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Kanzlerkandidatur der Union: Der Irrglaube der Söder-Fans


Tagesanbruch
Der Irrglaube der Söder-Fans

MeinungVon Sven Böll

Aktualisiert am 13.04.2021Lesedauer: 7 Min.
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Die Ungleichen: CDU-Chef Armin Laschet (l.) und der CSU-Vorsitzende Markus SöderVergrößern des Bildes
Die Ungleichen: CDU-Chef Armin Laschet (l.) und der CSU-Vorsitzende Markus Söder (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

heute schreibe ich für Sie den kommentierten Überblick über die Themen des Tages.

Das Missverständnis

Hätte Helmut Kohl 1998 auf eine erneute Spitzenkandidatur verzichtet, wäre Wolfgang Schäuble wahrscheinlich Kanzler geworden – und Gerhard Schröder niedersächsischer Ministerpräsident geblieben.

Hätte der Wahlkampf 2005 etwas länger gedauert, wäre Gerhard Schröder vielleicht als Kanzler bestätigt worden – und die politische Karriere von Angela Merkel beendet gewesen.

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Hätte es Angela Merkel 2017 mit einem Martin Schulz zu tun gehabt, der Martin Schulz hätte sein dürfen, wäre der SPD womöglich ein Coup bei der Bundestagswahl gelungen und Friedrich Merz unter Umständen nun Kanzlerkandidat der Union.

Hätte, hätte, hätte.

Denn es kam in den genannten Fällen bekanntlich anders. Das zeigt auch: Wir wissen nicht, ob der trotz der jüngsten Turbulenzen noch immer wahrscheinliche Kanzlerkandidat der Union Armin Laschet uns in den kommenden Monaten noch überraschen wird – oder ob sich seine Kritiker bestätigt fühlen werden.

Und wir wissen auch nicht, ob Laschet im Fall der Fälle ein guter Kanzler sein wird. Und schon gar nicht, ob Söder den Job besser machen würde.

Natürlich spricht im Moment vieles dafür, dass die Union mit dem bayerischen Ministerpräsidenten einen erfolgreicheren Wahlkampf führen könnte als mit seinem Kollegen aus Nordrhein-Westfalen: Söder ist deutlich beliebter, er kann Politik viel besser erklären, ist unbestritten der Macher-Typ, nach dem sich viele sehnen. Und er glaubt an sich – mehr als alle anderen. Das hat er am Montag einmal mehr bewiesen.

Allerdings sollten sich die Söder-Fans auch nicht täuschen: Würde ihr Favorit in den kommenden Tagen doch noch der Kandidat der gesamten Union, gäbe es in den nächsten Wochen und Monaten auch allerlei Kritisches: Söder, die One-Man-Show. Söder, der Prinzipienlose. Söder, der einstige Super-Konservative ...

Auch käme der rastlose Kandidat im Wahlkampf wahrscheinlich alle zwei Stunden mit einer neuen Idee oder Initiative um die Ecke. In seiner Regierungserklärung als frischgewählter Ministerpräsident präsentierte er im April 2018 in rund einer Stunde 100 Projekte. Da verliert man schnell den Überblick.

Ob – und wenn ja wie – all das den Wahlkampf beeinflussen würde, ist offen. Zumal unklar ist, ob im Spätsommer noch immer Corona dominiert, also der vermeintlich härteste Virusbekämpfer gesucht wird. Oder längst andere Themen im Mittelpunkt stehen und sich die Republik zwar nach Aufbruch sehnt, aber eben auch nach Ausgleich.

Dass sich die Frage, ob Markus Söder ein besserer Kanzler als Armin Laschet wäre, derzeit ebenfalls nicht seriös beantworten lässt, hat mit einem Missverständnis gegenüber der großen Politik zu tun. Die Erfahrung zeigt: Entscheidend für die Beurteilung einer Kanzlerschaft ist weniger, ob jemand im Wahlkampf beliebt ist und ein attraktives Programm umsetzen will, als vielmehr die Tatsache, wie geschickt der Amtsinhaber auf den Lauf der Geschichte reagiert.

Von Angela Merkel wird nicht ihr umfassendes Reformprogramm vom Leipziger Parteitag in Erinnerung bleiben, mit dem sie 2005 in den Wahlkampf zog, sondern ihr besonnenes Management der nicht enden wollenden Krisen – von der Finanz- über die Flüchtlings- bis hin zur Corona-Krise.

Bei Helmut Kohl hat es auch nicht die 1982 großspurig angekündigte geistig-moralische Wende in die Geschichtsbücher geschafft, sondern sein beherztes Zupacken, als es 1989 zur politischen Wende in der DDR kam.

Und Gerhard Schröder setzte die Hartz-Kommission, aus deren Vorschlägen die Agenda 2010 und sein Ruf als Reformkanzler entstand, 2002 nicht deshalb ein, weil sie im Wahlprogramm der SPD aufgeschrieben war. Nein, die damalige Bundesanstalt für Arbeit hatte ihre Statistiken zur Vermittlung von Arbeitslosen manipuliert.

Dieses Reagieren bedeutet natürlich nicht, dass Kanzler nicht auch selbst agieren sollten, um eigene politische Ziele durchzusetzen.

Aber vor allzu großen Erwartungen an die Umsetzbarkeit von hehren Visionen sei gewarnt. Das gilt nicht nur für Deutschland. Wenn Sie das nicht glauben, schauen Sie sich gern die Siegesreden von Barack Obama 2008 oder Emmanuel Macron 2017 an. Und dann vergleichen Sie diese damit, was beide in ihrer (bisherigen) Regierungszeit umsetzen konnten.

Sowohl der US- als auch der französische Präsident verfügen über deutlich mehr Macht als ein Kanzler in der Bundesrepublik.

Das deutsche System ist viel stärker auf Ausgleich angelegt: Sei es, dass das Wahlrecht auf allen Ebenen zumeist Bündnisse verschiedener Parteien notwendig macht. Sei es, dass fast immer alle Interessengruppen mitreden dürfen. Und sei es, dass der Föderalismus in der Regel eine Verständigung von Bund und Ländern erzwingt.

Durchregieren ist in Deutschland immer schwierig. Egal, ob der Regierungschef Laschet, Söder oder wie auch immer heißt. Das musste in den vergangenen Wochen nicht nur Angela Merkel spüren, sondern eben auch Markus, der Starke. Sein selbsternanntes Pandemie-Team "Vorsicht" konnte sich immer weniger durchsetzen.

Trotzdem würde Söder nun gern den Nachweis erbringen, dass er zumindest der bessere Kanzlerkandidat als Laschet wäre. Bis zur endgültigen Entscheidung der Union wird es wohl noch etwas dauern. Schließlich haben beide Parteichefs Rückhalt aus ihren Präsidien bekommen. "Jetzt wird's schmutzig", schreibt mein Kollege Tim Kummert zum eskalierenden Führungsstreit zwischen CDU und CSU.

Söder setzt erkennbar auf den Druck der Bundestagsfraktion und der Basis. Wenn selbst dieses inszenierte "Wir hier unten, ihr da oben" nicht reicht, ist es gut möglich, dass er am Abend der Bundestagswahl sagen kann: "Hätte die Union einen stärkeren Kanzlerkandidaten aufgestellt, wäre das Ergebnis besser geworden."


Noch ein Duell NRW-Bayern

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Heute und morgen kommt es zu einem weiteren Duell zwischen Nordrhein-Westfalen und Bayern – wenn auch nur indirekt. Der FC Bayern muss um 21 Uhr im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League bei Paris St. Germain einen Rückstand von 2:3 aus der Heimniederlage aufholen. Am Mittwochabend ist dann Borussia Dortmund dran. Zwar ging das Hinspiel bei Manchester City ebenfalls verloren, nun aber spielt Dortmund zu Hause (was auch immer das in einem leeren Stadion wert ist).


Jetzt aber schnell

Am Vormittag verabschiedet das Bundeskabinett das neue Infektionsschutzgesetz. Es sieht unter anderem verpflichtende Maßnahmen ab einer Inzidenz von 100 vor. Anschließend beraten auch die Fraktionen darüber. Nach Möglichkeit soll es noch in dieser Woche vom Bundestag und womöglich sogar vom Bundesrat verabschiedet werden. Trotz dieses enormen Tempos wird wohl auch dieses Mal das sogenannte Strucksche Gesetz (nach dem früheren SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck) gelten: "Kein Gesetzesentwurf verlässt den Bundestag so, wie er hereingekommen ist."


Hauptsache normal reden

Fast drei Monate nach der Vereidigung von US-Präsident Joe Biden besucht erstmals ein Minister der neuen Regierung Deutschland. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin trifft vormittags Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und redet dann mit US-Soldaten in Stuttgart. Bahnbrechende Ergebnisse sind nicht zu erwarten. In Berlin sind aber alle froh, dass man überhaupt mal wieder vernünftig miteinander spricht.


Was lesen?

Schon lange forschen Wissenschaftler an Medikamenten zur Behandlung von Covid-19 – mit mäßigem Erfolg. Doch jetzt sorgt eine Studie der Universität Oxford zu einem bekannten Asthmaspray für neue Hoffnung. Meine Kollegin Melanie Weiner hat sich die Ergebnisse genauer angeschaut.


"Der typische Lifestyle-Linke wohnt in einer Großstadt. Er hat ein abgeschlossenes Universitätsstudium, plädiert für eine Post-Wachstums-Ökonomie und achtet auf biologisch einwandfreie Ernährung. Dieselauto-Fahrer und Mallorca-Billigflugreisende sind ihm ein Graus. Das heißt nicht, dass er selbst nicht Auto fährt oder nie ein Flugzeug besteigt. Aber dabei handelt es sich eben nicht um Ballermann-Tourismus, sondern um Bildungsreisen, die dabei helfen, andere Kulturen kennenzulernen, die letztverbliebenen wilden Orang-Utans zu besichtigen oder im Ayurveda-Hotel dem inneren Selbst näherzukommen."

Das klingt nicht nur wie eine Abrechnung, das ist auch eine. Und sie kommt von der noch immer prominentesten Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Ihr Buch "Die Selbstgerechten" erscheint in dieser Woche. Einen Auszug können Sie schon jetzt bei uns lesen. Und ihr dann zustimmen oder widersprechen.


Zur "Bild"-Zeitung hat jeder eine Meinung. Prominente und Politiker suchen bis heute die Nähe des Boulevardblatts. Aber ist es immer noch so einflussreich wie früher? "Die 'Bild'-Zeitung wird nicht mehr so ernst genommen", stellt der Wissenschaftler Tanjev Schultz im Gespräch mit meinem Kollegen Marc von Lüpke fest.


Im Moment erhalten viele Smartphone-Nutzer rätselhafte Paket-Nachrichten mit einem Link darin. "Bloß nicht öffnen!", warnen Experten. Denn dahinter verbirgt sich Schadsoftware, die etwa Zugangsdaten zum Onlinebanking ausspähen kann. Doch wie gefährlich sind die Meldungen wirklich? Die wichtigsten Infos hat unser Digital-Team zusammengetragen.


Unser Finanzressort erklärt Ihnen zusammen mit unserem Videoteam die wichtigsten Themen aus der Finanzwelt. Diesmal zeigen Ihnen meine Kollegen Axel Krüger und Philip Friedrichs in 150 Sekunden, mit welchem Effekt Sie Ihr Vermögen bei der Geldanlage vermehren können. Falls Sie befürchten, dass es trocken wird, kann ich Sie beruhigen. Hier geht es zur Animation.


Was amüsiert mich?

Bilder, heißt es, sagen mehr als 1.000 Worte. Ich glaube, es gibt auch Bilder, die mehr als 10.000 Worte sagen.

Deshalb beeindruckt mich mit einer Mischung aus Schaudern und Schmunzeln noch immer dieses Bild vom Sonntag: Markus Söder schildert nach der Klausur des Fraktionsvorstands gerade seine Sicht der Dinge – und CDU-Chef Armin Laschet, Fraktionschef Ralph Brinkhaus und der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag Alexander Dobrindt (v. l.) hören zu ... nein, sie blicken recht sorgenvoll zu ihm: Plant er mal wieder irgendetwas Fieses?

Hoffentlich haben Sie heute früh einen Grund, deutlich fröhlicher zu gucken. Morgen schreibt an dieser Stelle wieder mein Kollege Florian Harms für Sie.

Ihr

Sven Böll
Managing Editor t-online
Twitter: @SvenBoell

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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