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Wahlen in Frankreich: Macron oder Le Pen? "Wahl zwischen Pest und Cholera"


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Wahl zwischen Le Pen und Macron
Es brodelt in Frankreich

Von Camilla Kohrs, Paris

Aktualisiert am 21.04.2022Lesedauer: 6 Min.
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Viele Versprechungen und Angriff wegen Russland: So lief das erste und einzige TV-Duell zwischen Le Pen und Macron. (Quelle: reuters)
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Viele Franzosen sind frustriert. Vor allem Jüngere wenden sich den politischen Extremen zu – oder wollen gar nicht mehr wählen. Das könnte der Rechtsextremen Le Pen helfen. Hier erklären sie ihre Gründe.

Es ist die Wut, die viele auf die Straße treibt. Zehntausende gingen zuletzt auf die Straße, in Paris, aber auch in kleineren Städten wie Lyon besetzten Studierende Universitäten. "Keine Stimme für Marine Le Pen", heißt es auf den Plakaten. Oder: "Nein zu Rechtsextremismus".

Doch es ist nicht nur die Wut darüber, dass schon wieder eine Rechtsextreme in der Stichwahl um die französische Präsidentschaft steht. Sie richtet sich auch gegen den amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron.

Stichwahl knapper als noch 2017

Es sind Wahlwochen in Frankreich – am Sonntag entscheidet sich, wer in den kommenden fünf Jahren das Land regiert. Auf den ersten Blick wirkt es wie 2017. Auch damals standen Macron und Le Pen in der Stichwahl.

Doch während Le Pen vor fünf Jahren noch haushoch unterlag, zeigen die Umfragen in diesem Jahr ein anderes Bild. Beide Kandidaten liegen nur wenige Prozentpunkte auseinander – auch ein Sieg Le Pens ist nicht ausgeschlossen. Und dennoch stellen sich viele der vor allem jungen Demonstranten die Frage: Soll ich meine Stimme wirklich noch mal Macron geben?

"Ich werde keinen wählen"

Es ist der Dienstag vor der Wahl, wieder versammeln sich überall in Paris Studenten vor ihren Universitäten. So auch vor der Université Paris Cité, im Südosten der Stadt. Dort steht Youri, ein Pappschild neben ihm trägt die Aufschrift: "Weder Macron noch Le Pen". Das Schild spricht ihm aus der Seele, sagt der Student, der seinen Nachnamen wie viele andere hier nicht nennen will. "Ich werde am Sonntag keinen der beiden wählen."

Die Studentin Philomène pflichtet ihm bei, auch sie will sich am Sonntag enthalten. Ja, Le Pen sei rechtsextrem, sagen sie. In ihren Augen aber hat Macron der extrem Rechten den Weg gepflastert, mit einer unsozialen Politik und einer Normalisierung rechter Positionen.

Als Beispiele führen sie etwa Macrons umstrittenes Sicherheitsgesetz an, das in Teilen vom französischen Verfassungsrat wegen zu großer Eingriffe in die Grundrechte gekippt wurde. Oder die gescheiterte Rentenreform, mit der die Regierung das Eintrittsalter anheben wollte. Oder die massiven Polizeieinsätze in den Vororten der großen Städte, die sie als rassistisch bezeichnen.

"Wahl zwischen Pest und Cholera"

Eine der Blockiererinnen der Sorbonne drückte es im französischen Fernsehen so aus: Die Wahl zwischen Macron und Le Pen sei eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Das sendet eine klare Botschaft: Selbst die Gefahr, dass eine Rechtsextreme Frankreich regieren könnte, bringt uns nicht dazu, Macron zu wählen.

Es ist eine extreme Argumentation, die aber in der sehr linken Szene Widerhall findet. Mit dieser Ablehnung Macrons machten auch die linken Kandidaten vom Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon bis zu den extrem Linken Philippe Poutou und Nathalie Arthaud Wahlkampf. Macron repräsentiere die vermögenden Eliten, mache Politik nur für sie. Während Kandidaten der Grünen oder der Sozialisten ihre Anhänger dazu aufriefen, für Macron zu stimmen, sagte Mélenchon lediglich: Stimmt nicht für Le Pen.

Viele Wähler Macrons wollen hauptsächlich Le Pen verhindern

Auf diese Art von Mobilisation aber setzt Macron: "Stoppt Le Pen", "Le Pen lügt", "Le Pen ist Betrug" lauten einige der Slogans, die sein Team nun verbreitet. Macron setzt dabei auf einen Mechanismus, der in Frankreich oft funktioniert hat: Wenn ein Kandidat der extrem Rechten in der Stichwahl steht, unterstützen die Anhänger der anderen Parteien den anderen Kandidaten.

Umfragen zeigen, dass er durchaus darauf angewiesen ist. Zahlen der Tageszeitung "Le Monde" zufolge stimmen nur etwas mehr als 60 Prozent seiner Wähler für ihn, weil sie Vertrauen in ihn haben oder seinen Ideen nahestehen. Fast 40 Prozent wollen ihn wählen, um Le Pen zu verhindern.

"Eine richtige Wahl haben wir nicht"

Die Enthaltungen bei der Wahl sind auch in der Linken umstritten. Auch vor der Universität Paris 8 im Vorort Saint-Denis haben sich Studierende versammelt, eigentlich wollten sie eine Versammlung abhalten. Doch die Universität hat wohl aus Angst vor einer Besetzung zugesperrt. Während bei Demonstrationen vor den Universitäten Sorbonne und Cité die Sprüche "Weder Macron noch Le Pen" omnipräsent sind, will man sich hier zurückhalten. "Wir wollen keine Wahlentscheidung vorgeben", sagt einer.

Viele hier haben den Linkspopulisten Mélenchon gewählt. Unter ihnen ist auch Eva. In ihrem Freundeskreis gibt es einige, die nicht oder ungültig wählen wollen, um Macrons Politik nicht zu unterstützen. Für sie aber ist die Angst vor einem Wahlsieg Le Pens größer. Deswegen stimmt sie für Macron, auch wenn sie ihm nichts abgewinnen kann. "Ich sehe das eher strategisch", sagt sie. "Eine richtige Wahl haben wir nicht", sagt sie. "Wir können nur versuchen, das Schlimmste zu verhindern", sagt sie. So wie sie äußern sich hier viele.

Macron eher bei älteren Wählern beliebt

Dabei war Macron 2017 auch mit dem Versprechen angetreten, ein Präsident der Jungen zu sein. Damals hatte er bei den 25- bis 34-Jährigen seine größte Zustimmung. Nicht umsonst hielt er eine seiner ersten großen Reden an der traditionsreichen Universität Sorbonne mitten in Paris und plädierte darin für eine Neubegründung eines souveränen, geeinten und demokratischen Europas. Das war nicht nur ein Zeichen an die EU – sondern auch an die Jugend.

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Doch in der ersten Runde 2022 zeigte sich ein anderes Bild. Am beliebtesten bei den unter 35-Jährigen ist Mélenchon, der in den Altersgruppen auf mehr als 30 Prozent kam. Und auch die Rechtspopulistin Le Pen ist bei den jungen Wählern beliebter als der amtierende Präsident. Der hat zwar auch seine Anhänger in den jüngeren Generationen, holte seine größte Zustimmung aber bei den Alten. Dabei hat Macron auch im sozialen Bereich Fortschritte zu verzeichnen: Die Jugendarbeitslosigkeit ist stark gesunken, der Mindestlohn ist – nach den Protesten der Gelbwesten – stärker angestiegen als geplant.

Zahl der jungen Nichtwähler deutlich gestiegen

Dennoch: In den fünf Jahren unter der Regierung Macron hat sich vor allem unter den jüngeren Wählern eine große Frustration ausgebreitet. Am 10. April, in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen, gingen von den unter 25-Jährigen ganze 42 Prozent nicht wählen, bei den 25- bis 34-Jährigen waren es sogar 46 Prozent – deutlich mehr als noch 2017.

Woher kommt diese Frustration? Der Soziologe Olivier Galland hat versucht, Antworten zu finden und eine Umfrage unter 8.000 jungen Menschen durchgeführt. Seine Bilanz: "Was die Jugend auszeichnet, ist politische Distanziertheit", sagte er der Zeitung "Les Echos". Die aktuellen Studentenproteste und vor allem die Forderung "Weder Macron, noch Le Pen" sieht er nicht als repräsentativ. "Ein Rand der Jugend ist sehr politisiert und radikalisiert, ich glaube nicht, dass er die gesamte Jugend repräsentiert."

Viel mehr sieht er eine Reihe an Gründen, die junge Menschen von der Wahlurne fernhalten. 34 Prozent der Befragten glaubten etwa, dass Wählen nicht sehr sinnvoll sei, weil Politiker den Willen des Volkes nicht berücksichtigen. Mehr als die Hälfte fühlte sich keiner Partei verbunden. "Sie machen sich Sorgen über Ökologie, Gewalt gegen Frauen, Terrorismus oder Ungleichheiten. Aber das lässt sich nicht in eine politische Form übersetzen."

"Es ist egal, wem man seine Stimme gibt"

Einer, der überhaupt nicht mehr wählt, steht an diesem Tag etwas abseits. Salim, der auch seinen Nachnamen nicht nennen will, ist gelernter Krankenpfleger. Er arbeitet an einer mobilen Corona-Teststation und beobachtet an diesem Tag den Protest gegenüber von der Universität in Saint-Denis. Auch in der ersten Runde hat der 29-Jährige nicht abgestimmt, wie schon bei der Wahl zuvor.

Nicht nur fühlt er sich als Muslim von niemanden in der Politik vertreten. Damals, 2012, als François Hollande von der Parti Socialiste gewählt wurde, habe er sich noch gefreut. Endlich eine linke Regierung. Doch Hollande, der mit seinem Amt auch die Folgen der europäischen Wirtschaftskrise erbte, liberalisierte das Arbeitsrecht. Massen gingen damals auf die Straße.

Das hat sich in Salims Kopf eingebrannt: "Es ist egal, wem man seine Stimme gibt: Immer wird liberalisiert", sagt er. Die Armen würden immer ärmer, die Reichen reicher, dabei zahle er viele Steuern – so sieht Salim das.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche und Beobachtungen
  • Ipsos: Soziologie der Wählerschaft 2017, erste Runde und zweite Runde (französisch)
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