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"Islamischer Staat": Die schwarze Macht kommt zurück


Meinung
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Die schwarze Macht kommt zurück

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 16.02.2021Lesedauer: 7 Min.
US-Kampfjet beim Auftanken über dem Irak: In der Operation Inherent Resolve bekämpfen die USA die IS-Terrormiliz.Vergrößern des Bildes
US-Kampfjet beim Auftanken über dem Irak: In der Operation Inherent Resolve bekämpfen die USA die IS-Terrormiliz. (Quelle: imago images)
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WAS WAR?

In manchen Teilen der Welt ist es keine große Nachricht, dass auf der Straße eine Bombe explodiert. Oder dass plötzlich Bewaffnete auftauchen und ein Blutbad anrichten. Kaum jemand hat deshalb Notiz davon genommen, als Ende Dezember ein Konvoi mehrerer Reisebusse an einer Straßensperre in der ostsyrischen Wüste gestoppt wurde. Versteckte Bomben detonierten, dann begann der Angriff auf die Insassen. Professionell durchgeführt sei die Attacke gewesen, hieß es später. Mindestens 37 Menschen starben – allesamt Zivilisten, behauptete die staatliche syrische Nachrichtenagentur, doch viel wahrscheinlicher ist, dass der Konvoi Soldaten des Assad-Regimes zu ihren Außenposten bringen sollte. Es war einer der blutigsten Tage seit der Zerschlagung des "Islamischen Staates" (IS), der noch vor wenigen Jahren den Großteil Ostsyriens und des nördlichen Irak beherrschte. Wir hätten hellhörig werden sollen bei dieser Nachricht.

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Eigentlich hört man von der Terrorbande mit der schwarzen Fahne nicht mehr viel – bevor es dunkel wird. Am Tag patrouillieren im Nordosten Syriens die Kämpfer der Syrian Democratic Forces (SDF). Diese von Kurden dominierte Truppe hatte mit Unterstützung von US-Spezialeinheiten den IS besiegt. Vor knapp zwei Jahren eroberten SDF-Verbände das letzte Stück des Terrorstaates zurück. Seitdem haben sich die verbliebenen Extremisten, von denen es je nach Einschätzung noch immer zwischen 10.000 und 16.000 gibt, in entlegene Schlupfwinkel zurückgezogen: versprengte Häuflein hier und dort, überall und nirgends. Doch in den Ortschaften entlang des Flusses Euphrat, im ehemaligen Kerngebiet der Terrorkalifats, kennt man inzwischen wieder ihre Anschrift. Denn nach Sonnenuntergang ist dort von den Soldaten der SDF nicht mehr viel zu sehen. Ihre Kräfte sind zu schwach, sie rücken ab und igeln sich ein – und die Kämpfer des IS kehren zurück. Bewohner der Region berichten von Drohungen, Morden, Schutzgelderpressung und nächtlicher Todesangst.

Etwas weiter im Norden, im Internierungslager al-Hol, ist der Terror auch bei Tage zugegen. Das Camp in der Nähe von al-Hassaka ist eigentlich eine Stadt: Mehr als 60.000 Menschen leben dort, vorwiegend Familien von IS-Kämpfern, darunter viele, viele Kinder: Mehr als die Hälfte der Lagerbewohner hat die Pubertät noch vor sich. Kurdische Milizionäre kontrollieren das Lager – aber nur in dem Sinne, dass sie bestimmen, wer hinein und wieder herauskommt. Drinnen sind die Internierten unter sich, und dort gibt der IS zunehmend den Ton an. Die Alarmzeichen mehren sich: Seit dem Jahreswechsel hat die Zahl der Morde und Hinrichtungen stark zugenommen. Zugleich machen sich die Terroristen die schlimmen Lebensverhältnisse zunutze, werben Rekruten an, versprechen Hoffnung und die Rettung aus der Sackgasse, zu der das Leben an einem so düsteren Ort geworden ist.

Die islamistischen Einflüsterer und Einschüchterer wissen, wo der größte Preis zu holen ist: Sie suchen den Weg in die Köpfe der Kinder. Solange Lager wie al-Hol bestehen und die internierten Frauen und Kinder nicht in ihre Heimatländer oder in ihre syrischen Dörfer zurückkehren können, wird hinter dem Lagerzaun der Boden für eine neue Generation von IS-Anhängern bereitet. Fast 10.000 von ihnen – allein in al-Hol – stammen nicht aus der Region, viele kommen aus Europa, auch aus Deutschland. Niemand will sie zurückhaben, denn es ist schwer, sie zu integrieren. So wächst das Risiko, dass sie irgendwann auf eigene Faust zurückkehren – aber dann werden die Indoktrinierten keine Kinder mehr sein. Dann könnten sie Waffen tragen oder Bomben basteln. So wie die drei syrischen Brüder, deren Anschlagspläne deutsche und dänische Ermittler in der vergangenen Woche vereitelt haben.

Der IS ist drauf und dran, wieder zu erstarken. Eines sollte uns klar sein: Wenn wir das Problem jetzt ignorieren, könnte es uns irgendwann brutal einholen.


Es ist ein Segen, sich aus vertrauenswürdigen Quellen informieren zu können. Was geschieht, wenn Medien ihren Informationsauftrag gegen Indoktrination eintauschen, sehen wir in den USA, wo jedes politische Lager seinen eigenen Sender hat und die Bürger in Infoblasen aneinander vorbeireden. Was geschieht, wenn der Staat Medien an die Kette legt, sehen wir in China und Russland, aber auch in Polen und Ungarn: Gut für den Herrscher, schlecht für die Freiheit der Bürger.

Auch hierzulande wittern manche Leute staatliche Zensur, weil sie ihre persönliche Meinung nicht in Zeitungen, Funk und Fernsehen wiederfinden. Wer genau hinsieht, statt Verschwörungslitaneien aus dem Internet nachzuplappern, merkt rasch, wie absurd der Vorwurf ist. Wohl nie zuvor war die deutsche Medienlandschaft so vielfältig wie heute. Welch großer Schatz das ist, das erkennt, wer Deutschland mit anderen Ländern vergleicht. Trotzdem hegt auch hierzulande ein großer Teil des Publikums tiefes Misstrauen gegen Journalisten. Selbst wenn sich der Vorwurf, Medienschaffende würden zu häufig die Regierungslinie nachbeten, als haltlos erweist (kritische Kommentare zur Corona-Strategie, zum Klimaschutz, zur Migrations- oder Wirtschaftspolitik etc. pp. lassen sich mit zwei Klicks finden), bleibt ein diffuses Unwohlsein. Durch mangelnde Medienkompetenz oder Engstirnigkeit allein lässt es sich nicht erklären. Zwei andere Gründe könnten ausschlaggebend sein:

Zum einen pflegen viele deutsche Medien einen merkwürdigen "Thesenjournalismus". Dabei wählen Journalisten ihre Themen nicht nach deren Relevanz, sondern nach ihren persönlichen Vorlieben aus und verquicken Nachrichten mit Ansichten – geben sie aber als Berichte aus. Das Ergebnis nennt sich mal Feature, mal Story, ist aber oft weder das eine noch das andere, sondern eher ein Mischmasch, in dem sich der Autor die Fakten nach Gutdünken zurechtlegt. Falls Sie t-online schon etwas länger lesen, wissen Sie, dass wir davon nichts halten, sondern Meinungsartikel stets kennzeichnen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Alle anderen Texte sollen meinungsfrei sein (mehr erfahren Sie hier ).

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Zum anderen fällt das sonderbare Selbstverständnis einiger deutscher Medien auf: Es wirkt, als verlören sie unter dem Spardruck nicht nur ihre Originalität, sondern auch ihren publizistischen Kompass als objektive Begleiter des Weltgeschehens. Die "Bild" giftet in einer Kampagne gegen Frau Merkels Corona-Politik, prangert das vermeintliche "Impfdesaster" an und rühmt als leuchtendes Gegenbeispiel Israel. Dass Israel auch deshalb so viele Impfdosen erhalten hat, weil es dem Pharmakonzern Pfizer massenhaft Gesundheitsdaten seiner Bürger spendiert, kommt allenfalls am Rande vor. Die Talkshows von ARD und ZDF wiederum servieren den Fernsehzuschauern auch noch das abseitigste Themenzipfelchen zur Pandemie, während andere Großthemen wie die Klimakrise, die Schattenseiten der Globalisierung, der ungelöste Migrationsdruck, die Folgen der Armut oder die Macht der Digitalkonzerne unter ferner liefen rangieren. Der "Stern" verwechselt Journalismus mit Aktivismus und schafft sein eigenes Politikressort ab. Und das Nachrichtenmagazin "Spiegel" schreibt Titelgeschichten über Haustiere.

Angesichts dieser Entwicklung in Kulturpessimismus zu verfallen, wäre jedoch töricht, denn die Labilität einiger Traditionsmedien wird durch andere Akteure ausgeglichen. Der "Deutschlandfunk" ist auf der Höhe seines Schaffens und liefert neben den täglichen Topthemen auch tiefe Einblicke in entlegene Winkel der Welt. Die Berliner Redaktion der "Neuen Zürcher Zeitung" läuft der "FAZ" den Rang als konservatives Leitmedium ab, die "Süddeutsche Zeitung" etabliert sich als investigative Vorreiterin. Und auch hierzulande klicken sich immer mehr Bürger auf der Suche nach fundierten Informationen in die Onlineangebote der "New York Times" und "Washington Post". Wer uneingeschränkten Zugang zu Nachrichten und deren Einordnung haben möchte, kann t-online nutzen.

Für jedes Minus gibt es ein Plus, für jeden Mangel eine Lösung: So verhält es sich mit den Medien. Und wem das alles nicht passt, für den gibt es ja auch noch den Teletext. Es ist ein Segen, sich aus vertrauenswürdigen Quellen informieren zu können.


WAS STEHT AN?

Die Welt stand noch unter dem Schock von 9/11, der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte den USA gerade "uneingeschränkte Solidarität" versprochen, als der Bundestag im November 2001 beschloss, sich an der Militäroperation "Enduring Freedom" zu beteiligen, und nur wenige Monate später auch der Entsendung deutscher Soldaten für die UN-Friedensmission ISAF in Afghanistan zustimmte. "Es handelt sich um ein von den Aufgaben her, vom Einsatzort her und von der Zeit her begrenztes Mandat", versprach der Kanzler damals. 19 Jahre später ist die Bundeswehr immer noch am Hindukusch im Einsatz. 160.000 Soldaten waren schon dort, 59 sind gestorben – und das Ende ist kaum abzusehen, denn nun scheint der neue US-Präsident Joe Biden vom überstürzten Abzugsplan seines Vorgängers abzurücken.

Auch die Gerichte beschäftigt Afghanistan immer noch: Heute urteilt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, ob Deutschland im Fall des fatalen Luftangriffs am Kundus-Fluss im September 2009 ausreichend ermittelt hat. US-Kampfjets hatten damals auf Befehl des deutschen Obersts Georg Klein zwei von Talibankämpfern gekaperte Tanklastzüge bombardiert. Bei dem Angriff kamen rund 100 Menschen ums Leben, vor allem Zivilisten. Kläger ist der Afghane Abdul Hanan, der bei dem Angriff zwei Söhne verlor und der Bundesregierung Menschenrechtsverletzungen vorwirft.


Ein vergnüglicher Termin für Peter Altmaier wird es nicht, wenn sich der Minister heute mit Vertretern von mehr als 40 Branchenverbänden zum Wirtschaftsgipfel trifft. Der CDU-Mann muss sich auf eine geballte Ladung Unmut über die schleppenden Finanzhilfen und fehlenden Öffnungsperspektiven anhören – und hat gleichzeitig wenig Neues anzubieten. "Veranstaltungen wie den Wirtschaftsgipfel braucht niemand", kommentieren die Kollegen vom "Handelsblatt". Ist wohl so.


WAS LESEN?

Da war gestern was los: Mit seiner Kolumne zur Kritik des Bayern-Trainers Hansi Flick am SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach hat Stefan Effenberg einen rollenden Stein in eine Lawine verwandelt. Den ganzen Tag über fegte die Debatte durch die sozialen Medien. Falls Sie noch nicht à jour sind, können Sie es hier nachholen.


Dänemark gilt als weltoffenes Land – macht aber eine knallharte Asylpolitik. Wie passt das zusammen? Meine Kollegin Sonja Eichert ist der Frage nachgegangen.


Joe Biden demonstriert Stärke – doch die USA werden mit Donald Trump und dessen Mob nicht fertig. Das kann nun Konsequenzen für ihre Rolle als Weltmacht haben, analysiert unser Kolumnist Gerhard Spörl.


Wirtschaft am Boden, miese Umfragewerte, Konflikte mit den Nachbarstaaten: Herr Erdoğan sieht ziemlich alt aus. Nun will er sein Heil auf dem Mond suchen. Mein Kollege Patrick Diekmann erklärt Ihnen den Hintergrund der Schnapsidee.


WAS AMÜSIERT MICH?

Ja, und dann wäre da noch Herr Altmaier…

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen fröhlichen Tag.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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