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Google, Amazon, Facebook: Datenschutz adé – dieses Gesetz hat Folge für Ihr Leben


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Tagesanbruch
Dieses neue Gesetz hat Folgen für Ihr Leben

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 22.04.2022Lesedauer: 6 Min.
Plenarsitzung des EU-Parlaments zum Digital Services Act im Januar.Vergrößern des Bildes
Plenarsitzung des EU-Parlaments zum Digital Services Act im Januar. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

schön, dass Sie auch heute Morgen den Tagesanbruch geöffnet haben. Bleiben Sie bitte in den folgenden Minuten bei der Stange, obgleich ich Ihnen ein Thema auftische, bei dem Sie am liebsten sofort weiterklicken würden. Ich weiß, die wichtigsten Nachrichten drehen sich gerade um die Ukraine, und ja, die Bundesregierung hat sich nun doch dazu durchgerungen, Panzer nach Kiew zu liefern; ein raffinierter Ringtausch mit Slowenien macht's möglich. Dazu könnte ich nun einen gepfefferten Kommentar schreiben und entweder dem Kanzler seinen Schlingerkurs vorwerfen oder prophezeien, dass die deutsche Militärhilfe den Krieg auch nicht entscheiden wird, doch das überlasse ich heute Morgen den Newsletter-Autoren anderer Redaktionen.

Stattdessen behellige ich Sie mit einem Begriff aus der EU-Bürokratie. Digital Services Act lautet er, und ja, ich weiß, das ist jetzt nicht das, was Sie sich zum Morgenkaffee vorgestellt haben. Schenken Sie mir bitte trotzdem noch ein paar Minuten Ihre Aufmerksamkeit. Hinter dem englischen Begriff, den die Beamten in Brüssel DSA abkürzen, verbirgt sich ein bahnbrechendes Gesetzesvorhaben. Es wird die Art und Weise, wie Sie, ich und 450 Millionen weitere EU-Bürger kommunizieren, einkaufen und sich informieren, einschneidend verändern. Heute wollen die Unterhändler der EU-Mitgliedsländer und des Europäischen Parlaments ihre Beratungen abschließen, anschließend können die Staats- und Regierungschefs den Deal abnicken. Und dann müssen sich die Manager bei Google, Amazon und Facebook warm anziehen.

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Worum geht's? Die größten Internetunternehmen haben in der EU jeweils mehr als 45 Millionen Nutzer. Neben Google mit seiner Tochterfirma YouTube sind das zum Beispiel Meta mit Facebook, Instagram und WhatsApp, Microsoft mit seinem sozialen Netzwerk LinkedIn, der Onlineshop Amazon und natürlich Apple. Alle diese Konzerne scheffeln Milliarden, weil sie Monopole erschaffen haben – und weil sie die Regeln für die Kommunikation und das Geschäft im Web zu ihren Gunsten auslegen. So sind sie mächtiger als Staaten geworden und haben kleinere Unternehmen verdrängt, so haben einige von ihnen demokratische Gesellschaften vergiftet. Das neue EU-Gesetz soll das ändern: Es brummt den Digitalfürsten scharfe Regeln auf.

Gegen Hetze: Die Konzerne werden verpflichtet, entschlossener gegen Hassbotschaften im Internet vorzugehen. Nutzer, die Beschimpfungen, Morddrohungen, betrügerische Anzeigen oder entblößende Fotos anderer Menschen verbreiten, sind zu sperren.

Gegen Irreführung: Die Firmen sollen ihre geheimen Algorithmen veröffentlichen, mit denen sie Nutzern bestimmte Inhalte anzeigen. Facebook beispielsweise verdient sehr viel Geld damit, Menschen in digitale Blasen hineinzuziehen und sie fortwährend mit polarisierenden Themen zu füttern. So haben sich Corona-Leugner, Rechtsextremisten und Putin-Apologeten radikalisiert, so hat sich nicht nur in Amerika die gesellschaftliche Spaltung vertieft, so bekamen Gestalten wie Donald Trump, Marine Le Pen und Alice Weidel Auftrieb.

Mehr Kontrolle: Die großen Digitalkonzerne sollen der EU-Kommission ihre Daten offenlegen, damit diese die Einhaltung der Regeln beaufsichtigen kann. Um kleinere Internetfirmen kümmert sich eine eigene Ermittlungsbehörde.

Höhere Strafen: Falls die Firmen sich widersetzen, drohen ihnen Strafen von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes. Klingt wenig, ist jedoch viel, wenn man bedenkt, dass allein Facebook im vergangenen Jahr fast 120 Milliarden Dollar eingenommen hat. Herr Zuckerberg und seine Leute werden sich künftig also zweimal überlegen, ob sie EU-Bürger weiterhin mit Lügen und Hass bombardieren.

Mehr Wettbewerb: Durch ein zusätzliches Marktkontrollgesetz – genau, auch das kürzen die Brüsseler Beamten ab, DMA nämlich – will die EU verhindern, dass die Konzerne ihre Macht missbrauchen. Also zum Beispiel Microsoft und Apple zwingen, dass sie auf ihren Computern und Smartphones auch andere Betriebsprogramme und Onlineshops als die eigenen zulassen.

Schön und gut, denken Sie nun vielleicht, aber wird nun im Internet alles gut? Und da lauert leider der Haken. Wird es nämlich nicht. Die eifrigen Experten und Abgeordneten in den EU-Institutionen haben Wegweisendes auf den Weg gebracht – doch an einigen Stellen sind sie übers Ziel hinausgeschossen.

Etwa bei den neuen Regeln für Onlinewerbung: Websites müssen Nutzern künftig haargenau mitteilen, mit welchen Einstellungen die Werbung individuell angepasst wird und wer welche Anzeigen finanziert. Was verbraucherfreundlich klingt, entpuppt sich beim genaueren Hinsehen als bürokratisches Monster. Sind Sie auch von den lästigen Pop-up-Fenstern genervt, die man hierzulande beim Aufruf jeder Website wegklicken muss, ohne das Kleingedruckte zu lesen? Diese Praxis will die EU europaweit festzurren, so wird das schnelle Surfen zum Spießrutenlauf.

Besseren Datenschutz gibt es dadurch nämlich nicht – im Gegenteil: "Das Gesetz der EU kollidiert mit nationalen Gesetzen, es beansprucht den Vorrang und droht mühsam erkämpfte Standards zu unterlaufen", kommentiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". In Streitfällen müssten sich – Achtung – die EU-Kommission sowie ein neues "European Digital Services Board" sowie 27 nationale "Digital Services Coordinators" darüber verständigen, was denn nun konkret zu tun ist. Falls Sie jetzt vor Ihrem inneren Auge Heerscharen steuerbezahlter Beamter aufmarschieren sehen, die sich in Hinterzimmern monatelang die Köpfe heißreden und am Ende einen Kompromiss beschließen, der merkwürdigerweise doch zugunsten von Facebook, Google und Co. ausfällt, weil die nun mal die meisten Lobbyisten in Brüssel haben, liegen Sie nicht ganz falsch.

Es kommt noch dicker: Gleichzeitig erschwert das EU-Gesetz durch bürokratische Auflagen journalistischen Angeboten wie beispielsweise t-online, die sich über Anzeigen finanzieren und ihre Artikel daher ohne Bezahlschranke anbieten können, das Arbeiten. Spätestens jetzt sollten Sie stutzig werden, denn auch den Tagesanbruch bekommen Sie jeden Morgen nur deshalb kostenlos serviert, weil mein Gehalt und das meiner Kolleginnen und Kollegen von Werbegeld bezahlt wird. Strikte Unabhängigkeit wahren wir Journalisten natürlich trotzdem, das ist kein Widerspruch. Dieses erfolgreiche publizistische Geschäftsmodell wird durch das Brüsseler Regelwerk gegängelt.

Nun wissen Sie, warum es durchaus lohnenswert ist, sich für Abkürzungen wie DSA und DMA zu interessieren. Die vermeintlich abstrakten Pläne der EU-Chefs haben sehr konkrete Folgen für Ihr Leben. Im Guten wie im Schlechten. Als aufgeklärter Bürger sollten Sie das wissen. Und spätestens jetzt beginnen, kritische Fragen zu stellen.


Es wird eng in NRW

Am 15. Mai sind Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, und lange sah es gut aus für CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Dann kam "Mallorca-Gate": Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) musste zurücktreten, weil sie widersprüchliche Angaben zu ihrer neuntägigen Balearen-Reise während der Flutkatastrophe im Juli 2021 gemacht hatte. Seither holt die SPD mit Herausforderer Thomas Kutschaty auf und liegt in einigen Umfragen sogar vorn. Für Regierungschef Wüst ist die Affäre mit dem Rücktritt seiner Parteifreundin noch nicht ausgestanden. Die Opposition will wissen, wann genau er vom Urlaub seiner Umweltministerin erfahren hat – und wann davon, dass zwei weitere CDU-Ministerkollegen ebenfalls nach Malle jetteten, um dort Party zu machen. Heute soll Wüsts Staatskanzleichef Nathanael Liminski vor dem Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag dazu Auskunft geben. Er gilt als versierter Politikprofi, doch ob er seinen Chef schützen kann, ist fraglich. Am Ende könnte es in NRW zum Machtwechsel kommen.

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Grafik des Tages

Wer gibt der Ukraine wie viel Geld? Unsere Grafikerin Heike Aßmann zeigt es Ihnen:


Was lesen?

Frankreich steht am Sonntag vor einer Schicksalswahl: Die Rechtsextremistin Marine Le Pen fordert Präsident Emmanuel Macron heraus, und es wird knapp. Warum wenden sich so viele Franzosen Radikalen zu? Unsere Reporterin Camilla Cohrs hat es sich von Wählern in Paris erklären lassen.


Erst die Ukraine, dann Transnistrien? Auch die Separatisten der Republik Moldau könnten ein Teil Russlands werden. Dort regiert ein dubioser Oligarch ein Imperium, das bis nach Deutschland reicht, berichten meine Kollegen Roxana Frey und Jonas Mueller-Töwe.


Fast jeder dritte Deutsche hat das Gefühl, in einer Scheindemokratie zu leben: Über dieses alarmierende Umfrageergebnis haben Miriam Hollstein und ich in unserem Wochenend-Podcast diskutiert. Tausende Leserinnen und Leser haben uns ihre Meinung dazu geschrieben. Mein Kollege Mario Thieme hat einige Stimmen zusammengefasst.


Ein historischer Wortbruch ereignete sich 1889 in Amerika. Was damals geschah, lesen Sie auf unserem Historischen Bild.


Was amüsiert mich?

Auch mit stolzen 96 Jahren weiß die Queen ihre Frisur gekonnt in Szene zu setzen.

Ich wünsche Ihnen einen gelungenen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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