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Zum journalistischen Leitbild von t-online.60 Grad Unterschied in wenigen Tagen Wetterextrem in Schweden: "Ein Todesurteil für viele Tiere"
Eiseskälte und dann auf einmal plus 10 Grad: In Schweden kam es zu einem extremen Temperaturanstieg. t-online spricht mit einer Schwedin über die Auswirkungen.
Eine extreme Kältewelle traf zuletzt auf den Norden Europas. In Schweden kam es zu Schneechaos und extrem tiefen Temperaturen. Auf die extreme Kälte folgte ein extremer Temperaturanstieg. Teils kletterte das Thermometer in wenigen Tagen ganze 60 Grad nach oben.
Vor dem Hintergrund der eisigen Kälte in Schweden konnte t-online mit Wiebke Jahn bereits über die Verhältnisse vor Ort sprechen. Nun erklärt Jahn im t-online-Interview, wie sich die extreme Temperatursteigerung anfühlt und welche Auswirkungen das auf die Gesundheit und Natur hat.
t-online: Frau Jahn, vor wenigen Tagen war es in Schweden noch extrem kalt, dann folgte ein ebenso extremer Temperaturanstieg. Wie haben Sie das erlebt?
Wiebke Jahn: Richtig, zuerst war es extrem kalt. Mit minus 53 Grad wurde hier in der Region auch die tiefste jemals in Schwede gemessene Temperatur gemeldet. Zum vergangenen Wochenende wurde es dann etwas wärmer, also nur noch minus 20 Grad. Am Montag hatten wir null Grad und kurz darauf dann plus 10 Grad. Das ist ein Temperaturunterschied von gut 60 Grad in nur drei Tagen.
Welche Auswirkungen hat dieser extreme Temperaturwechsel auf den Körper?
Wir haben alle Kopfschmerzen bekommen von dem Wetterumsturz. Teils wurde mir schwindlig und mir war richtig heiß. Ich bin in einem Kleid und barfuß im Garten herumgelaufen und das, obwohl es nur gut fünf Grad warm war. Für mich hat es sich trotzdem schon wie Sommer angefühlt. Aber auch materielle Dinge leiden stark unter den Temperaturen. Meine Spezialschuhe, die bis minus 35 Grad warm halten, sind durch die extrem schnellen Temperaturschwankungen an der Sohle auseinander gebrochen.
Haben die Temperaturen auch Auswirkungen auf das öffentliche Leben?
Wir haben hier im Norden Schwedens zurzeit sehr viel Schnee. Auf den Straßen ist aus dem Schnee durch den Temperaturanstieg blankes Eis geworden. Darauf sammelte sich dann das Schmelzwasser – eine gefährliche Kombination. Dadurch passieren hier viele Unfälle, auch uns hat es erwischt. Wir sind trotz Winterreifen mit Spikes, also kleinen Metallspitzen, die das Fahren auf Eis ermöglichen sollen, von der Straße gerutscht. Zum Glück ist uns nichts passiert, aber gefährlich ist das schon.
Auf den Straßen hatten wir quasi Aquaplaning auf Eis. Normalerweise fahren wir hier etwa 90 km/h auf der Landstraße, das ist auch bei Eis noch gut möglich. Aber in diesen Tagen bin ich häufig nur 30 km/h gefahren – einfach, weil es zu gefährlich war. Kein Wunder, dass hier die meisten größeren Autohersteller ihre Erlkönige testen, solche Straßenbedingungen hat man sonst wirklich nirgends. Auch der berühmte Elchtest kommt aus dem Norden von Schweden. Das Laufen war auf der Eisschicht nicht mehr möglich, es war viel zu glatt. Die Schweden nennen das Phänomen Blixthalka, was so viel bedeutet wie Blitzeis.
Zur Person
Wiebke Jahn lebt mit ihrer Familie seit mehreren Jahren in Skellefteå im Norden Schwedens, ungefähr 120 Kilometer Luftlinie vom Polarkreis entfernt. Jahn kommt ursprünglich aus Deutschland. Gemeinsam mit einer Freundin betreibt sie den Podcast "Hey Schweden" – es ist der weitreichenstärkste deutschsprachige Podcast des Landes.
Wie kommt die Natur mit den extremen Veränderungen klar?
Gerade die Tiere haben es jetzt sehr schwer. Von den Rentieren und Elchen werden wohl sehr viele sterben. Durch die schnellen Temperaturschwankungen ist der Schnee zuerst überfroren und anschließend hat es obendrauf geschneit – ein Todesurteil für viele Tiere. Rentiere, Elche und Co. suchen normalerweise mit ihren Schnauzen im Schnee nach Futter – jetzt stoßen sie dabei lediglich auf eine Eisplatte.
Man hat das am Verhalten der Tiere bereits gemerkt. Es gab viele Berichte darüber, dass sich Elche außergewöhnlich nah an Menschen heran getraut und nach Futter gesucht haben. Solche Temperatursprünge sind auch in unseren Breitengraden alles andere als normal. Vor allem zehn Grad im Januar sind wir nicht gewohnt. Die Vögel haben bereits angefangen zu singen, sie dachten wohl, dass der Frühling da ist. Für die Tierwelt ist damit quasi ein Worstcase Szenario eingetreten.
- Interview mit Wiebke Jahn