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Mindestens 42 Tote bei Brückeneinsturz in Genua: Auch Kinder unter den Opfern


Brücken-Drama in Genua
Autobahnbetreiber will bei Wartung alles richtig gemacht haben

Von afp, dpa, reuters, jmt, job, aj

Aktualisiert am 15.08.2018Lesedauer: 5 Min.
Die Überreste der eingestürzten Morandi-Brücke in Genua: Ein Lastwagen blieb während der Katastrophe kurz vor der Abbruchstelle stehen.Vergrößern des Bildes
Die Überreste der eingestürzten Morandi-Brücke in Genua: Ein Lastwagen blieb während der Katastrophe kurz vor der Abbruchstelle stehen. (Quelle: Antonio Calanni/ap)

Der Brückeneinsturz in Genua hat mindestens 42 Menschen getötet, doch es gibt auch Überlebende. Die italienische Regierung macht dem Betreiber der Brücke nun schwere Vorwürfe.

Der Betreiber der eingestürzten Autobahnbrücke in Genua, Autostrade, hat den Vorwurf von Pflichtverletzungen bei der Überwachung des Bauwerkes zurückgewiesen. Man habe die Brücke auf vierteljährlicher Basis entsprechend den gesetzlichen Vorgaben kontrolliert, erklärte das Unternehmen am Mittwoch.

Man habe aber auch zusätzliche Prüfungen vorgenommen unter Nutzung modernster Technologien und der Hinzuziehung externer Experten. Das Ergebnis dieser Kontrollen zum Zustand der Brücke sei Basis für das von der Regierung abgesegnete Wartungs- und Unterhaltungsprogramm gewesen.

Der italienische Verkehrsminister Danilo Toninelli hatte zuvor die Führung der Betreibergesellschaft zum Rücktritt aufgefordert. Zugleich kündigte er an, dass dem Unternehmen die Lizenz zum Betrieb der Straße entzogen werden solle und es mit Strafzahlungen von bis zu 150 Millionen Euro belegt werden könnte. "Autostrade per l'Italia war nicht in der Lage, die Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Verwaltung der Infrastruktur zu erfüllen", sagte Toninelli dem staatlichen Sender RAI 1.

Mindestens drei Kinder unter den Opfern

Die Zahl der Todesopfer ist unterdessen auf mindestens 42 gestiegen. Das sagte der Staatsanwalt Francesco Cozzi dem Fernsehsender RaiNews24. Der Präfektur zufolge gibt es 16 Verletzte, der Zustand von zwölf Menschen ist kritisch.

Unter den Opfern sind mindestens auch drei Minderjährige im Alter von acht, zwölf und dreizehn Jahren. Die Bergungsarbeiten an der Unglücksstelle gingen unvermindert weiter. Hunderte Einsatzkräfte suchen unter den schweren Betonteilen mit Spürhunden nach Verschütteten.

"Es ist die Hölle"

"Die Hoffnung stirbt nie, wir haben bereits ein Dutzend Menschen aus den Trümmern gerettet", sagte ein Vertreter der Feuerwehr, Emanuele Gissi. Er kündigte an, die Helfer blieben "rund um die Uhr" im Einsatz.

Nach Angaben des Zivilschutzes sind insgesamt rund tausend Einsatzkräfte an den Bergungsarbeiten beteiligt, darunter Beamte von Feuerwehr und Polizei sowie Mitarbeiter des Roten Kreuzes.

"Es ist die Hölle", zitieren Medien Rettungskräfte. In der Nähe der Brücke wurden nach dem Einsturz vorsichtshalber Gebäude evakuiert. Es bestehe das Risiko, dass weitere Teile des Bauwerks einbrechen, berichtete Ansa unter Berufung auf Rettungskräfte vor Ort. Drei Krankenhäuser in Genua wurden in Alarmbereitschaft versetzt. In sozialen Medien verbreiteten Augenzeugen Videos und Fotos der Tragödie.

Nach Berichten von Zeugen wurden Autos in die Tiefe gerissen, Lastwagen landeten im Fluss Polcevera, über den die mehr als 40 Meter hohe Brücke der A10 auch führt. Zahlreiche Fahrzeuge wurden unter herabfallenden Trümmern begraben.

Die Morandi-Brücke auf der Autobahn 10, der berühmten Urlaubsverbindung "Autostrada dei Fiori", stürzte in mehr als 40 Meter Höhe auf einem zwischen 100 und 200 Meter langen Stück ein. Die Brücke überquert unter anderem Gleisanlagen und ein Gewerbegebiet im Westen von Genua. Dort wurden der Nachrichtenagentur Ansa zufolge Häuser evakuiert.

"Die Schuldigen dafür werden gefunden"

Der Einsturz habe sich während eines gewaltigen Unwetters ereignet, teilte die Polizei auf Twitter mit. Feuerwehr und Polizei veröffentlichten unter anderem ein dramatisches Bild: Ein Lastwagen steht auf der Brücke, die direkt vor ihm eingestürzt ist.

Überlebende des Unglücks berichten der Nachrichtenagentur Ansa: "Gegen halb zwölf haben wir einen Blitz in die Brücke einschlagen sehen – und dann stürzte die Brücke in sich zusammen." Doch der Staatssekretär im Verkehrsministerium, Edoardo Rixi, hält von solchen Hypothesen nichts: "Eine solche Brücke bricht nicht wegen eines Blitzes noch wegen eines Unwetters ein, die Schuldigen dafür werden gefunden."

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"Die Leute liefen mir entgegen, barfuß und erschrocken. Als ich aus dem Tunnel kam, sah ich, wie die Autos langsamer wurden, und hörte ein Donnern. Die Leute flüchteten in meine Richtung, es war schrecklich", sagt der Busfahrer Alberto Lercari dem "Corriere della Sera".

Augenzeugen zeichnen ein apokalyptisches Bild

"Ich habe die Brücke einstürzen sehen. Wir standen am Ende eines Staus, dann habe ich hinter mir das Unglück gesehen, dann nichts mehr", sagt ein anderer Augenzeuge. Videos auf Twitter zeigen die Brücke nach dem Einsturz. "Das ist absurd", sagt ein Mann, der von der anderen Seite eines Flusses filmt, immer wieder. Als er heranzoomt, sind die riesigen Trümmerteile zu sehen, die überall verteilt liegen.

Viele Anwohner seien mit angsterfüllten Augen und geschockt in Krankenhäuser gekommen. "Wir haben das Einstürzen der Struktur gesehen und dann einen ersten Lastwagen, der nach unten flog", zitiert "La Repubblica" einen von ihnen.

"Als wäre eine Bombe eingeschlagen"

Ein Reporter der Zeitung, Matteo Pucciarelli, zeichnet von der Unglücksstelle ein apokalyptisches Bild: "Als wäre eine Bombe in diese wichtige Arterie eingeschlagen." Es seien viele weiße Laken zu sehen, Körper würden aus Autos gezogen. "Momentan ist es noch unmöglich, eine Opferzahl zu schätzen." Es ist von etwa 50 Autos und Lastwagen die Rede, die im Moment des Einsturzes auf der Straße unterwegs waren.

Das Polcevera-Viadukt, das umgangssprachlich nach seinem Planer Riccardo Morandi benannt ist, ist eine innerstädtische Autobahnbrücke mit einer Gesamtlänge von 1.182 Metern. Die Schrägseilbrücke im Westen der Stadt wurde 1967 fertiggestellt. Sie bildet den Beginn der A10 von Genua nach Ventimiglia, die entlang der italienischen Riviera durch Ligurien bis zur französischen Grenze verläuft. Die Autobahn habe als marode gegolten, berichtete ARD-Korrespondentin Ellen Trapp.

Die Brücke vorher und nachher – bewegen Sie den Schieber:

Der Autobahnbetreiber Autostrade erklärte, es seien Arbeiten im Gange gewesen, um das Fundament der Fahrbahn auf dem Viadukt zu verstärken. Auf der Brücke selber habe ein Baukran gestanden. "Die Arbeiten und der Gesamtzustand der Brücke wurden ständig überwacht", teilte das Unternehmen mit, das von Atlantia kontrolliert wird. "Die Einsturzursache wird gründlich untersucht, sobald es sicher ist, die Unglücksstelle zu betreten."

Verkehrsminister Danilo Toninelli sprach von einer "entsetzlichen Tragödie". Er schloss in einem Radiointerview aus, dass Bauarbeiten an der Brücke Grund für den Einsturz seien. Vize-Regierungschef Luigi Di Maio sagte, der Staat werde alles unternehmen, um den Familien der Opfer zu helfen. Regierungschef Conte zeigte sich am Abend in Genua "tief betroffen" von der Tragödie.

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Der Einsturz dürfte weitreichende Konsequenzen haben: Die Brücke werde abgerissen und das werde einhergehen mit "schwerwiegenden Auswirkungen" auf den Verkehr und mit Problemen für die Bürger und Unternehmen, sagte der Staatssekretär im Verkehrsministerium, Edoardo Rixi.

Aktien drehen ins Minus

Die Aktien des Streckenbetreibers drehten nach Bekanntwerden des Unglücks ins Minus und verloren binnen Minuten um bis zu 4,6 Prozent. Daraufhin wurde der Handel mit den Papieren an der Mailänder Börse vorübergehend gestoppt. Der Atlantia-Konzern, hinter dem die Benetton-Familie steht, ist auch in der Bundesrepublik nicht unbekannt.

Die Italiener hatten sich jüngst mit dem deutschen Bauriesen Hochtief verbündet, um den spanischen Mautautobahnbetreiber Abertis zu übernehmen. Atlantia soll im Zuge der Transaktion auch direkt bei Hochtief einsteigen und knapp über 24 Prozent der Anteile halten.

Verwendete Quellen
  • dpa, AFP, Reuters
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