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Corona-Krawalle in Europa: Jetzt wird es radikal!


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Tagesanbruch
Jetzt wird es gefährlich

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 22.11.2021Lesedauer: 5 Min.
Protest gegen die Corona-Politik in Rotterdam.Vergrößern des Bildes
Protest gegen die Corona-Politik in Rotterdam. (Quelle: REUTERS)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

in Krisenzeiten kommt das Übelste einer Gesellschaft zum Vorschein. Schauen wir in unser Nachbarland Österreich: Inzidenz über 1.000, nur zwei Drittel der Menschen geimpft, viele Kliniken kurz vor der Kapitulation, heute beginnt ein landesweiter Lockdown für alle Bürger.

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Am Wochenende sind Zehntausende Menschen in Wien gegen die verschärften Corona-Regeln auf die Straße gegangen. Die rechtsextreme FPÖ hat sich an die Spitze der Bewegung gesetzt und schürt den Zorn der Empörten: "Ab heute ist Österreich eine Diktatur", keift Partei-Blockwart Herbert Kickl. In Linz haben zwei Jugendliche aus Wut über die Corona-Kontrollen ein Polizeiauto angezündet und verkündet, sie wollten Beamte töten. Regierungsmitglieder erhalten Morddrohungen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in den Niederlanden: Auch dort werden die Proteste gegen die Corona-Politik immer radikaler. Am Wochenende lief eine Demonstration in Rotterdam aus dem Ruder. Hunderte Randalierer zogen durch die Hafenstadt, legten Brände und griffen Polizisten an. Die Beamten wussten sich nicht anders zu helfen, als mit scharfer Munition zurückzuschießen. Zurück blieben Verletzte, verwüstete Straßen und ausgebrannte Autos. "Es war eine Orgie der Gewalt", sagt der erschütterte Bürgermeister.

Auch in Belgien radikalisieren sich die Gegner der Corona-Regeln, seit Ungeimpfte dort Bars und Restaurants nicht mehr betreten dürfen. Am Wochenende mündete eine Demonstration in Brüssel in heftige Randale. Vermummte griffen Polizisten mit Steinen und Brandsätzen an, die Beamten setzten Wasserwerfer und Tränengas ein.

Österreich, Holland, Belgien: Was verbindet diese drei Länder? Warum schlägt dort der Protest gegen die Corona-Politik so vehement in Gewalt um – anders als in Italien, Spanien und anderen Staaten, die ebenfalls scharfe Regeln erlassen haben? Jedes Land hat seine Eigenheiten, unterschiedliche Bevölkerungen, verschiedene Prägungen und Probleme. Doch eine Gemeinsamkeit fällt auf: Diese drei Länder haben schwache Regierungen.

In Wien regiert ein Bundeskanzler, dessen Name kaum jemand kennt, nachdem sein Vorgänger Sebastian Kurz den Staat schamlos für seine Karrierepläne ausgenutzt und nach diversen Skandalen einen politischen Trümmerhaufen hinterlassen hat. Das Vertrauen vieler Bürger in die Regierenden tendiert gegen null.

In den Niederlanden gibt es seit acht Monaten gar keine Regierung mehr – ein trauriger Rekord. Einflussreichster Politiker ist Mark Rutte, der mit zahlreichen Affären und dem brutalen Kindergeldskandal in Verbindung gebracht wird. Drogengangs haben de facto vielerorts die Macht übernommen, kürzlich erschossen sie auf offener Straße den Journalisten Peter de Vries. Auch hier haben viele Bürger das Vertrauen in die staatlichen Organe verloren.

In Belgien wiederum hat sich die politische und gesellschaftliche Spaltung des Landes vertieft. Separatisten kämpfen ihre Sonderwünsche durch, die Regierung verwaltet mehr, als dass sie gestaltet. An Orten wie dem Brüsseler Stadtviertel Molenbeek hat sich eine Parallelgesellschaft mit eigenen Regeln und Gesetzen entwickelt. Auch hier haben viele Bürger den Draht zum Staat verloren.

Drei Länder, ein Problem: Wenn die Autorität des Staates und seiner Vertreter schwindet, erstarken die Radikalen. Erst recht in Zeiten der Unsicherheit. Die europäischen Geschichtsbücher sind voll von Warnungen, wohin das führen kann: bis ins finsterste Verderben, bis zum Triumph des Bösen. Man muss nicht gleich den Teufel an die Wand malen, aber auch heute verlassen sich zu viele Menschen darauf, dass Demokratien ewig halten, dass sie selbst in Krisenzeiten stabil bleiben. Doch eine Demokratie ist kein Naturgesetz. Sie lebt vom unermüdlichen Engagement konstruktiver, kompromissbereiter Bürger. Sie braucht vertrauenswürdige und durchsetzungsstarke Leute in den höchsten Staatsämtern. Und sie muss gegen ihre Feinde verteidigt werden, wenn nötig auch mit Härte.

Das gilt nicht nur in unseren Nachbarländern, sondern auch hierzulande. Auch bei uns erstarken die Extremisten, auch hier gibt es mit der AfD eine rechtsextreme Partei, die sich an die Spitze der radikalen Impfgegner zu setzen versucht. Auch wir erleben derzeit ein politisches Vakuum, weshalb schnelle Entscheidungen gegen die vierte Corona-Welle vertrödelt wurden. So wird Corona nicht nur zu einer gesundheitlichen, sondern auch zu einer gesellschaftlichen Gefahr. Dieses Virus hat die Macht, ganze Staaten zu zersetzen. Deutschland braucht deshalb schnell eine starke Regierung, die ihre Aufgaben sehr ernst nimmt. Und die das Interesse der Vernünftigen an einem gesunden Leben entschlossen verteidigt.


Auf dem Weg in den Lockdown

In mehreren Bundesländern treten heute strengere Corona-Regeln in Kraft: Sachsen schränkt für drei Wochen weite Teile des öffentlichen Lebens ein. Kultur- und Freizeitangebote, Bars, Clubs und Weihnachtsmärkte bleiben geschlossen, touristische Übernachtungen sind gestrichen, Restaurants müssen begrenzte Öffnungszeiten einhalten. In Bayern gelten ab Mittwoch für Ungeimpfte strikte Kontaktbeschränkungen. Clubs und Bars müssen auch dort für drei Wochen schließen, Weihnachtsmärkte soll es nicht geben. Außerdem wollen heute die Gesundheitsminister von Bund und Ländern über die geplante Lieferbegrenzung von Biontech-Impfstoff zugunsten von Moderna beraten. Viele Politiker und noch mehr Ärzte halten den Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn für eine Zumutung: Dadurch würden Patienten verunsichert und Praxen durch Mehraufwand belastet. Die dringend benötigten Booster-Impfungen könnten so gleich wieder erlahmen.


Auf der Zielgeraden

SPD, Grüne und FDP geraten immer stärker unter Druck: Der Charme des Ampelaufbruchs ist verblasst, die Anerkennung für die Diskretion während der Koalitionsverhandlungen ist der Ungeduld gewichen: Statt Interviewphrasen von Christian Lindner über Wiederwahl-Perspektiven zu lesen, wüsste man halt jetzt ganz gern, was die künftigen Regierungspartner in ihrer Klausur so alles ausbaldowern. Heute gehen die Beratungen weiter, im Lauf der Woche wollen die drei Parteien dann den Entwurf ihres Koalitionsvertrags präsentieren. Kanzlerkandidat Olaf Scholz sieht die Verhandlungen "voll im Zeitplan". Na dann.

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Es sollte eine idyllische Vorweihnachtsfeier werden und endete in einem Albtraum: Bei einer Straßenparade im US-Bundesstaat Wisconsin ist am Sonntag (Ortszeit) ein Geländewagen in eine Menschenmenge gefahren. Mehr als 20 Menschen seien verletzt worden, darunter Kinder, teilte die Polizei mit. Es gebe zudem "mehrere Tote". Viele Details sind noch unklar. Doch die ersten Informationen der Ermittler sind düster.


FC Corona München

In München brennt die Hütte: Wenn der FC Bayern heute zum Champions-League-Gruppenspiel nach Kiew abfliegt, werden neben Joshua Kimmich auch Serge Gnabry, Jamal Musiala, Eric Maxim Choupo-Moting und Michael Cuisance fehlen. Sie gelten als ungeimpft, hatten Kontakt mit einem Infizierten und sind deshalb in Corona-Quarantäne. Die Vereinsbosse haben daher Konsequenzen gezogen: Ungeimpfte Spieler werden für die Dauer ihrer Quarantäne nicht mehr bezahlt. Bei einem Herrn Kimmich, der geschätzte 20 Millionen Euro pro Jahr verdient, macht das rund 384.000 Euro pro Woche aus, was ihn kaum jucken dürfte. Mein Kollege Andreas Becker lobt die Entscheidung trotzdem.


Was lesen?

Mögen Sie die Tukur-"Tatorte" auch so gern wie ich? Dann haben Sie gestern Abend vielleicht ebenfalls die Stirn gerunzelt. Die Kollegen der "FAZ" nennen es das "Prinzip heiße Luft".




Ted Herold war einer der wenigen deutschen Rock-'n'-Roll-Stars. Am Wochenende ist er bei einem Wohnungsbrand in Dortmund ums Leben gekommen. Sein Manager und sein Musikproduzent haben meinem Kollegen Steven Sowa die Hintergründe erzählt.


Was amüsiert mich?

Manchmal ist die Wahrheit ganz einfach.

Zum Schluss gebührt Ihnen ein herzliches Dankeschön. Ihnen, den Leserinnen und Lesern des Tagesanbruchs. Täglich halten Sie uns Autoren die Treue, senden uns nettes Lob, profunde Kritik und wertvolle Anregungen. Manche schicken sogar Geschenke: Kaffee, Wein, Schokolade, neulich war sogar ein Fisch dabei. Sie sind toll! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen tollen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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