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Nach Impeachment gegen Trump: USA nur noch ein Papiertiger?


Meinung
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Nach dem Impeachment
Die USA – nur noch ein Papiertiger?

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 16.02.2021Lesedauer: 4 Min.
US-Flagge auf dem Kapitol auf Halbmast: t-online-Kolumnist Gerhard Spörl sieht eine Supermacht, die womöglich auf Dauer an Strahlkraft verloren hat.Vergrößern des Bildes
US-Flagge auf dem Kapitol auf Halbmast: t-online-Kolumnist Gerhard Spörl sieht eine Supermacht, die womöglich auf Dauer an Strahlkraft verloren hat. (Quelle: Al Drago/reuters)
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Am 6. Januar haben sich die USA lächerlich gemacht – so muss das auf Autokratien wie Iran oder China wirken. Die Unfähigkeit, mit Trump und dessen Mob fertig zu werden, dürfte Konsequenzen für die Rolle als Weltmacht haben.

Amerika hat das zweite gescheiterte Impeachment gegen Donald Trump hinter sich und ist mehr denn je klaftertief gespalten, schlimm genug. Nebenbei ist Amerika aber auch immer noch eine unverzichtbare Supermacht, und deshalb sollten wir uns jetzt mal eine entscheidende Frage stellen: Was bedeutet der 6. Januar für den Einfluss der USA auf die Weltereignisse?

1. Joe Biden will Vertrauen zurückgewinnen und damit die Vorherrschaft in sämtlichen Bündnissen des Westens stabilisieren. Nato und Europäische Union, die UN wie die Weltbank und der Internationale Währungsfonds oder die WHO atmeten nach seiner Wahl auf und freuten sich auf einen Neustart. Aber nur das halbe Amerika folgt dem neuen Präsidenten auf diesen Spuren. So fragil, so unberechenbar wie dieses Land nun einmal ist, kann in vier Jahren ein republikanischer Präsident den Schalter wieder umlegen.

Und dann? Vertrauen verlangt Dauer. Vertrauen braucht Zuverlässigkeit. Beides lässt sich von Amerika nur bedingt erhoffen.

Biden geht auf Distanz zu Saudi-Arabien – ist das wirklich klug?

2. Dass die Projektion der Macht, die Amerika durchaus selbstherrlich einsetzte, an Kraft verloren hat, ist seit dem Irakkrieg nicht mehr zu übersehen. Der Bürgerkrieg in Syrien und der damit verbundene Kampf um Hegemonie in der Region ziehen sich quälend dahin, ohne dass die Supermacht Amerika Einfluss darauf nehmen könnte. Das neue Bündnis, das Israel mit den Golfstaaten eingegangen ist, verdankt sich paradoxerweise Donald Trump. Schon einmal deswegen berichtigt Biden den veränderten Status quo, indem er auf Distanz zu Saudi-Arabien geht, solange der Krieg im Jemen anhält. Aber ist das wirklich klug? Saudi-Arabien ist ja eigentlich der wichtigste Verbündete im Konflikt mit Iran.

Im Nahen Osten ist Amerika keine Ordnungsmacht mehr. Gut möglich, dass Irans Neigung, an das Atomabkommen, das Trump einseitig kündigte, wieder anzuknüpfen, nicht besonders groß ist. Und das wäre ein schwerer Schlag für Biden.

Weltmacht und Demut gehen nicht zusammen

3. Amerika verstand sich immer als Leuchtturm der Freiheit, als Fackel der Demokratie, von der Geschichte dazu berufen, sein Modell hinaus in die Welt zu tragen. Diese Selbstermächtigung hatte von Anfang an messianische Züge und wirkte spätestens seit Vietnam als groteske Anmaßung. Am 6. Januar 2021 aber zerplatzte das Selbstideal in tausend Stücke. Dafür sorgte die Trump-Soldateska, die in aller Ruhe ins Kapitol eindrang, Jagd auf Abgeordnete machte und geruhsam die Büros zerlegte, als ihr weder Mike Pence noch Nancy Pelosi in die Hände fielen. Und das Land der vielen Geheimdienste, des hochmächtigen Militärs, der Nationalgarde, der vielen Sondereinheiten und der vielen Polizeitruppen ließ sie stundenlang gewähren. Lächerlicher kann sich eine Demokratie, die so groß von sich denkt wie Amerika, gar nicht machen. Und zur Krönung vermag sie es nicht einmal, den Mann zur Rechenschaft zu ziehen, für den der Mob zu Felde zog.

Demut wäre angemessen, schon wahr. Aber Weltmacht und Demut gehen nicht zusammen, sie sind ein innerer Widerspruch. Und die Welt braucht eigentlich eine selbstbewusste, unmessianische Weltmacht Amerika.

China wird sich weniger denn je irritieren lassen

4. Wie schaut wohl zum Beispiel die chinesische Führung auf das amerikanische Drama? Nur als Schwäche kann sie den Sturm auf das Kapitol verstehen, als die Unfähigkeit der Demokratie, mit ihren Feinden fertig zu werden. Was für Amerika der 6. Januar 2021 ist, das war für China der 4. Juni 1989. Auf dem Tiananmen-Platz versammelten sich (aus KP-Sicht) zahlreiche Staatsfeinde, die nach Demokratie verlangten, ein beispielloser Vorgang. Es dauerte ein paar Tage lang und dann rollten die Panzer. Nach einer kurzen Zeit der Schwäche eine Demonstration brutaler Stärke mit jahrzehntelangem Nachhall.

Die chinesische Führung hat einen langen Atem und kein Problem, Gewalt anzuwenden, innen wie außen. In ihrem Anspruch, Amerika auf der Weltbühne abzulösen, wird sie sich weniger denn je irritieren lassen. Amerika ist nur noch ein Papiertiger, so dürften sie in Peking die Ereignisse deuten und Konsequenzen daraus ziehen.

Die USA bleiben verletzlich

5. Europa ist einerseits erleichtert darüber, dass ein vernünftiger, verständnisvoller Mann wie Joe Biden im Weißen Haus sitzt, eine bekannte Größe. Andererseits ist Selbstberuhigung und Passivität unangebracht. Amerika bleibt verletzlich, beschäftigt mit sich selber, das ist unvermeidlich. Amerika braucht aber auch Unterstützung für politische und ökonomische Konflikte mit China, die sich in nächster Zeit häufen dürften. Deshalb hat Europa noch mehr Gründe, eine stabile Rolle draußen in der Welt anzustreben – zum Selbstschutz und als solider Bündnispartner Amerikas. Emmanuel Macron schwebt ein souveränes, einiges Europa vor. Daran jetzt zu arbeiten, drängt sich geradezu auf.

Was aus Amerika wird, ob es sich selbst lähmt oder neu erfindet, geht uns alle an. An Amerika hängt aber nicht mehr so viel wie gerade eben noch. Wäre doch nur konsequent, wenn Europa selbständiger und wichtiger würde.

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