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Für Robert Habeck wird es verdammt ungemütlich – das Klima muss dank Putin warten


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Tagesanbruch
Das wird für ihn noch verdammt ungemütlich

  • Johannes Bebermeier
MeinungVon Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 19.05.2022Lesedauer: 5 Min.
Vizekanzler Robert Habeck: Mit wem legt er sich morgen an?Vergrößern des Bildes
Vizekanzler Robert Habeck: Mit wem legt er sich morgen an? (Quelle: Jan Woitas/dpa)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

beginnen wir mit einer kleinen Denksportaufgabe: Was wäre Ihnen wichtiger, wenn Sie sich entscheiden müssten: Schweinswale und Rotmilane zu schützen – oder die Erderhitzung zu stoppen? Also noch globaler formuliert: der Artenschutz – oder der Klimaschutz?

Was für eine dumme Frage, können Sie nun zu Recht einwenden. Denn das eine wird ohne das andere natürlich nicht funktionieren. Ohne Klimaschutz verbrennen die Lebensräume vieler Tiere und Pflanzen, ganz buchstäblich. Und ohne Artenschutz und damit intakte Ökosysteme wird sich die Erde noch schneller erhitzen. Es braucht also beides, nicht eines von beidem.

So weit die Theorie. In der politischen Praxis jedoch stellt sich diese Frage eben schon, und zwar häufiger, als Klimaschutzminister Robert Habeck das lieb sein kann. Es ist eines der größten Probleme für die gewaltige Aufgabe, die er sich mit der Bundesregierung vorgenommen hat: Deutschland möglichst schnell unabhängig von fossilen Energien zu machen. Wegen Putin – und wegen des Klimas.

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Wie kompliziert der Konflikt zwischen Artenschutz und Klimaschutz im Detail ist, zeigt sich schon an Kleinigkeiten. An einer Personalie beim Naturschutzbund Deutschland, dem Nabu, zum Beispiel. Dort hat kürzlich der Fachbereichsleiter Klimaschutz und Umweltpolitik gekündigt – weil er die Position des Nabus zur Windenergie persönlich nicht mehr vertreten könne, wie die "taz" berichtete.

Der Nabu nannte sich früher Deutscher Bund für Vogelschutz. Was vielleicht ein bisschen erklärt, warum er schon angekündigt hat, für den Rotmilan auf die Barrikaden zu gehen. Wenn die Bundesregierung den Windkraftausbau mit neuen Gesetzen beschleunigen will, die aus Sicht des Nabus Vögeln gefährlich werden könnten, sollen die Mitglieder bei ihren Bundestagsabgeordneten mit Musterbriefen protestieren.

Den Rotmilan mag das kurzfristig freuen, der Energiewende hilft es eher nicht.

Doch bevor es sich Robert Habeck mit dem Rotmilan verscherzt, hat er sich jetzt zunächst mit dem Schweinswal angelegt. Und verloren, zumindest teilweise. Denn heute soll im Bundestag ein Gesetz verabschiedet werden, das sich der Vizekanzler anders vorgestellt hätte: das sogenannte LNG-Beschleunigungsgesetz.

Habeck will erreichen, dass Deutschland möglichst schnell Flüssiggas, also LNG, über eigene Häfen importieren kann. Vor allem, um unabhängig von russischem Gas zu werden. Dafür sollen jetzt in Rekordgeschwindigkeit LNG-Terminals errichtet werden, an denen das Flüssiggas von Schiffen abgeladen wird. Und später dann möglichst grüner Wasserstoff.

Noch in diesem Winter sollen die ersten schwimmenden Terminals in Betrieb gehen, wenn denn alles nach Plan läuft. Weitere stationäre Terminals sollen in zwei, drei Jahren fertig gebaut sein. Damit das alles so rasch wie möglich funktioniert, wollte Habeck die Umweltverträglichkeitsprüfung vor Baubeginn aussetzen. Wo vorher nicht geprüft wird, kann sich auch nichts verzögern. Genial! Oder?

Besonders der Bund für Umwelt und Naturschutz, der BUND, fand das gar nicht so genial. Wegen des Schweinswals, unter anderem. Der Verband protestierte lautstark – und mit Erfolg. Im Bundestag ist Habecks Gesetzentwurf, den er vorher natürlich mit Umweltministerin und Grünen-Kollegin Steffi Lemke sowie dem restlichen Kabinett abgestimmt hatte, noch mal an entscheidender Stelle verändert worden.

Jetzt soll die Umweltverträglichkeitsprüfung nämlich nur noch bei den schwimmenden Terminals ausgesetzt werden, bei den stationären aber nicht. Begründet wird das in Ampelkreisen mit genau den rechtlichen Bedenken, die der BUND angemeldet hatte.

Das Gesetz verweist für die Änderungen nämlich auf das "überragende öffentliche Interesse" an einer sicheren Gasversorgung. Diese Begründung funktioniere aber nur für die schwimmenden Terminals, so das Argument. Denn die stationären sind ohnehin erst in zwei, drei Jahren fertig und helfen bis dahin nicht, wenn Putin den Gashahn zudrehen sollte.

Rechtssicherheit ist bei Bauprojekten natürlich wichtig. Insofern kann man in diesem Fall das Ausbremsen der Beschleunigung sogar begründen. Das Problem ist nur: Das mit der Rechtssicherheit wird die Bundesregierung noch sehr oft hinbekommen müssen. Und zwar besser. Dieser Fall stimmt angesichts der noch kommenden Herausforderungen für Robert Habeck dabei nicht sonderlich optimistisch.

Denn der komplette Klimaschutzplan der Bundesregierung basiert auf der Wette, dass Genehmigung und Bau von Erneuerbaren und Infrastruktur viel, viel schneller vorankommen müssen als bisher: bei Windrädern, bei Fotovoltaikanlagen, bei Bahntrassen und bei vielem mehr.

Überall steht man noch ziemlich am Anfang. Und irgendwer ist im Zweifel immer dagegen. Wegen des Rotmilans, wegen des Lärms, wegen der Aussicht vom Balkon, wegen Was-auch-immer. Viele dieser Anliegen mögen für sich ihre Berechtigung haben, alle Anliegen zusammen drohen die Energiewende und damit den Klimaschutz zu blockieren.

Für Robert Habeck wird all das noch verdammt ungemütlich werden. Deutlich ungemütlicher als mit den Schweinswalen.


Termine des Tages

US-Präsident Joe Biden empfängt die schwedische Ministerpräsidentin und den finnischen Präsidenten im Weißen Haus. Sprechen dürfte Biden mit Magdalena Andersson und Sauli Niinistö vor allem über zwei weitere Staatschefs: Russlands Präsidenten Wladimir Putin, der Grund dafür, dass Schweden und Finnland der Nato beitreten wollen. Und über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der diesen Beitritt gerade blockiert.

Olaf Scholz gibt um 9 Uhr im Bundestag eine Regierungserklärung zum EU-Gipfel Ende Mai ab. Anschließend reist der Bundeskanzler zum Antrittsbesuch in die Niederlande, wo vermutlich nicht nur Nettigkeiten ausgetauscht werden. Es dürfte auch um den Ukraine-Krieg und um die Lieferung schwerer Waffen gehen.

Die obersten Nato-Militärs sind heute in Brüssel. Es soll unter anderem über den Nato-Gipfel im Juni gesprochen werden sowie natürlich auch hier: über Russlands Krieg gegen die Ukraine. Generalsekretär Jens Stoltenberg wird auch an einer Sitzung teilnehmen.

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Rund 50 Wissenschaftler veröffentlichen heute die "Berliner Erklärung". Das breite Bündnis fordert einen "energischen Kraftakt für ein Gelingen des Weltnaturgipfels". Am Abend gibt es eine Podiumsdiskussion über "Naturbasierte Lösungen für den Schutz von Klima und Artenvielfalt" mit Umweltministerin Steffi Lemke.

Ist die Impfpflicht in bestimmten Einrichtungen rechtmäßig? Dazu veröffentlicht das Bundesverfassungsgericht heute seine endgültige Entscheidung. Im Februar hatte das Gericht es im Eilverfahren abgelehnt, die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht vorläufig außer Kraft zu setzen.

Die Gesundheits- und Entwicklungshilfeminister treffen sich in Berlin. Für Deutschland dabei: Karl Lauterbach und Svenja Schulze.


Was lesen?

Die Frankfurter Eintracht hat Historisches geschafft: 42 Jahre nach dem Sieg im Uefa-Pokal holen die die Hessen ihren zweiten internationalen Titel. Lesen Sie hier, wie sehr die Hessen im Finale gegen die Rangers aus Glasgow zittern mussten.


Die Kritik am ukrainischen Botschafter in Deutschland ist groß. Das ist auch deshalb irritierend, weil sich niemand über die Propaganda des russischen Chefdiplomaten in Berlin empört, schreibt mein Kollege Jonas Mueller-Töwe.


Nicht nur Olaf Scholz, sondern auch Schweden und Finnland planen die Zeitenwende. Wladimir Putin spricht bei der geplanten Nato-Norderweiterung von einem schweren Fehler. Droht der Nato-Konflikt mit Russland zu eskalieren? Im Videointerview meiner Kollegen Rahel Zahlmann und Axel Krüger widerspricht der Experte William Alberque.


Die bundesrepublikanische Politik war lange Zeit eine Männerwelt. Diese Frau war damit alles andere als einverstanden. Wer sie war, lesen Sie hier.


Das amüsiert mich

Morgen schreibt an dieser Stelle wieder Florian Harms für Sie. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!

Ihr

Johannes Bebermeier
Politischer Reporter
Twitter: @jbebermeier

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Mit Material von dpa.

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