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PIMS-Syndrom nach Corona-Infektion: Wie Louiza (4) mit dem Tod rang


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PIMS-Syndrom
Wie Louiza (4) nach Covid-19 um ihr Leben kämpfte


14.03.2021Lesedauer: 5 Min.
Louiza erholt sich: Nach der lebensbedrohlichen Erkrankung mit dem PIMS-Snydrom infolge einer Coronainfektion spendiert der Verein "Herzenswünsche Oberlausitz e.V.“ der Vierjährigen eine Pferdetherapie.Vergrößern des Bildes
Louiza erholt sich: Nach der lebensbedrohlichen Erkrankung mit dem PIMS-Syndrom infolge einer Corona-Infektion spendiert der Verein "Herzenswünsche Oberlausitz e.V.“ der Vierjährigen eine Pferdetherapie. (Quelle: Jana Schmidt)
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Schulen und Kitas sind wieder auf, und Kinder stecken sich vermehrt mit dem Coronavirus an – nur selten mit schweren Symptomen. Doch es gibt auch Kinder wie Louiza (4), die dem Tod nahe war.

Nur ein Tag Fieber im Januar, dann schien der Infekt überstanden für die kleine Louiza aus der Lausitz. Was für ein Irrglaube.

Als die Vierjährige fünf Wochen später völlig benommen im Klinikbett liegt, 40 Liter Sauerstoff pro Minute in ihre Nase strömen und ihr Herzschlag und Blutgas laufend überwacht werden müssen, wird klar: Es war nicht überstanden. Louiza ist ein Beispiel dafür, dass Corona auch für Kinder lebensbedrohliche Folgen haben kann. Ihre Mutter spricht darüber, damit Krankheit und Risiko mehr Menschen bewusst werden.

Ärzte vermuteten zunächst andere Gründe

PIMS-Syndrom, eine starke Überreaktion des Immunsystems von Kindern nach einer Corona-Infektion: Das war die mögliche Diagnose aus dem Arztbrief der Kollegen, aber sie war erst einmal zweitrangig im Carl-Thiem-Klinikum Cottbus, als Louiza am 5. Februar, einem Freitag, eingeliefert wurde. "Es gab vieles, was wahrscheinlicher war und noch nicht ausgeschlossen werden konnte", sagt Dr. Ulrike Blümlein, Oberärztin und Fachärztin für Intensivmedizin bei Kindern. Es stand auch zunächst etwas anderes im Vordergrund: Louizas Leben retten.

PIMS-Syndrom
PIMS ist die Abkürzung für Paediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, die Erkrankung wird auch als multisystemisches inflammatorisches Syndrom bei Kindern (MIS-C) bezeichnet. Auch bei Erwachsenen gibt es das Phänomen, dass auf eine Infektion mit dem Coronavirus eine Überreaktion des Immunsystems folgt, die oftmals schwerere Folgen als die Covid-19-Erkrankung selbst hat.

Blümlein erinnert sich gut an die neue Patientin: "Sehr blass, sie hat auch kaum reagiert, als wir ihr Blut abgenommen haben. Das ist sehr ungewöhnlich." Das Mädchen, das vor den Ärzten liegt, atmet sehr flach, hat einen sehr niedrigen Blutdruck und das Herz rast. Das Blutbild wird zeigen, dass auch der Anteil der Blutplättchen sehr niedrig ist.

Es deutet alles auf eine Sepsis hin, eine schwere bakterielle Infektion. Intensivüberwachung ist die Folge. Louizas Mutter Jana Sularz erlebt das so: "Sie haben sie an alles angeschlossen, was da war." In der Nacht telefonieren die Ärzte noch wegen Louiza. "Sie war in einem lebensbedrohlichen Zustand", sagt Ärztin Blümlein.

Mutter weinte viel

Jana Sularz bricht in diesen Stunden immer wieder in Tränen aus. Nicht, wenn sie bei Louiza sitzt, die im Dämmerzustand ihre Mutter manchmal schwach anlächelt. "Man geht ja mal aus dem Zimmer."

Der Papa könnte seine Tochter zu der Zeit zwar mit einer Sondergenehmigung sehen, aber die Familie sieht davon zunächst ab. "Es war vielleicht besser für ihn", sagt die Mutter. "Als es Louiza so schlecht ging, wollte ich nicht, dass er sie so erlebt."

Drei Tage im Krankenhaus Weißwasser lagen hinter Louiza, als sie in das größere Klinikum nach Cottbus verlegt wird. Dienstags war sie in Weißwasser aufgenommen worden, nach erstem Fieber am Sonntag, 39,1 Grad am Montag und 41,3 am Dienstag. Die Mutter gab dort einen Hinweis von Louizas Opa weiter: "Er hatte aus Großbritannien die Berichte gehört, dass dort viele Kinder nach überstandener Corona-Infektion schwer erkranken." Bis zu hundert Fälle des PIMS-Syndroms pro Woche wurden von dort gemeldet. Kinder mit dunkler Haut erkranken offenbar häufiger.

Mittel für Kreislauf brachten nichts

Die Ärzte in Cottbus versuchen, Louizas Zustand mit kreislaufunterstützenden Medikamenten zu verbessern. Die Besserung bleibt aus, das Herz schlägt weiter viel zu schnell, das Kind hat extreme Kreislaufprobleme. Das Blut im kleinen Körper ist quasi versackt, weil alle Blutgefäße stark geweitet sind. "Eine extreme Entzündungsreaktion kann das auslösen", erläutert Ärztin Blümlein. Zudem wird die Atmung weiter erschwert, weil sich Flüssigkeit im Körper einlagert und auf die Lunge drückt. Die Niere arbeitet kaum, das Ärzteteam denkt bereits an einen Blasenkatheter, kann darauf dann aber doch verzichten.

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"Wir spielten die Hauptrolle in einem Horrorfilm“, sagt Jana Sularz. "Wenn die Angst immer größer wird, dass die eigene Tochter es vielleicht nicht schaffen könnte: Das ist das Schlimmste, was Eltern passieren kann." Sie wird deutlich: "Und dann gibt es genug Idioten, die nicht wahrhaben wollen, dass Corona jeden hart treffen kann." Als der Fall in der Region bekannt wurde, musste sie hässliche Kommentare lesen – "richtig bösartig, und dabei geht es um ein Kind, das fast gestorben wäre". Ihre Familie habe auch keinen Spaß beim Homeschooling, keine Lust auf Masken und sich einsperren zu lassen. "Aber man sieht ja, dass das nicht grundlos geschieht."

"Louiza heißt Kriegerin"

Louiza habe gekämpft, "der Name heißt ja auch Kriegerin". Doch allein hat das Mädchen es nicht geschafft. Um den Blutdruck zu stabilisieren, geben die Mediziner in Cottbus Cortison. Ärztin Blümlein: "Es ist selten, dass wir so weit gehen müssen, aber es hat geholfen." Der Kreislauf stabilisiert sich am Sonntag und das Fieber sinkt. Die Ärzte glauben auch zunächst, dass die Antibiotika-Therapie wirkt.

Doch dann kommen weitere Ergebnisse: Keine Bakterien, aber im Blut des Mädchens sind Antikörper gegen das Coronavirus zu finden, sie hatte also eine unentdeckte Infektion mit dem Virus. Ebenso ihre beiden Schwestern (6 und 8), auch bei ihnen werden später Antikörper gefunden. Warum Louiza dann vom PIMS-Syndrom erwischt wurde und ihre Schwestern nicht – ein Rätsel. Risikofaktoren hat sie nicht.

Long Covid bei Kindern
Neben dem PIMS-Syndrom nach einer Covid-19-Infektion gibt es auch Kinder, die wochen- oder monatelang nach einer Erkrankung noch vielfältige Symptome beklagen. Geläufig ist dafür der Begriff Long Covid. Mediziner sprechen eher von Post Covid, weil Langzeiterfahrungen nicht vorliegen. Die DGPI plant auch dafür ein Melderegister. Eine US-Studie bei einer allerdings mit 50 Kindern sehr kleinen Gruppe kam zudem zu dem Schluss, dass bei vielen der Kindern nach einer Infektion Anzeichen für Mikrothrombosen bestehen, Langzeitfolgen sind unklar.

Mit dem Ergebnis des Antikörpertests wird für die Ärzte in Cottbus die Diagnose PIMS-Syndrom plausibel. Der erste Fall dort: "Man muss dann viel lesen", sagt Blümlein. "Das ist interessant – aber zuallererst ist man froh, dass man die akute Phase mit dem lebensbedrohlichen Zustand richtig hinbekommen hat." Es sei ein "erschreckendes Krankheitsbild, das kennen wir so nur von Fällen von schwerer Sepsis". Die Ärzte folgen den Therapieempfehlungen, Louiza bekommt beutelweise Immunglobuline, aus Blutplasmaspenden gewonnene Antikörper.

In Essener Klinik 15 Fälle

Aus allen Kliniken Brandenburgs gibt es bis heute zwei registrierte Fälle des PIMS-Syndroms, in Essen dagegen alleine 15. Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie lässt alle Kliniken Fälle melden, es sind seit Beginn der Pandemie 238 Fälle bei knapp 200.000 Infektionen von Kindern bis 14, in der vergangenen Woche sind 15 hinzu gekommen*. Mit Öffnung der Kitas und Schulen und stark ansteigender Inzidenz unter Kindern und Jugendlichen wird auch dort eine neue Welle erwartet.

Der Auswertung zufolge mussten 59 Prozent der Kinder und Jugendlichen auf der Intensivstation behandelt werden. Anders als in den USA, wo einer Studie zufolge von 1.080 PIMS-Patienten 18 starben, musste in Deutschland kein Todesfall verzeichnet werden. 15 Kinder und Jugendliche haben jedoch Herzschäden davongetragen. Als Louiza am 15. Februar entlassen werden kann, gibt es dafür bei ihr keine Anzeichen, sagt Ärztin Blümlein.

Eine Narbe wird bleiben

"Louiza weiß, dass sie ganz dolle krank war", berichtet ihre Mutter. "Sie sagt aber auch, dass sie wieder alles machen kann, wenn der Fuß wieder heile ist." Am Fuß, da hat sie eine Wunde. Als Louizas Zustand noch kritisch war und sie diverse Präparate erhielt, war eine Nadel eines Venenkatheters am Fuß aus einer Vene gerutscht. Das Medikament sammelte sich in einer Blase und tötete Hautgewebe. Die Wunde ist an einer für die Streckung wichtigen Stelle des Füßchens, das noch viel wachsen soll. Zweimal in der Woche muss sie nun noch ins 45 Minuten entfernte Cottbus. Die Wunde kann verheilen, ansonsten wird eine Hauttransplantation nötig.

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Eine Narbe wird Louiza zeitlebens daran erinnern, dass Corona nicht überstanden war nach einem Tag Fieber.

*Der Text wurde an dieser Stelle mit den neuesten Zahlen des Registers von PIMS-Fällen aktualisiert, die am Sonntag veröffentlicht wurden.

*Wir hatten an dieser Stelle von rund 300.000 Fällen bei Kinder und Jugendlichen geschrieben. In der Gruppe der 0- bis 14-Jährigen sind es 196.000 Fälle, die 15- bis 18-Jährigen werden nicht gesondert erfasst.

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