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Scheindemokratie Deutschland? "Die Menschen wissen nicht, wie gut sie es haben"


Meinung
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Scheindemokratie Deutschland?
"Die Menschen wissen nicht, wie gut sie es haben"

MeinungVon Mario Thieme

Aktualisiert am 21.04.2022Lesedauer: 5 Min.
Eine Deutschlandfahne mit der Aufschrift "Wir sind das Volk" wird bei einer Demonstration hochgehalten: Ein Drittel glaubt, in einer Scheindemokratie zu leben.Vergrößern des Bildes
Eine Deutschlandfahne mit der Aufschrift "Wir sind das Volk" wird bei einer Demonstration hochgehalten: Ein Drittel glaubt, in einer Scheindemokratie zu leben. (Quelle: IMAGO / Emmanuele Contini)
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Fast jeder Dritte hierzulande hat das Gefühl, lediglich in einer Scheindemokratie zu leben. t-online-Leser bewerten, wie es um den Zustand der Staatsform in Deutschland bestellt ist.

31 Prozent der Bundesbürger glauben, sich in einer Scheindemokratie zu befinden, "in der die Bürger nichts zu sagen haben". Dies ergab eine vom SWR in Auftrag gegebene, repräsentative Umfrage des Allenbach-Instituts. In Westdeutschland vertreten 28 Prozent diese Ansicht, in Ostdeutschland sogar 45 Prozent.

Florian Harms, Chefredakteur von t-online, und Miriam Hollstein, Chefreporterin Politik, diskutierten in einer "Tagesanbruch"-Ausgabe über diese erstaunlichen Zahlen: Wie sie zustande kommen und was zu tun ist, um die Lage zu verbessern. Hören Sie den Podcast hier:

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Unserem Aufruf, den Zustand unserer Demokratie zu beurteilen, folgten Tausende. Die meisten t-online-Leser sind sich darüber einig, die demokratische sei die beste Gesellschaftsform. Sie funktioniere nur nicht gut, wird massenhaft geäußert. Viele zeigen sich aber auch zufrieden mit dem Status quo.

"Nicht nur konsumieren und Ansprüche stellen"

"Unser Demokratiesystem dürfte nach wie vor eines der besten auf diesem Planeten sein, auch wenn es Mängel hat", findet t-online-Leser Wilfried Schönebeck. "Letztlich hängt die Qualität auch von der Bereitschaft der Bürger ab, nicht nur zu konsumieren und Ansprüche zu stellen, sondern sich selbst tatkräftig zu beteiligen", führt er aus.

"Einige Besetzungen haben nichts mehr mit Demokratie zu tun"

t-online-Leserin Christiane Michalski hingegen schreibt: "Ich bin mir nicht mehr so sicher, ob ich mit gutem Gewissen noch sagen kann: Deutschland ist eine Demokratie. Wenn man sich einige Besetzungen der Ministerien ansieht, hat das doch wirklich nichts mehr mit Demokratie zu tun. Da ist der Parteiproporz wesentlich wichtiger.

Wir dürfen zwar wählen, was ich auch mache, aber man sieht leider sehr oft nach der Wahl, dass der Wahlwillen des Volkes sich nicht wiederfindet. Ist das Demokratie? Ich bin über 70 Jahre alt und habe das Gefühl, dass Anstand und Moral bei vielen Politikern nicht vorhanden sind."

"Ablehner der Demokratie dürfen gern auswandern"

"Wenn ich mir verschiedene Länder ansehe, möchte ich nur in einer Demokratie leben", stellt t-online-Leserin Annette Meyer fest. "Die Meckerer und Ablehner scheinen das hohe Gut der Freiheit und Rechtssicherheit nicht wertzuschätzen und haben es demnach auch nicht verdient. Sie dürfen gern dorthin auswandern, wo sie glauben, besser leben zu können.

Manche kommen mit Selbstverantwortung nicht klar und möchten lieber einen starken Führer, der sie wie Lämmer in der Manege herumtreibt. Leider gibt es von diesen Einfältigen recht viele", beklagt sie.

"Immer stärker durch Einflüsse von außen bedroht"

t-online-Leser Stefan Wittmer meint: "Zur Betrachtung der Anfälligkeit unserer Demokratie ist es erforderlich, den Blick über die Grenzen auf die Entwicklung in der EU und ihrer Institutionen zu richten. Beispielsweise der Brexit, die deutliche Wiederwahl Orbáns in Ungarn, die Rückschritte bei der Unabhängigkeit der Justiz in Polen, das Zittern Macrons um die Präsidentschaft in Frankreich, die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ohne Rücksicht auf die hohe Inflation. Deutschland ist keine Insel; all diese Probleme wirken auch auf die Menschen hierzulande.

Man hat das Gefühl, die Scheuklappen unserer Regierenden verhindern einen Blick auf die Realität, die uns umgibt. Unsere Demokratie wird aus meiner Sicht immer stärker durch Einflüsse von außen bedroht, die bei uns ebenfalls für Erschütterungen sorgen. Fiele aktuell die französische Präsidentschaft in die Hände der Rechten, würde das auch in Deutschland Einfluss auf die politische Landschaft haben und die demokratische Grundordnung zusätzlich belasten."

Stefan Wittmer hat das Gefühl, die Politiker hörten nicht ernsthaft darauf, "was die Menschen wirklich umtreibt: Themen wie Arbeitsplätze, Kaufkraft, bezahlbare Energie, innere Sicherheit, Kluft zwischen Arm und Reich, Erhalt der städtischen Infrastruktur."

"Demokratie ist die beste aller schlechten Staatsformen"

"Ich bin Jahrgang 1938", berichtet t-online-Leser Walter Weinberg. Er plädiert für mehr Dankbarkeit: "Wenn man so viel erlebt hat wie ich, inklusive den Zweiten Weltkrieg, kann ich nur sagen, dass es den Menschen heute einfach zu gut geht. Sie wissen nicht, wie gut sie es haben. Demokratie ist die beste aller schlechten Staatsformen. Wir sollten sie schätzen und bewahren."

"Viele Politiker leben in einer Blase"

t-online-Leser Joachim Langefeld stimmt Walter Weinberg zu: "Persönlich bin ich der Meinung, dass die Demokratie die beste Form der Regierung ist. Was dabei herauskommt, wenn eine Person zu viel Macht hat, sieht man deutlich an Putin." Er wendet jedoch ein: "Auch als Befürworter der Demokratie sehe ich, dass viele Politiker in einer Blase leben und vom echten Leben keine Ahnung haben.

Die meisten von ihnen sind nur über ein Parteibuch auf ihre Posten gekommen, Fachkenntnisse fehlen." Grundsätzlich ist Joachim Langefeld froh, "in einem freien Land wie unserem leben und seine Meinung frei sagen zu können und nicht bei Kritik im Gefängnis zu landen".

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"Dass viele meckern zeigt nur, wie gut es uns geht"

"Als Berufssoldat bin ich in den letzten 35 Jahren an vielen Orten gewesen, wo es kein Staatssystem wie das unsere gibt", erzählt t-online-Leser Helmut Reichertz. "Ich liebe unsere Demokratie. Denn zu sehen, wie in anderen Ländern Meinungen unterdrückt werden oder Lebensformen (unter anderem Homosexualität) verboten sind, zeigt mir, wie sehr wir eine gewisse Freiheit haben.

Dass in unserem Land viele meckern oder gegen dieses System schreien, zeigt mir nur, wie gut es uns geht. Manche wissen es nur nicht. Denn erst, wenn man diese Freiheiten nicht mehr hat, dann vermisst man sie – nur dass es dann zu spät ist. Wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft, die einfach nur verwöhnt ist", stellt er fest.

"Wir lachen nur noch, obwohl uns zum Weinen zumute ist"

"Ich wohne in einer kleinen Gemeinde am südöstlichen Zipfel in Brandenburg. Ich bin seit mehr als zehn Jahren Kommunalpolitiker und hautnah dran am Bürger", lässt t-online-Leser René Prüfer uns wissen. "Wir wundern uns weder über die Beschlüsse der Landes- noch der Bundesregierung. Nein, wir lachen nur noch, obwohl uns eher zum Weinen zumute ist. Hier auf dem Land, wo der Nahverkehr ausradiert wurde, keine Einkaufsmöglichkeiten mehr vorhanden sind, wollen uns wohlstandsverwahrloste Politiker erklären, wie toll ein Lastenfahrrad ist und welch ein Geschenk das Neun-Euro-Ticket für den Nahverkehr doch ist.

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Hier, wo man in der Regel 30 Kilometer zur Arbeit fahren muss, bekommen wir dann erklärt, dass Autofahren teurer werden muss. Wir, die südlich der A15 Wohnenden wissen, dass wir in den von Potsdam abgehängten Gebieten nicht wirklich dazugehören. Da muss man sich nicht wundern, warum wir nicht mehr zuhören, wenn von den Worten der Politiker vor den Wahlen nach den Wahlen nichts bleibt."

"Dankbar, dass wir in dieser Demokratie leben dürfen"

t-online-Leser Rudolf Breest betont: "Ich bin echt dankbar, dass wir in der Demokratie leben dürfen, wie wir sie heute haben! Wir können unsere Meinung frei äußern. Wir können weitestgehend so leben, wie es sich ein jeder vorstellt und wo ein jeder machen, kann was er will. Und wir leben in einem Staat, in dem im Großen und Ganzen keiner in Armut zurückgelassen wird.

Auch wenn das nicht immer hundertprozentig gelingt, so sind doch relativ gute und anerkennende Sicherungssysteme vorhanden. Ja, ich gebe zu, auch ich fühle meine Interessen nicht immer optimal vertreten, aber das kann ich akzeptieren, wenn ich dafür weiterhin in Freiheit und Demokratie leben kann."

Verwendete Quellen
  • Einsendungen von t-online-Lesern
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