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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Streit zwischen Laschet und Söder Jetzt wird's schmutzig
Die CDU-Spitze will Armin Laschet als Kanzlerkandidaten – doch Markus Söder gibt nicht klein bei. Auch in der CDU wachsen die Zweifel: Kann jemand mit so wenig Rückhalt wirklich Kanzler werden?
Die Attacke auf Armin Laschet startet Markus Söder an diesem Montag um 16.37 Uhr. Er hält mit seinem Generalsekretär eine Pressekonferenz ab und erklärt: "Wir können uns nicht abkoppeln von der Mehrheit der Menschen in unserem Land." Mit Blick auf die Kanzlerkandidatur der Union gehe es "um eine wichtige Weichenstellung", dabei spielten "Personen nun mal eine zentrale Rolle".
Söder guckt dabei, als wolle er sagen: Die Hauptperson bin ich. Denn die Menschen wollen mich – und nicht Armin Laschet.
Es ist ein Donnerschlag. Die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur der letzten deutschen Volkspartei ist weniger als ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl noch immer nicht gefallen.
Gehört auch Anstand zum Markenkern?
Und auch wenn seit Sonntag viel von einem Prozess die Rede ist: Es gibt ihn nicht. Vielmehr hangeln sich CDU und CSU von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag. So als wollten sie in Zeiten, in denen sie sich mehr denn je mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, nicht gut zu regieren, auch noch zeigen: Wir können uns nicht einmal mehr selbst organisieren.
Und gehört neben vermeintlicher Solidität nicht auch noch so etwas wie Anstand zum Markenkern der Union? Auch davon ist gerade nicht viel übrig.
Vor allem auf CSU-Seite. Noch gestern hatte Söder sinngemäß erklärt: Er steht für die Kanzlerkandidatur bereit, wenn die CDU ihn ruft. Heute hat die CDU aber gerufen: Danke für das Angebot, wir verzichten. Aus Söders Wochenendversprechen, dann ohne Groll zu sein, wird nun: Es solle keine "Hauruckaktion" geben. Söder will es wirklich wissen, und Laschet im Zweifel leiden sehen.
Die CDU will Laschet und nicht Söder
Eine ranghohe CDU-Abgeordnete sagt t-online: "Unfassbar. Das ist der totale Irrsinn, jetzt droht das Zerreißen der Union." Söders Statement, so sehe man das in der CDU, war eine Kriegserklärung auf Fränkisch. Die fast zwangsläufige Konsequenz: Jetzt wird’s hässlich.
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Denn eigentlich dachte Armin Laschet am Montagmittag, er hätte es schon bis Kilometer 41 des Marathons um die Entscheidung der Kanzlerkandidatur geschafft.
Er erklärte, dass er sich über die Unterstützung aus dem Parteipräsidium und dem Vorstand freue, wo klar wurde: Die CDU-Spitze will ihren Chef als Kanzlerkandidaten. Und eben nicht den CSU-Vorsitzenden.
Nun ist klar: Beide wollen die Kandidatur, beide haben die Unterstützung ihrer jeweiligen Parteipräsidien. Keiner zieht freiwillig zurück. Und es werden Blessuren bleiben. Entweder, weil Söder Laschet doch noch wegmobbt, oder, weil die CDU einen Kanzlerkandidaten stützen muss, dem viele in freundlicher Abneigung verbunden sind.
Laschet, ein König ohne Land
Noch ist unklar, ob Söder und Laschet morgen vor der Bundestagsfraktion sprechen. Und ob die beiden am Ende entscheiden oder irgendwelche nebulösen Delegationen. So viel zum vermeintlichen Prozess.
Doch nach Lage der Dinge ist Laschet noch immer der Favorit. Er ist der Chef der größeren Partei, er hat das sogenannte "Erstzugriffsrecht" auf die Kanzlerkandidatur der Union. Doch Laschets Umfragewerte sind bescheiden. So bescheiden, dass manch einer ernsthaft zweifelt, ob der notorisch Unterschätzte wirklich für ein gutes Wahlergebnis sorgt. Laschet wirkt deshalb ein wenig wie ein christdemokratischer König ohne Land. Vorerst.
Denn am Montagnachmittag hat der Kampf von Armin Laschet begonnen. Es geht jetzt um alles, vor allem geht es darum, möglichst viel Land zu erobern: in seiner eigenen Partei und bei den Wählern.
Es ist zunächst ein Wettlauf gegen Markus Söder und auch ein Wettlauf gegen die Zeit. Im September ist Bundestagswahl.
Geheimes Treffen in der hessischen Landesvertretung
Wenn er nicht Land gewinnen kann, wenn er es nicht schafft, die Wähler zu überzeugen, endet im September seine politische Karriere. Zwar hat er schon etliche Krisen gemeistert, doch diese ist seine größte. Wird er sie überstehen? Aus seinem Lager ist zu hören: Jetzt wird Armin kämpfen.
Wie wacklig Laschets Rückhalt in der Partei ist, zeigte sich bereits am Sonntagabend. Wenige Stunden zuvor hatte Söder seine Bereitschaft erklärt, für eine Kanzlerkandidatur zur Verfügung zu stehen. "Es war ein historischer Moment", sagt jemand, der bei der Sitzung mit den beiden Parteivorsitzenden dabei war. Und der historische Moment sorgte dafür, dass plötzlich der Ausgang um die Kanzlerfrage völlig ungewiss war. Am Abend folgte deshalb ein geheimes Gipfeltreffen.
In der hessischen Landesvertretung saßen unter anderem Daniel Günther, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Gesundheitsminister Jens Spahn, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und Laschet zusammen. Bis nach Mitternacht ging die Sitzung.
Laschet kann die Christdemokraten bislang nicht vereinen
In der Partei wird erzählt, dass sich die Runde auf Laschet als Kanzlerkandidat einigte. Die offizielle Verkündung fand dann am Montagmorgen im Präsidium und im Vorstand der CDU statt.
Doch mancher wertet die Geschehnisse bereits als Zeichen von Schwäche: Der frisch gewählte Parteichef muss sich seinen Rückhalt mühsam organisieren. Klar ist in der CDU für Laschet in diesen Tagen nichts mehr.
Nun offenbart sich in aller Schonungslosigkeit, was sich bereits im langen Wahlkampf um den CDU-Vorsitz abzeichnete: Die CDU ist eine gespaltene Partei, der konservative Friedrich Merz unterlag dem eher liberalen Laschet nur knapp beim Parteitag. Dass Laschet nun so hart um die Kanzlerkandidatur ringen muss, hängt auch damit zusammen, dass er die Christdemokraten bislang nicht hinter sich vereinigen konnte.
Dies zeigt sich nirgendwo so deutlich wie in der Bundestagsfraktion. Besonders Söder will, dass die Fraktion über die Frage der Kanzlerkandidatur entscheidet. Auch, weil er dort besonders viele Unterstützer hat.
Fritz Güntzler, der stellvertretende CDU-Vorsitzende von Niedersachsen und Bundestagsabgeordneter, ist einer von ihnen. Er sagt t-online: "Es ist keine Überraschung, dass das Präsidium und der Vorstand sich für Armin Laschet als Kanzlerkandidaten ausgesprochen haben. Armin Laschet kann nun aber Markus Söder die Kandidatur überlassen. Das wäre angesichts der Stimmung an der Basis nur folgerichtig." Und Güntzler warnt: "Sollte Armin Laschet Kanzlerkandidat werden, ist es möglich, dass diese Partei einen Sturm der Entrüstung von unten erlebt, wie es ihn in den letzten Jahrzehnten nicht gab." Es klingt fast wie eine Drohung.
Etliche Abgeordnete zweifeln, ob mit ihm die Kehrtwende gelingt
Eckard Rehberg, der einflussreiche haushaltpolitische Sprecher der Fraktion, widerspricht bei t-online allerdings: "Mein Wunsch ist eine schnelle Entscheidung, möglichst noch heute. Die Führung der CDU hat sich klar für Laschet ausgesprochen. Dies unterstütze ich." Er klingt wie viele, mit denen man spricht.
Rehberg und Güntzler stehen stellvertretend für die Pole, zwischen denen Laschet jetzt zerrissen zu werden droht. Auf der einen Seite die, die eigentlich für Söder sind. Diese Abgeordneten finden es nicht schlimm, dass der Franke politisch sehr wandelbar ist. Etliche von ihnen sehen ihr Mandat in Gefahr, wenn die Ergebnisse am Wahltag den aktuellen Umfragen nahekommen. Laschet, so ist zu hören, gehe aktiv auf das Lager der Unzufriedenen zu. Doch etliche Abgeordnete zweifeln, ob ihm die Kehrtwende in den wenigen Monaten bis zur Bundestagswahl gelingen kann.
Hinzu kommt, dass Laschet einen besonders harten Gegner hat. Söder triezt Laschet, wo er nur kann. Das ging schon die ganzen letzten Wochen so. Söder ist der Politiker, der vielleicht am besten ein Gefühl für die Defizite seiner Gegner hat. Er wittert jede Schwäche wie ein Bluthund – nur beißt er dann nicht zu, sondern setzt aus München lange Nadelstiche. Immer wieder. So lange, bis es richtig wehtut.
Die Strategie von Laschet lautete zuletzt immer: aussitzen. Wenn Söder wieder etwas vom "Durchsetzen des Teams 'Vorsicht'" erzählte – und dabei nur sich selbst meinte – versuchte Laschet, bei seiner Linie zu bleiben. Die hieß stets, eher zu Lockern, nur mit Mühe konnte sich Laschet zum Vorschlag seines "Brückenlockdowns" durchringen.
Die Lage spitzt sich zu
Nun ist die Frage, ob das noch reicht. Denn jetzt spitzt sich die Lage zu, es sind offenbar nur noch wenige Tage. In dieser Woche könnte es zu einem Treffen von Söder und Laschet kommen – jeweils mit ein wenig Verstärkung. In der CDU zweifelt mancher bereits, wie Laschet bis dahin bestehen soll.
Wahr ist jedoch auch: Laschet hat große Übung darin, zu triumphieren, wenn die Lage aussichtslos scheint. Im Jahr 2017 schlug er die SPD-Politikerin Hannelore Kraft, die damals die beliebteste Politikerin war. Seitdem heißt der NRW-Regierungschef Armin Laschet.
Markus Söder war der Spitzenkandidat der CSU bei der letzten Landtagswahl: 2018 trat er in Bayern an, die Partei stürzte um über 10 Prozentpunkte ab.
- Eigene Recherche