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Angela Merkel: Der unterschätzte Erfolg der Kanzlerin


Tagesanbruch
Wer hat diese Frau gesehen?

  • Johannes Bebermeier
MeinungVon Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 14.05.2021Lesedauer: 5 Min.
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Angela Merkel auf einer Pressekonferenz: Die Bundesnotbremse hat auch die Dauerpräsenz der Kanzlerin ausgebremst.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel auf einer Pressekonferenz: Die Bundesnotbremse hat auch die Dauerpräsenz der Kanzlerin ausgebremst. (Quelle: IPON/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

heute kommentiere ich für Sie die Themen des Tages.

Die Abwesende

Entschuldigung, haben Sie zufällig die Kanzlerin irgendwo gesehen?

Seit Wochen ist es sonderbar ruhig um Angela Merkel geworden. Zumindest fühlt es sich so an. Die politische Debatte jedenfalls bestimmen gerade andere. Oft genug ihre wahlkämpfenden Möchtegern-Nachfolger Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz.

Wie das mit Gefühlen oft so ist, trügt auch dieses ein wenig. Merkel liegt auf der Zielgraden ihrer langen Kanzlerinnen-Amtszeit natürlich nicht auf der faulen Haut.

In den vergangenen Tagen sprach sie mit Verbänden und Gewerkschaften über die Folgen der Pandemie, auf einem EU-Gipfel über die Freigabe von Impfstoffpatenten und auf einem EU-Indien-Gipfel ebenfalls über Corona. Sie war bei den Jugendpolitiktagen und dem Petersberger Klimadialog, sie sprach Grußworte zur 12. Nationalen Maritimen Konferenz und dem Jubiläum 100 Jahre Deutsches Rotes Kreuz.

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Was man eben so macht als Kanzlerin. Oft genug ist es: Regierungsschwarzbrot.

Doch das Abwesenheitsgefühl hat eben auch einen wahren Kern. Seit Mitte April fehlt der Kanzlerin ihr großer Auftritt, der in der Pandemie zur Gewohnheit geworden war: die Pressekonferenz nach den regelmäßigen Bund-Länder-Runden. Schlicht, weil es die Runde in dieser Form nicht mehr gibt.

Das ist ein großes Glück. Und ein bislang unterschätzter Erfolg der Kanzlerin.

Die Ministerpräsidentenkonferenzen waren schon lange zu einem Problem in der Pandemie geworden, obwohl sie eigentlich Lösungen finden sollten. Bundesregierung und Ministerpräsidenten konnten sich immer dann, wenn es ernst wurde, kaum auf das Notwendigste einigen. Mit der Zeit und der allgemeinen Ermüdung wurde es immer schlimmer. Am Ende stand das "Osterruhen"-Debakel: Weil einfach gar nichts mehr ging, entschlossen sich Bund und Länder mitten in der Nacht zu einem Plan, der noch weniger funktionierte.

Das lag auch daran, dass einige Ministerpräsidenten die große, nationale Bühne immer mehr für ihre eigenen Machtdemonstrationen zweckentfremdeten. Sie schufen Fakten, bevor es überhaupt losging. Oder schlossen kategorisch Dinge aus, über die man doch eigentlich diskutieren wollte. Nur um nach den stundenlangen Verhandlungen und einem Minimalkompromiss dann doch einfach zu machen, was sie wollten.

Es war meist ein riesiges Tohuwabohu mit tagelanger medialer Dauererregung, das letztlich oft genug wenig Handfestes einbrachte, außer immer mehr Menschen nur noch verwirrter und entmutigter zurückzulassen.

Mitte April machte die Bundesregierung dem ein Ende. Sie erfand die "Bundesnotbremse", und goss damit eigentlich nur leicht verschärft in ein Bundesgesetz, was in den Ländern ohnehin schon Praxis sein sollte (und oft genug eben nicht war).

Man kann trefflich darüber streiten, ob jede Einschränkung des Bundesgesetzes nötig gewesen wäre, die Ausgangssperre zum Beispiel. Man kann ebenso darüber diskutieren, ob die hohen Inzidenzgrenzen für die Einschränkungen sinnvoll sind, weil wir so noch viele Infizierte (und möglicherweise langfristig Erkrankte) in Kauf nehmen. Die Wahrheit aber ist wohl: Ein besserer Kompromiss war einfach nicht drin.

Doch auch dieser Kompromiss ist besser als sein Ruf.

Denn er hat eben Schluss gemacht mit dem toxischen Schaulaufen der Ministerpräsidenten. Mit dem ewigen Hoch und Runter der Inzidenzgrenzen. Und mit dem nervenzehrenden Bangen und Hoffen rund um die Bund-Länder-Runden.

Die Pandemielage entspannt sich derweil, ganz ohne regelmäßige Pressekonferenz der Kanzlerin. Das liegt natürlich nicht nur an der Notbremse, zumal die Entspannung schon etwas vorher begann. Mit den Impfungen geht es inzwischen erfreulich schnell voran, das hilft. Ebenso wie die Schnelltests helfen. Und auch das mildere Wetter, bei dem vieles draußen stattfinden kann, wenn es nicht gerade regnet.

Hinterher ist man immer schlauer. Doch wie viel unproduktiver Streit über die immer gleichen Fragen hätte uns erspart bleiben können, wenn schon vor Monaten eine Notbremse die Arbeit der zankenden Ministerpräsidenten übernommen hätte?

Vielleicht wäre dann mehr Zeit und Kraft geblieben für Probleme, die in der Pandemie bis heute ungelöst sind. Etwa die sträfliche Vernachlässigung der Kinder und Jugendlichen. Angela Merkels Kanzleramtsminister Helge Braun hat das am Mittwoch in einen vermutlich unfreiwillig symbolischen (und tragikomischen) Tweet gefasst.

Ab sofort! Nach fast eineinhalb Jahren Pandemie! Das wäre doch vielleicht auch schon früher mal was für die Kanzlerin gewesen. Doch die musste sich ja mit den Ministerpräsidenten rumzanken...


Was kompliziert ist und was nicht

Der Nahostkonflikt eskaliert weiter. Israel hat seine Angriffe in der vergangenen Nacht noch verschärft. "Luft- und Bodentruppen greifen gegenwärtig im Gazastreifen an", teilte die israelische Armee bei Twitter mit. Hier halten wir Sie über die aktuellen Ereignisse auf dem Laufenden.

Die Geschichte dieses furchtbaren Konfliktes ist unendlich kompliziert. Wie sich die Eskalation in Israel derzeit jedoch anfühlt, berichtet die Kollegin Mareike Enghusen für Sie aus Tel Aviv. "So etwas habe ich noch nie erlebt", hat ihr eine Frau erzählt, die seit 23 Jahren dort lebt. In einem weiteren Text erklärt Enghusen, wie die wieder entflammten Kämpfe nun zu Auseinandersetzungen zwischen arabischer und jüdischer Bevölkerung in Israel selbst führen.

Woher die Terroristen der Hamas und des palästinensisch-islamischen Dschihad die vielen Raketen bekommen, die sie auf Israel feuern, können Sie hier nachlesen.

Der Versuch, die Komplexität des Konflikts auf wenigen Tagesanbruch-Zeilen angemessen zu analysieren, muss scheitern. Deshalb will ich gar nicht erst so tun, als könnte ich es vom heimischen Schreibtisch aus leisten.

Ein paar Anmerkungen will ich trotzdem machen, natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Weil einige Dinge dann doch gar nicht so kompliziert sind. Oder zumindest nicht so kompliziert sein sollten.

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  • Raketen auf Israel und seine Bürger zu feuern, ist nicht zu rechtfertigen.
  • Israel hat das Recht, sich gegen Angriffe zu verteidigen.
  • Deutschland hat eine besondere historische Verantwortung für die Sicherheit Israels.
  • Antisemitismus darf keinesfalls unwidersprochen und ohne Konsequenzen bleiben, insbesondere in den Straßen Deutschlands.
  • Die Weltgemeinschaft muss sich weiterhin für eine Lösung des Nahostkonflikts am Verhandlungstisch einsetzen und auch der palästinensischen Zivilbevölkerung Hilfe zukommen lassen.
  • Und, liebe deutsche Politiker: Der Nahostkonflikt ist viel zu ernst, um durch hanebüchene Unterstellungen und Verzerrungen billige Punkte im Wahlkampf zu sammeln.

Liberales Revolutiönchen

Die FDP ist Christian Lindner und dann erst mal lange nichts. Dieses liberale Gesetz der vergangenen Jahre verliert schon seit einiger Zeit immer mehr seine Gültigkeit. Der (digitale) Parteitag der FDP, der heute beginnt, dürfte diese Entwicklung noch beschleunigen. Denn Nachwuchspolitiker stellen die Dominanz des Chefs immer mehr infrage, wie mein Kollege Tim Kummert analysiert.

Einer von ihnen ist Johannes Vogel, der sich auf dem Parteitag zum Vizechef wählen lassen will. Wie er Deutschland verändern will, hat er meinen Kollegen Sven Böll und Tim Kummert erzählt.


Was sonst noch lesen?

Corona und kein Ende? Einige Menschen werden noch monatelang nach ihrer Infektion positiv getestet. US-Forscher versuchten, das Rätsel zu entschlüsseln und präsentieren eine mögliche Lösung: Winzige Bruchstücke des Coronavirus könnten in die menschliche DNA eingebaut werden. Ob das gefährlich ist, erklärt meine Kollegin Christiane Braunsdorf.


Lange Zeit herrschte Partystimmung an den weltweiten Börsen. Damit ist es nun vorerst vorbei, wie es scheint. Warum die steigende Inflation dabei eine so große Rolle spielt und was das für Sie als Anleger heißt, erläutert mein Kollege Florian Schmidt.


Was amüsiert mich?

Die Enttäuschung sitzt überall tief.

Am Montag schreibt an dieser Stelle mein Kollege Peter Schink für Sie.

Ihr

Johannes Bebermeier
Politischer Reporter
Twitter: @jbebermeier

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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