall auf den Wänden der Grabkammer zu sehen sind. Als das Grab noch frisch und die Farbe noch feucht war, fraßen sich hier Bakterien in die Wand. Die braunen Flecken verteilen sich gleichmäßig über die gesamten Wände. Nur an einigen Stellen der Nordwand sind sie nicht echt, sondern mit Farbe aufgemalt.

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Vertuschter Schaden

Carter, folgert Reeves, hatte schon damals den Verdacht, dass sich hinter der Nordwand eine weitere Kammer befindet – und begann auf eigene Faust, heimlich die Wand anzugraben. Der illegale Vorstoß überrascht nicht: Dass Carter sich nicht immer an die Vorgaben und Verbote des Antikenministeriums hielt, hatte er schon an anderer Stelle bewiesen. Doch der Archäologe gab auf, als er sah, was seine Arbeit mit der Wandmalerei anrichtete. Um den entstandenen Schaden zu vertuschen, malte er die beschädigten Figuren neu.

Für Carter war es kein Problem, die betroffenen Stellen geschickt zu fälschen. Er hatte das Malen und Zeichnen schon als kleiner Junge von seinem Vater gelernt und sich immer wieder über lange Strecken seinen Lebensunterhalt damit verdient.


Es bleibt also spannend im Tal der Könige. Das lange Schweigen des Antikenministeriums beunruhigt Reeves jedenfalls nicht. "Ich glaube nicht, dass das Ministerium etwas anderes tut, als verständliche Vorsicht in diesem Fall zu üben", vermutet er auf Anfrage von t-online.de. "In der Tat sind, wenn ich es richtig verstehe, weitere Untersuchungen bereits im Gange."

Verwendete Quellen
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