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Geschichte einer Jagd: RAF-Rentner begehen grobe Fehler


Die Geschichte einer Jagd
"Nicht sehr professionell": RAF-"Rentner" begehen grobe Fehler

Von dpa
29.05.2016Lesedauer: 5 Min.
Logo der linksterroristischen Roten Armee Fraktion (RAF), die sich 1998 offiziell auflöste.Vergrößern des Bildes
Logo der linksterroristischen Roten Armee Fraktion (RAF), die sich 1998 offiziell auflöste. (Quelle: Wikipedia Commons)
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Es ist die Geschichte einer Jagd. Sie beginnt im deutschen Herbst in den 1970er Jahren und bald könnte sie zu Ende gehen. Die Rede ist von den linksextremen Terroristen Ernst-Volker Staub (61), Daniela Klette (57) und Burkhard Garweg (47). Noch nie waren ihnen die Fahnder so dicht auf den Fersen - denn die früheren Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) begehen Fehler und agieren unprofessionell.

Vor fast genau einem Jahr kam die Sache ins Rollen. In Niedersachsen, wo sich die aktuellen Raubzüge der drei zu häufen scheinen:

Samstag, 6. Juni 2015, 14.20 Uhr, Stuhr, Ortsteil Groß Mackenstedt, auf dem Gelände eines Real-Markts

Seit 16 Jahren waren sie scheinbar verschwunden. Plötzlich sind Staub, Klette und Garweg wieder da. Genauer: Die Polizei entdeckt ihre Spuren. Das Trio wollte, so der Stand der Ermittlungen, auf dem Parkplatz des Supermarkts einen Geldtransporter mit rund einer Million Euro überfallen. Sie blockieren den dunklen Geldwagen mit einem weißen VW Transporter T4. Das Auto war Ende 2014 rund 40 Kilometer entfernt bei einem Gebrauchtwagenhändler in Oldenburg gebraucht gekauft worden.

Einer der Täter zielt mit einer Panzerfaust auf das Fahrzeug. Die beiden anderen sind mit einer Kalaschnikow und einem Gewehr bewaffnet. Fahrer und Beifahrer weigern sich aber, den verriegelten Transporter zu öffnen. Die maskierten Täter feuern drei Schüsse auf das Fahrzeug ab, geben dann aber auf und flüchten in einem silbergrauen Ford Focus Kombi. Der T4-Van wird am Tatort zurückgelassen, der Ford Focus am 17. Juni in der Nähe gefunden.

Im Polizeibericht steht: "Die Täter waren maskiert. Auf der Bekleidung zumindest eines der Täter stand auf dem Rücken 'POIZEI' (Polizei ohne L)." Das Amtsgericht Verden erlässt gegen die drei Haftbefehle wegen des Verdachts des versuchten Mordes und versuchten schweren Raubes. Die Ermittler gehen davon aus, dass die "RAF-Rentner" keine neuen Anschläge vorbereiten wollten. Ihr Ziel dürfe das Sichern der Altersvorsorge sein, heißt es.

Montag, 28. Dezember 2015, 13.55 Uhr, Hehlinger Straße, Wolfsburger Ortsteil Nordsteimke, Gelände Real-Markt.

Das Trio versucht erneut, einen Geldtransporter zu überfallen. Einer der Täter bedroht den Beifahrer mit einer Waffe, der Fahrer drückt aufs Gaspedal und kann mit dem Transporter fliehen. Die Täter flüchten nach ihrem erneuten Fehlschlag in einem dunkelblauen Ford Focus Kombi. Am Tatort wird noch ein zweites Fahrzeug sichergestellt: ein grüner VW Golf Variant. Der Ford war im November 2015 in Celle gekauft worden, der Golf bei Hannover. Der Ford wird am Tag nach der Tat verlassen bei Wolfsburg gefunden. Tatwaffen waren wieder ein Schnellfeuergewehr und eine Panzerfaust.

Profiler und Buchautor Axel Petermann sagt: "Ihnen scheint die Konsequenz und die Planungsgenauigkeit zu fehlen. Im entscheidenden Moment sind sie zu gestresst, um das, was sie sich vorgenommen haben, auch umsetzen zu können. Es wirkt letztendlich nicht sehr professionell."

Ein Blick in die Vergangenheit

Garweg, Klette und Staub gehören zur sogenannten dritten Generation der RAF. Sie wurde aktiv, als zentrale Figuren wie Andreas Baader und Ulrike Meinhof längst tot waren. Auf das Konto dieser dritten Generation sollen mehrere Morde gehen, so an Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen (1989) und Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder (1991).

Garweg, Klette und Staub verübten nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft 1993 als Kommando "Katharina Hammerschmidt" einen Sprengstoffanschlag auf das neue, noch nicht fertige Gefängnis im hessischen Weiterstadt. Gesamtschaden: 123 Millionen D-Mark. Das war fünf Jahre, bevor die RAF 1998 offiziell ihre Auflösung bekanntgab.

Am 20. Juli 1999 soll das Trio auch einen Geldtransporter in Duisburg-Rheinhausen überfallen haben. Die Beute: rund eine Million D-Mark. An den Sturmhauben fanden die Behörden später Genmaterial von Klette und Staub. Das Geld dürfte inzwischen aufgebraucht sein.

Überfälle auf Supermärkte

Inzwischen bestätigten die Behörden mehrere Medienberichte, laut denen die "RAF-Rentner" nicht nur Geldtransporter, sondern auch Supermärkte im Visier haben: Etwa 380.000 Euro sollen sie dabei erbeutet haben, schreibt "Der Spiegel".

Die Ermittler gaben vor kurzem aktuelle Fahndungsfotos heraus. "Die Bilder stammen aus diesem Jahr", sagt Staatsanwältin Marie-Louise Tartz in Verden. In einem in den Niederlanden in der Sendung "opsporing verzocht" (das holländische "Aktenzeichen xy ... ungelöst") am 24. Mai verbreiteten Fahndungsaufruf heißt es: "Wahrscheinlich hat das Trio in den letzten fünf Jahren mindestens sieben solcher gewalttätiger Überfälle begangen."

"Straftäter können jahrelang unerkannt leben"

Trotz der neuen Details liegt vieles im Vagen. Wo haben die drei in all den Jahren gelebt, wo leben sie heute? Die Tatorte der Überfälle, die Standorte der Autohändler, bei denen die Fahrzeuge gekauft wurden, konzentrieren sich auf den Norden: Stuhr, Wolfsburg, Celle, Hannover und Oldenburg. Staub stammt aus Hamburg, Garweg hat dort gelebt, und er hat Staub sowie Klette dort kennengelernt.

Aber auch ein Leben in den benachbarten Niederlanden wäre möglich. Und nicht entdeckt zu werden, ist anscheinend gar nicht so schwer. Ex-Generalbundesanwalt Kay Nehm sagt dazu: "Gesuchte Straftäter können jahrelang unerkannt leben, solange sie keine öffentlichen Leistungen in Anspruch nehmen und nicht durch Zufall in die Fänge des Staates geraten."

RAF-Experte Butz Peters erinnert daran, dass das rechte NSU-Terrortrio es geschafft hatte, 13 Jahre im sächsischen Untergrund zu leben. "Beate Zschäpe hatte fast ein Dutzend Identitäten, sie ist damit so geschickt umgegangen wie ein Jongleur mit fünf Bällen." Ein Versteck im benachbarten Ausland hält Peters für möglich: "Amsterdam war Headquarter der RAF im deutschen Herbst, danach war Paris drei Jahre Fluchtburg mit fünf Wohnungen für etwa 15 Personen. Für die Nachbarländer ist die RAF ganz weit weg, die sagt den Menschen dort überhaupt nichts." Das helfe den Terroristen, unerkannt zu bleiben.

Ob das Trio heute tatsächlich zusammenlebt, ist offen. Klette und Staub waren einmal ein Paar. Aber das ist 20 Jahre her. Immerhin ein Hinweis: In einem der Täterfahrzeuge wurden Hundehaare gefunden. Es könnte also ein Haustier geben.

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Kaum Zeugen trotz aktueller Aufnahmen

Kürzlich konnten Zielfahnder des Landeskriminalamtes in Hannover einen Erfolg melden. Sie sicherten Fotos, die Staub und Garweg 2016 zeigen sollen. Doch die Resonanz der Veröffentlichung fiel ernüchternd aus: Binnen einer guten Woche gehen nur 27 Zeugenhinweise ein. Vermutlich auch, weil die Ermittler die Bilder ohne weiterführende Information verbreiten, etwa zum Ort ihres Entstehens.

Gerade das Foto Staubs - wohl aus einer Überwachungskamera - ist von guter Qualität. Menschen aus seiner Nachbarschaft müssten ihn eigentlich erkennen, heißt es. Doch bis jetzt Fehlanzeige.

Einschätzung eines Ex-Generalbundesanwalts

Nehm sagt: "Ich halte es für möglich, dass untergetauchte Terroristen dieses Dasein irgendwann nicht mehr aushalten. Sie wären gut beraten gewesen, sich mit Hilfe von Anwälten rechtzeitig zu stellen. Nach den Erfahrungen der strafrechtlichen Praxis steigen die Chancen, glimpflich davon zu kommen, je länger die Taten zurückliegen. Die nun hinzukommenden neuen Vorwürfe erleichtern ein solches Vorgehen gewiss nicht."

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