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Hintermänner suchten Plagiatsjäger für Kampagne gegen Annalena Baerbock


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Nach Vorwürfen
Hintermänner suchten Plagiatsjäger für Anti-Baerbock-Kampagne


Aktualisiert am 01.07.2021Lesedauer: 5 Min.
Die Grünen-Spitzenkaniddatin Annalena Baerbock: Ein Plagiatsjäger gibt an, für eine Kampagne gegen sie kontaktiert worden zu sein.Vergrößern des Bildes
Die Grünen-Spitzenkaniddatin Annalena Baerbock: Ein Plagiatsjäger gibt an, für eine Kampagne gegen sie kontaktiert worden zu sein. (Quelle: Felix Zahn/photothek.net/imago-images-bilder)

Fehler im Lebenslauf und mögliche Plagiate in ihrem Buch machen Grünen-Kandidatin Baerbock im Wahlkampf zu schaffen. Offenbar wurden Plagiatsjäger gezielt auf sie angesetzt.

Martin Heidingsfelder ist gerade beim Abschlag an Loch sechs eines Golfplatzes, als sein Telefon klingelt. Der Anrufer hat ein Angebot. Der Plagiatsjäger hat sich einen Namen damit gemacht, auch gegen Bezahlung mögliche Ungereimtheiten und Falschangaben in Lebensläufen und wissenschaftlichen Arbeiten von Politikern aufzuspüren. An diesem Tag Anfang Mai ruft ihn ein alter Bekannter an. Das Gespräch, so schildert er es t-online rückblickend, dauert eine Weile. Er sucht sich eine Bank, setzt sich und hört zu.

Der Mann will Heidingsfelder für eine Kampagne gegen die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gewinnen.

Vermeintliche Enthüllungen setzen die Parteivorsitzende und Spitzenkandidatin mittlerweile seit Wochen unter Druck. Nach einem monatelangen Höhenflug der Grünen haben sich die schlechten Schlagzeilen, so scheint es, inzwischen auf die Umfragen ausgewirkt. Die Hoffnungen der Partei, im September stärkste Fraktion im Bundestag zu werden, schwinden zunehmend. Die Parteizentrale wittert "Rufmord" gegen die einzige Frau unter den aussichtsreichen Bewerbern und hat sogar einen Medienanwalt engagiert.

Politische Motive hinter den Vorwürfen

Bislang hieß es, der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber habe in Eigeninitiative Baerbocks Lebenslauf und Buch untersucht. Recherchen von t-online legen nun etwas anderes nahe: dass eine politisch motivierte Gruppe gezielt der Kandidatin schaden will und dafür auf die Suche nach professionellen Plagiatsjägern ging. Während Heidingsfelder das Angebot nach eigenen Angaben ablehnte, begann Weber offenkundig im etwa gleichen Zeitraum zu recherchieren. Auf eine Anfrage von t-online dazu reagierte er zunächst nicht. Er meldete sich dann nach Erscheinen dieses Textes, er habe die Anfrage übersehen. Mehr dazu im Update am Textende.

Stattdessen gab er am Mittwoch zunächst – wenige Stunden, nachdem er die Anfrage von t-online erhalten hatte – eine Pressemitteilung heraus, in der er neue Vorwürfe zum Buch erhob und betonte: "Im Fall Baerbock prüfe ich aus Eigeninteresse und ohne Bezahlauftrag." Die Worte "ohne Bezahlauftrag" hob er dabei durch Fettung besonders hervor. "Ich habe auch keinen Auftraggeber, mit dem vereinbart worden wäre, genau dies zu behaupten: nämlich, dass es keinen Auftrag gäbe. Das erkläre ich hiermit an Eides statt." Genau danach hatte t-online gefragt.


Dass Weber derart betont, nicht für die Arbeit bezahlt zu werden, ohne konkret darauf einzugehen, wie er auf das Thema aufmerksam wurde, ist zumindest bemerkenswert. Denn Plagiatsjäger Heidingsfelder, der als Gründer der Rechercheplattform "VroniPlag" bekannt wurde, ist in seinen Schilderungen im Gespräch mit t-online bemerkenswert detailreich. Sie betreffen auch Weber.

"Leute, die Kampagnen starten können"

Es handele sich bei den mutmaßlichen Initiatoren um eine kleine Gruppe. Der Anrufer, dessen Identität er nicht preisgeben will, sei ein früherer Sozialdemokrat, den er seit einigen Jahren kenne. "Nach meinem persönlichen Eindruck kommen die eher aus dem rechten Lager, sind aber nicht parteigebunden." Es seien seiner Meinung nach jedenfalls "Leute, die Kampagnen starten können".

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Es gehe dem Anrufer zufolge nicht gegen die Grünen an sich, aber um ihr Spitzenpersonal: Baerbock müsse schnell weg, damit die Partei doch noch den Co-Vorsitzenden Robert Habeck ins Rennen schicke. Es sei "eine Riesenchance für Baerbock, wenn sie jetzt geht", sei als Satz gefallen. "Das sollte wohl ausdrücken, dass sie noch mehr gegen sie auf Lager haben", sagt Heidingsfelder. Mit dem Anrufer stehe er noch in Kontakt. "Wir sind seither weiter im Austausch, er hat mich am Mittwoch noch mal angeschrieben: 'Mach doch bei uns mit.'"

"Eines Plagiatsjägers unwürdig"

Doch Heidingsfelder hat sich längst selbst ein Bild gemacht. Nachdem sein Telefon auf dem Golfplatz klingelte, hat er in Web-Archiven recherchiert. Erst dann lehnte er das Angebot ab. Auch er sei kampagnenfähig, sagt er. "Aber für so etwas gebe ich meinen guten Ruf und meinen Namen nicht her." Was derzeit passiere, habe "Züge des amerikanischen Wahlkampfs und die Beteiligung ist in meinen Augen eines Plagiatsjägers unwürdig".

Bei den Vorwürfen wegen des Buches gehe "es sogar in Richtung Rufschädigung". Es handele sich schließlich um ein eher belangloses Sachbuch, nicht um eine wissenschaftliche Qualifikationsarbeit. Insgesamt habe er nichts gesehen, was für Plagiatsjäger relevant ist und habe das auch so mitgeteilt: "Hier wird aus einer Mücke ein Elefant gemacht." Das habe er seinem Kollegen Stefan Weber später ebenfalls geantwortet.


Doch wie kam der Medienwissenschaftler Weber ins Spiel, der seit Wochen die Grünen mit seiner Jagd nach Falschangaben und Plagiaten vor sich hertreibt? Laut Heidingsfelder könnte das damit zusammenhängen, dass er selbst das Angebot des Anrufers ablehnte. Sowohl Weber als auch Heidingsfelder gelten in der Szene der Plagiatsjäger als diejenigen, an die sich Menschen mit kommerziellen Aufträgen wenden. Beide haben die ursprünglich ehrenamtliche Prüfung von Politiker-Dissertationen zum Geschäftsmodell gemacht.

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Er solle nach seiner Absage "bitte Verständnis haben, wenn man mit Weber spricht", habe der Anrufer ihm mitgeteilt, sagt Heidingsfelder. Zwar schickte der Anrufer ihm am 11. Mai demnach noch eine Liste mit vermeintlich strittigen Punkten zu Baerbocks Studienabschluss. Doch auch Weber, der Medienwissenschaftler aus Österreich, habe sich mit einer Analyse zum Lebenslauf bei ihm gemeldet.

Ist Weber also das seriös-professionelle Aushängeschild einer politisch motivierten Kampagne? t-online hat keinen Beleg dafür, dass sich der mutmaßliche Auftraggeber tatsächlich an Weber wandte und er den möglichen Auftrag annahm. Heidingsfelders Schilderungen und der zeitliche Zusammenhang lassen diesen Verdacht allerdings zu, auch wenn der Plagiatsjäger Weber beteuert, auf eigene Rechnung zu arbeiten.

Weber im Januar: "Keine unbezahlten Aufträge mehr!"

Denn zum einen hat Weber nach seiner Arbeit zur österreichischen Arbeitsministerin Christine Aschbacher unbezahlten Aufträgen oder Arbeit auf Eigeninitiative eine Absage erteilt. Die Politikerin der ÖVP sah sich durch seine Recherchen Anfang des Jahres zum Rücktritt gezwungen. Dabei hatte Weber nach eigenen Angaben im Interview mit der Nachrichtenseite "News.at" lange gezögert. "Keine unbezahlten Aufträge mehr!" Es sei eine "absolute Ausnahme" gewesen, "dass ich nicht im Auftrag prüfe".

Und zum anderen räumte er in einem Podcast des österreichischen Nachrichtenmagazins "Profil" ein, dass ihm prominente Namen wie Aschbacher sozusagen als Auftragsakquise für seine Dienstleistung dienen. "Wenn so ein großer Fall kommt, dann haben wir Aufträge für ein Jahr, wenn es dann medial ruhiger ist, dann ebben auch die Aufträge wieder ab." Wenige Monate später folgte dann der Fall Baerbock. Auch bei Heidingsfelder gehen laut seinen Angaben seitdem schneller Anfragen ein, als er beantworten kann.

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Seinen Auftraggebern sichert der Plagiatsjäger Weber dabei maximalen Schutz zu. "Selbstverständlich wird bereits Ihre unverbindliche Anfrage von mir streng vertraulich behandelt", schreibt er auf seiner Webseite. Selbst ihm gegenüber bestehe die Möglichkeit, durch Mittelsmänner oder Anwälte dauerhaft anonym zu bleiben. Dass es sich im Fall Baerbock anders verhält, hat er nun mehrfach öffentlich versichert. Zumindest, dass es sich nicht um einen "Bezahlauftrag" handele.

Update, 1. Juli, 18.20 Uhr: Stefan Weber hat sich nach Veröffentlichung des Textes bei t-online gemeldet und erklärt, die Anfrage von t-online am Mittwoch habe er übersehen, er sei lediglich von einem Leser seines Blogs auf das Thema hingewiesen worden. Er leitete eine E-Mail eines Wiesbadener Mediziners vom 10. Mai weiter und veröffentlichte sie auch auf Twitter. Er kommentierte ironisch, das sei der "Hintermann".

Von Heidingsfelder fordert er nun, der solle das Datum des Anrufs und den Namen des Anrufers offenlegen. Weber geht noch weiter: Er bezweifle, dass sich überhaupt jemand an Heidingsfelder für ein "Lebenslauf-Screening" wende – schließlich biete der diese Dienstleistung gar nicht an. Weber selbst twitterte am 14. Juni, er biete ab sofort auch Lebenslauf-Screenings.

Verwendete Quellen
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