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Lichtblicke zwischen düsteren Corona-Nachrichten


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Tagesanbruch
Viel Glück!

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 16.03.2021Lesedauer: 7 Min.
Mitarbeiter eines Impfstoffherstellers in Dessau.Vergrößern des Bildes
Mitarbeiter eines Impfstoffherstellers in Dessau. (Quelle: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/Pool/dpa)
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WAS WAR?

Mein lieber Scholli, das war mal wieder ein Tag gestern. Feuchte Kälte und alle paar Minuten ein fieser Schauer, der das Bibbern zum Schlottern machte. Viel zu schnell steigende Corona-Zahlen und zugleich viel zu viele Leute, denen das nichts auszumachen scheint. Miese Umsätze der Einzelhändler, trotz Lockdown-Lockerung haben sie nur wenig Kundschaft. Der Schnelltest von Aldi funktioniert nicht zuverlässig. Die Bundesregierung setzt die Impfungen mit Astrazeneca aus – eine "reine Vorsichtsmaßnahme", sagt der Spahn, aber wer will sich den Stoff denn jetzt noch in den Arm jagen lassen? "Das Aus für Astrazeneca ist der Super-GAU für Deutschland", kommentiert mein Kollege Florian Schmidt. Nun wackelt der Plan, die gesamte Bevölkerung bis Ende des Sommers zu versorgen, denn dafür bräuchte es alle Impfstoffe. Eine Hiobsbotschaft nach der anderen prasselte gestern auf uns ein. Das darf doch nicht wahr sein, dachte ich, und dann bekam ich beim Montieren der neuen Nachttischlampe auch noch die VERDAMMTE, BESCHEUERT-BEHACKTE SCHRAUBE nicht ins Gewinde, totaler Schrott das Modell!

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Was für ein Tag, dieser Montag. Spontan musste ich an meinen Englischlehrer in der Schulzeit denken. Ein Riese mit Quadratlatschen, theatralischer Mimik und treffsicherem Mundwerk. Fand er etwas doof, zum Beispiel zu spät kommende, schlecht vorbereitete oder Faxen machende Schüler, zog er die Mundwinkel fast bis zu seinen langen Füßen hinunter und stellte fest: "Also, ich find’s ganz wüscht!" Daran erinnerte ich mich gestern, als mir der Eisregen in den Hemdkragen sickerte, die Schraube hohldrehte und die Astra-Eilmeldung auf dem Handy bimmelte. Ich fand’s echt ganz wüscht. Aber es hilft ja nix, von mieser Laune verbessert sich die Lage nicht. Im Gegenteil, wer gefrustet durch die Gegend schlurft, kriegt Sorgenfalten und steckt auch noch andere Leute an. So setzt sich die Miesepetrigkeit fort, bis irgendwann eine ganze Familie, ein ganzer Ort oder sogar das ganze Land in Sack und Asche geht. Na gut, das ist jetzt zugespitzt, wobei, nee, gut ist das alles nicht.

Mit diesen Gedanken im Kopf klickte ich im Internet herum und fand einen interessanten Artikel. Nicht lang, aber mir reichte er. Darin geben Glücksforscher Ratschläge, wie man in Krisenzeiten die schlechte Laune überwinden kann. "Aus neurobiologischer Sicht fühlen wir uns dann glücklich, wenn ein belebender Cocktail aus körpereigenen Chemikalien durchs Gehirn strömt", las ich. Diese Glückshormone lassen sich aktivieren – zum Beispiel, indem man sich auf etwas Positives fokussiert. Das kann die Hoffnung sein, dass der Corona-Schlamassel irgendwann vorbei ist und wir in einen famosen Herbsturlaub fahren können. Aber auch "bewusstes Essen" könne die Stimmung aufhellen, las ich. Also ließ ich die Nachttischlampe Nachttischlampe sein und stapfte durch den abendlichen Regenschauer zum Krämer.

An der Käsetheke bediente ein junger Mann, Syrer, glaube ich. Er war die Höflichkeit in Person. Ob ich den Gruyère mal kosten wolle? Ob’s ein bisschen mehr sein dürfe, natürlich auf Kosten des Hauses? Und zur Krönung vielleicht ein Probierstück Délice d’Argental, das ist ganz was Feines? Ich langte zu. Auf dem Nachhauseweg freute ich mich auf das Abendbrot und ließ mir den Rahmkäse gedanklich schon auf der Zunge zergehen. Der Schauer war mir plötzlich egal, die Erinnerung an die verbogene Nachttischlampe auch, sogar Corona kratzte mich in diesem Augenblick nicht. Vor dem Essen schaute ich noch mal rasch in den Artikel über die Glücksforscher. "Wir haben mehr glückliche Momente als unglückliche Momente. Wir müssen nur wissen, wie man sie festhält", sagt einer von ihnen. Ich jedenfalls bin fest entschlossen, meinen glücklichen Käsemoment noch mindestens zwei Tage lang festzuhalten. Komme, was da wolle.


WAS STEHT AN?

Der Absturz der CDU ist atemberaubend. Nach mehr als 15 Jahren Merkel-Regierung ist die Partei programmatisch ausgezehrt, organisatorisch ausgelaugt und personell ausgedünnt. Ohne Armin Laschet zu nahe treten zu wollen: Dass ein inhaltlich und kommunikativ eher blasser Landespolitiker wie er die verbliebene Hoffnung auf eine erneute Kanzlerschaft verkörpert, ist kein gutes Zeichen für die CDU, die sich als letzte Volkspartei versteht. Wie wackelig dieser Status inzwischen ist, haben die Wahlniederlagen im Südwesten gezeigt. Vorbei sind die Zeiten, als es einem Spitzenkandidaten genügte, die drei Buchstaben der Christdemokraten zu plakatieren, um einen sicheren Platz in der Regierung zu ergattern. Eine Partei des Aufbruchs und der innovativen Ideen ist die CDU schon länger nicht mehr, aber jetzt verliert sie auch noch den Nimbus guter Regierungsführung, der ihr jahrelang das Kanzleramt und wichtige Bundesministerien gesichert hat. Das schlechte Management beim Impfen, beim Testen und bei der Auszahlung der Corona-Hilfen haben zuvörderst CDU-Regierende zu verantworten. Sie müssten die Prozesse vereinfachen und beschleunigen, den Behörden Dampf machen, unkonventionelle Wege gehen. Stattdessen klammern sie sich an bürokratische Regeln und brechen immer wieder ihre eigenen Versprechen.

Zwar steht das Missmanagement im Vordergrund, doch das eigentliche Problem der Union ist noch größer: Sie hat zu wenig Antworten auf die Zukunftsfragen, die darüber entscheiden werden, ob Deutschland Wohlstand, Sicherheit und gesellschaftlichen Frieden bewahren kann. Woher kommen Impulse für eine nachhaltige Wirtschaft? Wie schaffen wir eine klimafreundliche Energieversorgung? Wie digitalisieren wir endlich die Verwaltung und die öffentliche Infrastruktur? Wie organisieren und finanzieren wir ein belastbares Gesundheitssystem, eine naturverträgliche Landwirtschaft, eine langfristig stabile Rente? Überzeugende Antworten lässt die Union vermissen, obwohl sie schon so lange regiert – und immer mehr Bürger merken das. Dieses Vakuum, nicht zwei verlorene Landtagswahlen, sind das eigentliche Problem der Dauerregierungsparteien CDU/CSU.

Was die Union braucht, sind neue Impulse, einen politischen Horizont, der weiter reicht als bis zum Ende einer Legislaturperiode – und ein Aufbrechen der verkrusteten Strukturen, damit die Parteien wieder attraktiv für Leute mit mutigen Ideen werden, statt zum Durchlauferhitzer für selbstbezogene Karrieristen à la Nüßlein und Löbel. Vor allem die CDU muss in den kommenden Monaten begründen, warum sie im Herbst wieder den Kanzler stellen will. Ein Weiter-so wird nicht reichen. Sie braucht Führungspersonal, das sich beherzt, glaubwürdig und tatkräftig dafür einsetzt, Deutschland stärker aus dieser historischen Krise herauszuführen, als es hineingeschlittert ist. Ob Armin Laschet dafür der richtige Mann ist, bleibt ungewiss.

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Führt die Pandemie wenigstens dazu, dass Deutschland seine Klimaschutzziele erreicht? Zumindest legt das eine Studie von "Agora Energiewende" nahe, der zufolge im vergangenen Jahr 42,3 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen wurden als 1990. Wenn Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) heute zusammen mit Umweltbundesamt-Präsident Dirk Messner die deutsche Klimabilanz 2020 vorstellt, kann sie also wohl eine Übererfüllung des Ziels vermelden (40 Prozent weniger CO2 waren angepeilt). Ein nachhaltiger Erfolg ist das trotzdem nicht, denn der Rückgang liegt den Berechnungen zufolge zu zwei Dritteln an der Pandemie. Man muss kein Experte sein, um zu prognostizieren, dass die Emissionen wieder steigen, sobald die Wirtschaft wieder anzieht. Immerhin: Erstmals wurde 2020 mehr Strom aus Windkraft als aus Kohle produziert. In diese Richtung muss es gehen, um auch die nächsten Zielmarken zu erreichen: Bis 2030 will nicht nur Deutschland, sondern die ganze EU 55 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 in die Atmosphäre blasen. Berauscht vom Käseglück sage ich jetzt einfach mal: Mit Mut und neuen Ideen schaffen wir das.


Sechs Gigafabriken für die Produktion von Batteriezellen will Volkswagen bis Ende des Jahrzehnts in Europa bauen, das hat der Konzern gestern kundgetan. So will der Autobauer den steigenden Bedarf durch die Elektromobilität decken – und die Pläne des US-Konkurrenten Tesla kontern, dessen Chef Elon Musk die weltgrößte Batteriefabrik in den brandenburgischen Boden klotzt. Wenn das Management um VW-Chef Herbert Diess heute die Bilanz für 2020 vorstellt, wird wohl zweierlei deutlich: zum einen, dass Geld für Investitionen durchaus da ist; der nach Toyota zweitgrößte Autokonzern hat das schwierige Corona-Jahr mit einem 8,8-Milliarden-Euro-Gewinn abgeschlossen. Zum anderen aber auch, dass es jetzt wirklich dalli-dalli gehen muss. Denn der Gewinn schmilzt, 2019 hatten die Wolfsburger noch 14 Milliarden Euro verdient. Und an der Börse, wo auf die Zukunft gewettet wird, ist Tesla mehr wert als VW, Daimler und BMW zusammen.



WAS LESEN?

Herbert Reul will nicht "Sheriff" genannt werden. Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen redet ohnehin nicht gern über sich selbst – sondern lieber über die arabischen und türkischen Clans, denen er den Kampf angesagt hat. Auf Razzien gibt er seinen Polizisten gelegentlich persönlich Rückendeckung. Doch ist seine harte Strategie wirklich erfolgreich? Meinem Kollegen Jonas Mueller-Töwe hat Reul Rede und Antwort gestanden.


Unser Reporter Johannes Bebermeier erlebte gestern eine gut gelaunte Katrin Göring-Eckardt. Kein Wunder: Die Grünen haben in Baden-Württemberg ein Rekordergebnis erreicht und sich in Rheinland-Pfalz fast verdoppelt. "An den Grünen kommt niemand mehr vorbei", behauptet die Fraktionschefin im Bundestag. Wie ihre Partei entscheidet, mit wem sie künftig regieren will, erklärt sie hier.


Die Wahlergebnisse vom Sonntag erlauben eine Prognose für den Herbst: Wo die Grünen, die AfD, Armin Laschet und Olaf Scholz bei der Bundestagswahl landen könnten, erläutert Ihnen unser Kolumnist Gerhard Spörl.


Für Kinder ist Corona keine große Gefahr, dachte Jana Sularz – bis ihre vierjährige Tochter plötzlich in Lebensgefahr schwebte. Mein Kollege Lars Wienand erzählt Ihnen die Geschichte der kleinen Louiza.


Warum sinkt die Wahlbeteiligung, weshalb schwindet die Bindungskraft der Parteien, wie verändert sich unser politisches System? Unsere Moderatorin Ursula Weidenfeld spricht darüber im Podcast "Tonspur Wissen" mit dem Soziologie-Professor Steffen Mau.


WAS AMÜSIERT MICH?

Vielleicht hat der Armin ja doch noch ein Ass im Ärmel.

Ich wünsche Ihnen einen gelungenen Tag. Morgen schreibt mein Kollege Peter Schink den Tagesanbruch, von mir lesen Sie am Donnerstag wieder. Mit Käse im Herzen natürlich.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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