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Lügder Missbrauchsskandal: Anwalt will Bundesländer verklagen


Hinweise ignoriert?
Anwalt im Lügder Missbrauchsfall will Bundesländer verklagen

29.05.2019Lesedauer: 3 Min.
Nordrhein-Westfalen, Lügde: Ein Kinderauto liegt unter dem Trümmern vor der zum Teil bereits abgerissenen Parzelle des mutmaßlichen Täters auf dem Campingplatz Eichwald.Vergrößern des BildesNordrhein-Westfalen, Lügde: Ein Kinderauto liegt unter dem Trümmern vor der zum Teil bereits abgerissenen Parzelle des mutmaßlichen Täters auf dem Campingplatz Eichwald. (Quelle: dpa)

Rechtsanwalt Peter Wüller vertritt Opfer im Lügder Missbrauchsfall – und kündigt nun an, Schadensersatz für sie vor Gericht erstreiten zu wollen. Behörden hätten Hinweise nicht hinreichend verfolgt.

Der Anwalt von vier Opfern im Missbrauchsfall von Lügde, Peter Wüller, prüft Schadensersatzklagen gegen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen im Namen seiner Mandanten. "Die Bundesländer haben sich offenbar schadensersatzpflichtig gemacht", sagte Wüller im Gespräch mit t-online.de. Er werde entsprechende Schritte prüfen.

Auf dem Campingplatz in Lügde an der Landesgrenze zu Niedersachsen sollen über Jahre hinweg zahlreiche Kinder schwer sexuell missbraucht worden sein. Dem 56-jährigen Hauptverdächtigen wirft die Staatsanwaltschaft in der Anklage 293 Fälle vor. Auch gegen zwei mutmaßliche Komplizen wurde Anklage erhoben. Ermittler gehen von über 1.000 Missbrauchsfällen mit Dutzenden Opfern aus. Der Strafprozess soll im Juni beginnen.

"Nichts ist passiert"

Grundlage für eine Schadenersatzklage ist aus Sicht Wüllers, wie die Behörden in beiden Bundesländern im Tatzeitraum zwischen Sommer 2016 und Sommer 2018 weggesehen hätten. Sein Verdacht: Unterlassene Ermittlungen könnten es erst möglich gemacht haben, dass Kinder in die Hände ihrer Verdächtigen geraten sind.

Seit August 2016, sagte Wüller zu t-online.de, hätten Polizei und Jugendamtsleitungen mehrfach "sehr ernstzunehmende Hinweise" zu den Straftaten erhalten – von Eltern, Kinderschutzorganisationen und aus dem Bereich eines Jobcenters. Teilweise mit detaillierten Tatbeschreibungen. "Nichts ist passiert", sagte Wüller.

Das Innenministerium Nordhrein-Westfalens und der Landkreis Hameln hatten Fehler bei den Ermittlungen und bei der jugendamtlichen Betreuung eingeräumt: Polizei und Jugendamt reagierten trotz Hinweisen offenbar nicht rechtzeitig. Außerdem verschwanden 156 Beweisakten, die bisher nicht wieder aufgetaucht sind. Durchsuchungen erfolgten wohl zunächst nur oberflächlich.

"Es ist mehr passiert als bisher bekannt ist"

Insgesamt gebe es bei der Aufklärung der Straftaten definitiv Lücken, sagte Wüller. Er habe Akteneinsicht gehabt, eine Zusammenfassung des Verfahrens, über 1.000 Seiten stark. "Es ist mehr auf dem Campingplatz passiert, als bisher bekannt ist. Ich vermute, der Missbrauch hatte einen viel größeren Umfang. Wir müssen davon ausgehen, dass zumindest einer der Angeschuldigten seit 1990 Kinder missbraucht hat." Die Anklage beschränke sich dagegen aus Gründen der Prozessökonomie auf weniger Opfer und rund 300 Fälle – auch, weil die Höchststrafe unabhängig von weiteren Ergebnissen bei 15 Jahren Haft liege.

Wüller schließt nicht aus, dass auch der Täterkreis größer ist als die bisher beschuldigten drei Personen. "Wenn man berücksichtigt, wie viele Kinder betroffen waren, wie viele Taten es gegeben hat, den Tatzeitraum über Jahrzehnte und die Menge des belastenden Materials kann man zu der Mutmaßung kommen, dass noch mehr Täter da sind. Besonders im Kreis der Abnehmer des kinderpornografischen Materials."

Lob für die Befragungen der Opfer

Ausdrücklich lobte der Bielefelder Jurist im Gespräch mit t-online.de den Ablauf der Befragungen der jungen Missbrauchsopfer. Seine jüngste Mandantin ist fünf Jahre alt. Die Vernehmungen sei nicht nur "fehlerfrei und ordnungsgemäß" passiert, sondern vor allem durch Polizeibeamtinnen sehr behutsam durchgeführt worden – in Räumen, die kindgerecht ausgestattet waren mit Spielzeug und Stofftieren.


Wie das Landgericht t-online.de bestätigte, soll nach der Zulassung der Anklage die Vorsitzende Richterin der 3. Strafkammer, Anke Grudda, den im Juni beginnenden Strafprozess leiten. Sie war zuletzt 2016 durch die Verurteilung des SS-Wachmanns Reinhold Hanning zu fünf Jahren Haft bekannt geworden.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherchen
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