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US-Wahlen 2020: Donald Trumps beispielloser Angriff auf die Demokratie der USA


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Tagesanbruch in den USA
Ein beispielloser Angriff auf die Demokratie

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 04.11.2020Lesedauer: 4 Min.
Donald Trump schlägt Amerikas Demokratie eine tiefe Wunde.Vergrößern des Bildes
Donald Trump schlägt Amerikas Demokratie eine tiefe Wunde. (Quelle: Evan Vucci/ap)

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist eine Sonderausgabe des Tagesanbruchs, pünktlich zum Tagesbeginn in den USA:

Eilmeldungen, Livesendungen, Twitter-Geschnatter und vor allem viele, viele Superlative: Die Präsidentschaftswahl 2020 in den USA gehorcht einerseits den bekannten Mechanismen der amerikanischen Mediendemokratie (hier bekommen Sie einen schnellen Überblick über die bisherigen Ergebnisse). Andererseits unterscheidet sie sich von den Abstimmungen vergangener Jahre. Diese Wahl ist kein Wettstreit, sondern eine Schlacht. Sie wird mit allen Mitteln ausgefochten und am Ende mehr Verlierer als Gewinner zurücklassen. Eigentlich soll eine Wahl ein Höhepunkt der Demokratie sein. In den Unvereinigten Staaten von Amerika ist sie in diesem Jahr ein Höhepunkt der Niedertracht. Beide Lager im Kampf um Macht, Posten und Pfründe haben Grenzen überschritten, indem sie Wahlkreise zu ihren Gunsten zugeschnitten haben, diffamierende Wahlwerbung verbreiten und den Gegner niedermachen.

Aber die republikanische Partei und ihr Lügenbaron im Weißen Haus haben dabei viel brutaler und gewissenloser zugeschlagen als die Demokraten mit ihrem Kandidaten Joe Biden. Sie verbreiten perfide Verschwörungstheorien, versuchen Anhänger ihres Gegners am Wählen zu hindern, torpedieren regionale Wahlbehörden mit juristischen Klagen – und dann stellt sich der Noch-Amtsinhaber auch noch hin und behauptet, er habe den Sieg bereits errungen, während noch gar nicht alle Stimmen ausgezählt sind. Die weitere Auszählung will er stoppen. Das ist ein beispielloser Angriff auf die Demokratie.

Die Wunde, die Donald Trump dem politischen System der USA damit schlägt, wird womöglich nie mehr verheilen. Jahrzehnte lang war es in Amerika so: Ein Präsident darf polarisieren, zuspitzen und auch mit harten Bandagen kämpfen. Aber er sollte immer das ganze Land im Blick behalten und sich für alle Bürger gleichermaßen verantwortlich fühlen. Donald Trump tut das nicht. Er heizt seinen Gefolgsleuten mit martialischen Sprüchen ein und beschimpft die Anhänger der Demokraten. Dieser Mann ist offenkundig weder zu Empathie noch zu Fairness fähig. Das wissen wir nicht erst seit heute. Aber heute ist es augenfälliger als je zuvor.

Wie geht es nun weiter? Amerika erwacht am Tag nach der Wahl, aber die wichtigste Entscheidung ist noch offen. Unzählige Briefwahlstimmen müssen ausgezählt werden, die Bundesstaaten Wisconsin, Michigan und Pennsylvania im Rust-Belt sowie Georgia entpuppen sich als Zünglein an der Waage. "Nail biter" nennen die Amerikaner eine Zitterpartie: Es ist die Zeit, in der man sich auf den Fingernägeln herumkaut und gebannt auf die Entscheidung wartet. Doch die kann noch Stunden oder gar Tage auf sich warten lassen, und auf die politische Schlacht dürfte die Schlacht der Anwälte folgen. Beide Lager bringen bereits ihre Juristen in Stellung. Trumps Leute haben dafür offenkundig mehr Aufwand betrieben als für die inhaltliche Vorbereitung einer zweiten Amtszeit. Das zeigt, wie wenig diesem Präsidenten und seinem Clan an einer langfristigen, gedeihlichen Politik liegt. Es geht ihm vor allem um dreierlei: um sich, um sich und noch mal um sich.

Also noch mal vier Jahre Trump? Die Aussicht beunruhigt viele deutsche Spitzenpolitiker. "Bestürzend" nannte Christian Lindner Trumps Auftritt, als wir in der t-online-Liveshow heute Morgen mit dem FDP-Chef sprachen. "Die Situation ist hochgefährlich." CDU-Chefanwärter Norbert Röttgen sah es im Gespräch mit unserem Moderator Philip Friedrichs ähnlich: "Trumps Präsidentschaft ist ein Bruch mit 70 Jahren US-Außenpolitik. Wenn es acht Jahre werden, ist das eine Steigerung all dessen, was wir erlebt haben, und wird uns fundamental herausfordern." SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte uns: "So oder so: Europa ist jetzt gefordert, Konsequenzen zu ziehen und sich auf seine eigenen Kräfte zu besinnen." Friedrich Merz warnte: "Selbst wenn Trump heute nicht gewählt wird, wird morgen nicht wieder alles gut. Der Ton würde unter Joe Biden freundlicher werden. Trotzdem wird Amerika in den nächsten Jahren sehr auf sich selbst bezogen bleiben." Grünen-Chefin Annalena Baerbock urteilte in unserem Interview: "Die letzten vier Jahre unter Präsident Trump waren für die amerikanische Bevölkerung ein Desaster. Das Allerwichtigste ist nun, dass jede Stimme ausgezählt wird. Es wird offensichtlich alles sehr knapp."

Das kann man wohl sagen, und deshalb darf ich Ihnen empfehlen, auch in den kommenden Stunden regelmäßig auf t-online vorbeizuschauen. Dort informieren meine Kolleginnen und Kollegen Sie schnell und präzise über alle Entwicklungen und Hintergründe. Drei Beiträge möchte ich Ihnen schon jetzt ans Herz legen:

Hier analysiert unser US-Korrespondent Fabian Reinbold den aktuellen Stand des Wahldramas.

Hier erklärt unser Außenpolitikredakteur Patrick Diekmann die verschiedenen Szenarien, wie Trump beziehungsweise Biden gewinnen könnten.

Und hier sehen Sie die Höhepunkte unserer Livesendung.

Ich melde mich morgen früh wieder bei Ihnen.

Herzliche Grüße,
Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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