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Afghanistan und die Folgen der Dürre: Das ist entsetzlich


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Das ist entsetzlich

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 10.12.2021Lesedauer: 6 Min.
Afghanistan leidet unter einer der schwersten Dürren der vergangenen Jahrzehnte.Vergrößern des Bildes
Afghanistan leidet unter einer der schwersten Dürren der vergangenen Jahrzehnte. (Quelle: Julian Frank/WFP/dpa)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

die öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich meistens dorthin, wo das Scheinwerferlicht hinfällt. In diesen Tagen fällt das Licht auf die neue Bundesregierung, auf den neuen Kanzler und auf seine Minister. Es beleuchtet außerdem die Krise zwischen Russland und der Ukraine und natürlich auch die großen und kleinen Aufreger rund um Gestalten wie Joshua Kimmich, Alice Weidel und Jennifer Lawrence. Auf den größten Aufreger fällt das Licht leider nicht. Dabei ist diese Krise so gewaltig und so unfassbar tragisch, dass wir von morgens bis abends von nichts anderem mehr reden sollten.

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Afghanistan war ja in aller Munde, vier Monate ist das jetzt her. Damals sahen wir live dabei zu, wie die Taliban Kabul überrannten, wie sich die amerikanischen, britischen und deutschen Soldaten Hals über Kopf aus dem Staub machten, wie Zigtausende verzweifelte Afghanen den Flughafen stürmten, um einen Platz in den letzten Maschinen zu ergattern. Wir sahen überforderte deutsche Minister, und wir Journalisten schrieben damals, das alles sei ein Desaster. Dann kamen der Bundestagswahlkampf und die vierte Corona-Welle, und Afghanistan tauchte in den Nachrichten nur noch unter ferner liefen auf.

Diese Gewichtung ist falsch, denn die Lage vor Ort hat sich seit dem Sommer dramatisch verschärft. Gäbe es eine Steigerungsform für das Wort Desaster, hier bräuchten wir sie. Das Land am Hindukusch hat sich binnen weniger Monate in die Hölle auf Erden verwandelt. Wo schon vor einem Jahr bittere Armut herrschte, ist brutalste Pein eingezogen. Denn mit den internationalen Truppen verließen auch die Hilfsgelder den Krisenstaat. Die USA haben die Konten der Kabuler Regierung eingefroren und blockieren ebenso wie die Europäer die wenigen Finanzwege in das Land. Die Banken haben deshalb kein Geld mehr, Millionen Familienväter haben ihre Jobs verloren, und die neuen Herrscher verbieten Frauen die Arbeit in fast allen Berufen.

Die Folgen dieser finanziellen Austrocknung sind furchtbar. Während Sie diesen Text hier lesen, leiden 23 Millionen Afghanen Hunger, darunter 14 Millionen Kinder. Vertreter der wenigen verbliebenen Hilfsorganisationen sprechen von der "sich am schnellsten entwickelnden Hungersnot der Welt". Ich wollte genauer wissen, was sich hinter diesem Satz verbirgt und habe deshalb mit Sam Mort gesprochen. Die 49-jährige Schottin arbeitet seit einem Jahr für das Kinderhilfswerk Unicef in Kabul und ist soeben von einer Rundreise durch die afghanischen Provinzen in die Hauptstadt zurückgekehrt. Folgendes hat sie mir berichtet:

"Afghanistan war ja schon immer ein armes Land, aber was wir hier jetzt erleben, ist unfassbar. Dürren haben die Ernten vernichtet. Krankheiten wie Polio, die Nesseln und natürlich Covid wüten. Viele Menschen sind vor Kämpfen oder den Taliban in einen anderen Ort geflohen. Und nun bricht wegen der fehlenden ausländischen Gelder die Wirtschaft zusammen. Die Menschen haben nichts mehr zu essen, und am schlimmsten trifft es die Kinder. Soeben war ich in einem Kinderkrankenhaus in Herat. Die Stille dort ist entsetzlich: kein Weinen, kein Wimmern, kein Klagen. Dafür sind die Kinder längst zu schwach. Sie hocken oder liegen apathisch herum und brauchen ihre letzte Kraft fürs Atmen. So wie die kleine Parwana. Mit ihren vier Jahren wiegt sie gerade mal noch neuneinhalb Kilogramm, das Doppelte sollte es sein. Ihr Gesicht sieht aus wie das einer alten Frau. Ihre Oberarme sind dünn wie Zweige. Das Haar fällt ihr aus. Sie konnte nicht einmal mehr ihre Hände heben. Tagelang haben wir sie mit Erdnusspaste aufgepäppelt."

50 Cent kostet so ein Päckchen Erdnusspaste, ein hungerndes Kind braucht täglich vier Rationen. Zwei Euro: So klein ist der Unterschied zwischen Leben und Tod. Tausendfach, massenhaft. Denn auch diese Nothilfe kommt nicht aus heiterem Himmel, sondern muss bezahlt und an den Hindukusch geliefert werden – und wenn die amerikanische, die deutsche und die anderen westlichen Regierungen das Land aushungern, droht Kindern wie der kleinen Parwana der Tod.

Natürlich ist es ein Dilemma: Man will die Taliban, die Andersdenkende massakrieren und Frauen unterdrücken, nicht unterstützen. Und die Taliban haben nun eben die Macht in Afghanistan. Aber wenn die Folgen der internationalen Isolierung vor allem unschuldige Zivilisten treffen, ist das keine Außenpolitik, sondern ein Verbrechen. "Ich wünschte, die Regierungschefs aus Europa und Amerika würden hierherkommen und sich mit eigenen Augen anschauen, was sie anrichten", sagt Sam Mort. "Es ist unmenschlich. Die Afghanen brauchen Hilfe. Sofort!"

Verzeihen Sie mir bitte, dass ich Sie heute Morgen mit diesem düsteren Thema behellige, aber ich konnte nicht anders. Als ich die Geschichte der kleinen Parwana hörte, als ich im Videogespräch die Tränen in den Augen der Entwicklungshelferin Sam Mort sah, da entschloss ich mich, nicht nur diese Zeilen aufzuschreiben, sondern Ihnen auch noch zu sagen, wie Sie helfen können, falls Sie in der Vorweihnachtszeit ein paar Euro übrig haben. Denn glücklicherweise gibt es noch ein paar Helfer vor Ort. Organisationen wie Unicef haben das deutsche Spendensiegel und garantieren, dass der Großteil jeder Spende bei den Notleidenden ankommt: Von 100 Euro fließen 81,48 Euro an die Bedürftigen (der Rest wird für Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit und die Kinderrechtsarbeit in Deutschland verwendet). Die Entscheidung liegt also bei Ihnen. Helfen können Sie hier oder hier oder hier.


Die Rechte der Kinder

Hierzulande herrscht keine Hungersnot, aber auch bei uns brauchen Kinder Unterstützung. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender erinnern heute mit einer Veranstaltung im Schloss Bellevue daran und diskutieren mit zwölf Jugendlichen die Frage: "Wie wollen wir leben?" Es geht vor allem um persönliche Erlebnisse während der Corona-Krise und die Folgen der Klimakrise. "Die jungen Menschen haben in der Pandemie enorme Solidarität gezeigt mit den Älteren, Kranken und besonders Gefährdeten", hat Steinmeier vor einigen Monaten gesagt. "Jetzt ist es umgekehrt an uns, den Älteren, Solidarität mit den Jungen zu zeigen."

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Ein Bock als Gärtner

Dass die AfD im neuen Bundestag die Leitung von Ausschüssen übernimmt, ist unvermeidlich. Die 25 Vorsitzendenposten werden in mehreren Runden nach Fraktionsstärke verteilt, und da sind als zweitgrößte Oppositionspartei eben auch irgendwann die ganz Rechten dran. Nicht unvermeidlich wäre hingegen gewesen, was sich SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP mit ihrer Auswahl eingebrockt haben: Weil die SPD zunächst die Außenpolitik beanspruchte und die CDU den Haushalt, weil die Grünen ihrem Doch-nicht-Landwirtschaftsminister Anton Hofreiter den Europaausschuss zuschanzen wollten und die FDP ihre verhinderte Ministerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit der Verteidigung trösten wollte, konnte sich die AfD ins Fäustchen lachen und in der ersten Zugriffsrunde den wichtigen Innenausschuss schnappen.

Seither ist das Entsetzen groß, und zwar zu Recht: Schließlich handelt es sich um den Ausschuss, der sich mit Verfassungsschutz und Rechtsextremismus auseinandersetzt. Dessen Sitzungen soll nun ein Abgeordneter jener Partei leiten, die systematisch versucht, demokratische Strukturen zu zersetzen? Die zur Hälfte selbst vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird? Da fällt einem schnell das Bild vom Bock als Gärtner ein. Heute will die AfD entscheiden, wen sie für den Ausschussvorsitz nominiert. Als Kandidat gilt Gottfried Curio, der schon mal vom "entarteten Doppelpass" sprach. Nicht zu fassen.


Lernen trotz Corona

Was Diskretion angeht, ist Britta Ernst durchaus mit Angela Merkels Ehemann Joachim Sauer zu vergleichen: Die Gattin von Olaf Scholz, gebürtige Hamburgerin, gibt sich gern norddeutsch zurückhaltend, pragmatisch und unaufgeregt, äußert sich nicht zu den Ambitionen ihres Mannes und zu ihrem Privatleben schon gar nicht. Einen entscheidenden Unterschied zum Quantenchemiker Sauer allerdings gibt es: Die Diplom-Volkswirtin ist selbst Politikerin und amtiert als Bildungsministerin von Brandenburg. Weil sie als solche derzeit auch Präsidentin der Kultusministerkonferenz ist, tritt Frau Ernst heute doch mal vor die Presse: Da stellt sie vor, was die Ressortchefs der Länder zum Thema Lernen in der Corona-Pandemie beschlossen haben. Ihre Nachfolgerin ab dem kommenden Jahr, die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien, sprach sich gestern schon mal gegen verlängerte Weihnachtsferien und für niedrigschwellige Impfangebote aus.


Was lesen?

Friedrich Merz will endlich CDU-Chef werden – und attackiert die Ampelkoalition. Was er von deren Migrationspolitik hält, hat er unseren Reportern Sven Böll und Sebastian Späth erzählt.


Der Mehrfachmord nahe Berlin sorgt für Entsetzen – Hintergrund soll ein gefälschtes Impfzertifikat sein. Unsere Kollegen von "Watson.de" haben sich von einem Experten die Radikalisierung der Impfgegner erklären lassen.


Alice Weidel hantierte in einem Corona-Interview mit falschen Zahlen – und wurde vom Statistischen Bundesamt entlarvt: Was hinter den Aussagen der AfD-Politikerin stecken könnte, analysiert unsere Kolumnistin Nicole Diekmann.


Ihren größten Skandal verursachten die britischen Royals im Jahr 1937. Was damals geschah, lesen Sie zu unserem Historischen Bild.


Nach seiner Corona-Erkrankung hat der ungeimpfte Fußballprofi Joshua Kimmich gravierende Lungenprobleme. Unser Sportchef Robert Hiersemann sagt, was dazu zu sagen ist.


Was amüsiert mich?

Frau Baerbock ist jetzt viel unterwegs.

Ich wünsche Ihnen einen ereignisreichen Tag. Morgen erhalten alle Abonnenten den Tagesanbruch mit unserem ausführlichen Wochenend-Podcast. Am Montag schreibt Johannes Bebermeier für Sie, von mir lesen Sie am Dienstag wieder.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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